legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

James Lee Burke: Straße ins Nichts

Eine Leseprobe mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House.

 

1

Straße ins Nichts Früher wurde Vachel Carmouche in den staatlichen Personalakten stets als Elektriker geführt, niemals als Henker. Das war zu der Zeit, als der elektrische Stuhl manchmal in Angola stand, mitunter aber auch auf einem Tieflader mitsamt seiner Generatoren von Bezirksgefängnis zu Bezirksgefängnis gekarrt wurde. Vachel Carmouche erledigte die Arbeit des Staates. Er machte seine Sache gut.
      Wir in New Iberia wussten, welchen Beruf er ausübte, gaben uns aber ahnungslos. Er lebte allein droben am Bayou Teche in einem ungestrichenen, mit Wellblech gedeckten Zypressenholzhaus, das tief im Schatten dunkler Eichen lag. Er pflanzte keine Blumen in seinem Garten und rechte ihn selten, aber er fuhr stets ein neues Auto, das er gewissenhaft wusch und pflegte.
      Jeden Morgen sahen wir ihn in aller Frühe in seinen frisch gebügelten grauen oder khakifarbenen Sachen, eine Segeltuchkappe auf dem Kopf, allein am Tresen in einem Café an der East Main Street sitzen, wo er die anderen Gäste im Spiegel musterte, mit halb offenem Mund und leichtem Überbiss über seine Kaffeetasse gebeugt, als wollte er etwas sagen, obwohl er sich nur selten auf ein Gespräch einließ.
      Wenn er einen dabei ertappte, dass man ihn anschaute, lächelte er rasch und legte das braun gebrannte Gesicht in Hunderte von Fältchen, doch das Lächeln passte nicht zu dem Ausdruck in seinen Augen.
      Vachel Carmouche war Junggeselle. Falls er Freundinnen hatte, bemerkten wir nichts davon. Hin und wieder kam er in Provost's Bar & Poolsalon, setzte sich an meinen Tisch oder neben mir an den Tresen und deutete damit unterschwellig an, dass wir beide Ordnungshüter waren und daher über eine gemeinsame Erfahrung verfügten.
      Damals trug ich noch die Uniform der Polizei von New Orleans und war scharf auf Jim Beam, am liebsten pur mit einer Flasche Jax-Bier daneben.
      Eines Abends traf er mich allein an einem Tisch bei Provost's an und setzte sich, eine weiße Schale mit Gumbo in den Händen, unaufgefordert hin. Ein Tierarzt und ein Lebensmittelhändler, mit denen ich getrunken hatte, kamen aus der Männertoilette, warfen einen Blick zum Tisch und gingen dann zur Bar, kehrten uns den Rücken zu, bestellten sich ein Bier und tranken es dort.
      »Man muss dafür bezahlen, dass man ein Cop ist, nicht wahr?«, sagte Vachel.
      »Sir?«, sagte ich.
      »Sie brauchen mich nicht mit ›Sir‹ anzureden … Sind Sie viel allein?«
      »Nicht unbedingt.«
      »Ich glaube, das bringt der Beruf mit sich. Ich war einst bei der Staatspolizei.« Er senkte den Blick und wandte die Augen, die so grau waren wie sein gestärktes Hemd, dem vor mir stehenden Schnapsglas und den Ringen zu, die mein Bierkrug auf der Tischplatte hinterlassen hatte. »Ein Trinker hört daheim allerhand Echos widerhallen. Wie wenn ein Stein in einen trockenen Brunnen fällt. Nichts für ungut, Mr. Robicheaux. Darf ich Ihnen eine Runde ausgeben?«
      Das neben Vachel Carmouches Anwesen gelegene Grundstück gehörte der Familie Labiche, Nachkommen so genannter freier Farbiger, wie man sie vor dem Bürgerkrieg nannte. Der Begründer der Familie war ein französisch erzogener Mulatte namens Jubal Labiche gewesen, der am Bayou südlich von New Iberia eine Ziegelei besaß. Er hielt selbst Sklaven, die er ebenso wie die zusätzlich angemieteten gnadenlos schuften ließ, und lieferte einen Großteil der Ziegel für die Häuser anderer Sklavenhalter entlang des Teche.
      Das Haus mit dem Säulenportal, das er südlich der Grenze des Parish St. Martin errichtete, wartete nicht mit italienischem Marmor oder Ziergittern aus spanischem Schmiedeeisen auf, wie die Villen der Zuckerrohrpflanzer, die weitaus vermögender waren als er und deren Lebensart er nachzueifern suchte. Aber er pflanzte immergrüne Eichen entlang der Fahrwege, hängte Blumenkästen an seine Balkons und die Veranda, und seine Sklaven hielten die Obstgärten mit den Pekan- und Pfirsichbäumen und die Anbauflächen tadellos in Ordnung. Auch wenn er nicht in die Villen der Weißen eingeladen wurde, achteten sie ihn doch als Geschäftsmann und gestrengen Zuchtmeister und behandelten ihn auf der Straße höflich und zuvorkommend. Das genügte Jubal Labiche beinahe. Aber nur beinahe. Er schickte seine Kinder zur Ausbildung in den Norden, hoffte darauf, dass sie dort eine gute Partie machten, über die Rassenschranken hinweg, damit die hellbraune Hautfarbe der Familie Labiche, dieser Makel, der ihn trotz allem Ehrgeiz einschränkte, irgendwann endgültig verblasste.
      Unglücklicherweise sprangen die Soldaten der Union, die im April 1863 den Teche aufwärts zogen, mit ihm ganz genauso um wie mit seinen weißen Nachbarn. Im Sinne der Gleichberechtigung befreiten sie seine Sklaven, brannten seine Felder, Scheunen und Maisspeicher nieder, rissen die gerippten Läden von seinen Fenstern und benutzten sie als Tragbahren für ihre Verwundeten und zerhackten seine importierten Möbel und das Klavier zu Feuerholz.
      Vor fünfundzwanzig Jahren füllten sich die letzten erwachsenen Mitglieder der Familie Labiche, ein Mann und seine Ehefrau, mit Whiskey und Schlaftabletten ab, schnürten sich Plastiktüten um den Kopf und starben in einem geparkten Wagen hinter einem Bumslokal in Houston. Beide waren Zuhälter. Beide waren Zeugen der Bundesanwaltschaft gegen eine New Yorker Mafiafamilie gewesen.
      Sie hinterließen zwei fünfjährige Töchter, eineiige Zwillinge namens Letty und Passion Labiche.
      Die Mädchen hatten blaue Augen und rauchfarbene Haare mit dunkelgoldenen Strähnen, als wären sie mit einem Pinsel bemalt worden. Eine Tante, die morphiumsüchtig war und behauptete, eine Traiture oder Juju-Frau zu sein, wurde von Staats wegen mit der Vormundschaft betraut. Oftmals bot Vachel Carmouche von sich aus an, auf die Mädchen aufzupassen oder sie zur Straße zu begleiten und mit ihnen auf den Bus zu warten, der sie zur Vorschule nach New Iberia brachte.
      Wir machten uns keine großen Gedanken über seine Fürsorge für die Mädchen. Möglicherweise entspringt all dem Bösen auch etwas Gutes, sagten wir uns, und vielleicht gibt es einen Bereich in Carmouches Seele, der nicht von den Taten beschädigt ist, die er mit den Apparaturen beging, die er eigenhändig ölte, putzte und von einem Gefängnis zum andern transportierte. Vielleicht war seine Kinderfreundlichkeit ein Versuch zur Wiedergutmachung.
      Außerdem war der Staat für ihr Wohlergehen zuständig, nicht wahr?
      In der vierten Klasse erzählte eine der Zwillinge, Passion war es, ihrer Lehrerin von einem immer wiederkehrenden Albtraum und den Schmerzen, mit denen sie morgens aufwachte.
      Die Lehrerin brachte Passion zum Charity Hospital in Lafayette, aber der Arzt sagte, die wunden Stellen könnten vom Spielen auf der Wippe im City Park herrühren.
      Als die Mädchen etwa zwölf waren, sah ich sie eines Sommerabends mit Vachel Carmouche draußen bei Veazeys Eisdiele an der West Main Street. Beide trugen das gleiche karierte Sommerkleid und hatten verschiedenfarbige Schleifen in den Haaren. Sie saßen in Carmouches Pickup, dicht an die Tür gedrückt, mit leblos stumpfem Blick, die Mundwinkel nach unten gezogen, während er durch das Fenster mit einem Schwarzen in einer Latzhose sprach.
      »Ich habe viel Geduld mit dir gehabt, mein Junge. Du hast das Geld gekriegt, das dir zugestanden hat. Willst du mich als Lügner bezeichnen?«
      »Nein, Sir, das mach ich nicht.«
      »Dann wünsch ich dir noch einen schönen Abend«, sagte er. Als eins der Mädchen etwas sagte, gab er ihm einen leichten Klaps auf die Wange und ließ seinen Laster an.
      Ich ging quer über den mit Muschelschalen bestreuten Parkplatz und stellte mich an sein Fenster.
      »Entschuldigen Sie, aber wer gibt Ihnen das Recht, anderer Leute Kinder ins Gesicht zu schlagen?«, fragte ich.
      »Ich glaube, Sie haben da was falsch aufgefasst«, erwiderte er.
      »Steigen Sie bitte aus Ihrem Laster.«
      »Verdammte Axt. Sie sind hier nicht zuständig, Mr. Robicheaux. Außerdem haben Sie eine Schnapsfahne.«
      Er setzte seinen unter den Eichen stehenden Pick-up zurück und fuhr davon.
      Ich ging zu Provost's, saß drei Stunden an der Bar, trank und schaute dem Treiben an den Pooltischen zu und den alten Männern, die unter den hölzernen Ventilatorenflügeln Bouree und Domino spielten. Die warme Luft roch nach Talkum, trockenem Schweiß und dem grünen Sägemehl am Fußboden.
      »Hat sich hier schon mal jemand Vachel Carmouche vorgeknöpft?«, fragte ich den Barkeeper.
      »Geh heim, Dave«, sagte er.
      Ich fuhr am Bayou Teche entlang nach Norden, zu Carmouches Anwesen. Das Haus war dunkel, aber nebenan, bei den Labiches, brannte auf der Veranda und im Wohnzimmer Licht. Ich stieß in die Auffahrt und ging quer über den Hof zu der Ziegeltreppe. Der Boden war eingesunken, mit modernden Pekanschalen und Palmettobüscheln übersät, das weiß gestrichene Haus fleckig vom Qualm der Stoppelfeuer auf den Zuckerrohrfeldern. Mein Gesicht fühlte sich warm und vom Alkohol aufgedunsen an, und ich hatte ein Summen in den Ohren, ohne zu wissen, woher es kam.
      Vachel Carmouche öffnete die Haustür und trat ins Licht heraus. Ich sah die Zwillinge und die Tante hinter ihm aus der Tür spähen.
      »Ich glaube, Sie missbrauchen diese Kinder«, sagte ich.
      »Sie geben eine bedauernswerte und lächerliche Figur ab, Mr. Robicheaux«, erwiderte er.
      »Kommen Sie raus auf den Hof.«
      Sein Gesicht lag im Schatten, und im Schein der Lampe hinter ihm flirrte sein Körper vor Feuchtigkeit.
      »Ich bin bewaffnet«, sagte er, als ich auf ihn zuging.
      Ich schlug ihm mit der offenen Hand ins Gesicht, dass seine Bartstoppeln wie Schotter über meine Haut scharrten und sein Speichel an meinem Ballen klebte.
      Er betastete seine Oberlippe, die an den vorstehenden Zähnen aufgeplatzt war, und betrachtete das Blut an seinen Fingern.
      »Sie kommen hierher, stinken nach Erbrochenem und muffiger Kleidung und wollen über mich richten?«, sagte er. »Sie sitzen im Red Hat House und schauen zu, während ich Menschen vom Leben zum Tod befördere, und wollen mich dann verurteilen, weil ich mich um Waisenkinder kümmere? Sie sind ein Scheinheiliger, Mr. Robicheaux. Verschwinden Sie, Sir.«
      Er ging hinein, schloss die Tür hinter sich und schaltete das Verandalicht aus. Mein Gesicht fühlte sich in der Hitze und der Dunkelheit straff und gespannt an wie die Schale eines unreifen Apfels.
      Ich kehrte nach New Orleans zurück und widmete mich wieder meinem Ärger mit Wettbüros und einer dunkelhaarigen Ehefrau aus Martinique mit einer Haut wie Milch und Honig, die mit fremden Männern aus dem Garden District heim ging, während ich in einem Hausboot auf dem Lake Pontchartrain meinen Rausch ausschlief und von einer weiten Hochebene voller Elefantengras träumte, das vom Rotorenwind der Army-Hubschrauber niedergebogen wurde.
      Ich hörte allerhand Geschichten über die Labiche-Mädchen: dass sie Schwierigkeiten wegen Betäubungsmitteln hatten, sich auf sexuelle Abenteuer mit Bikern, College-Jungs und anderen windigen Bekanntschaften einließen, kleine Nebenrollen in einem Film spielten, der in der Umgebung von Lafayette gedreht wurde, und dass Letty im Gefängnis eine R&B-Platte aufgenommen hatte, die sich zwei, drei Wochen in den Charts hielt.
      Wenn ich wieder mal am Boden war, schloss ich die Mädchen oft in meine Gebete ein und bedauerte zutiefst, dass ich betrunken gewesen war, als ich in ihrem Leben möglicherweise eine Änderung hätte herbeiführen können. Einmal sah ich sie im Traum auf einem Bett kauern und auf die Schritte eines Mannes vor ihrer Tür lauschen, auf die Hand, die leise den Knauf umdrehte. Doch bei Tageslicht redete ich mir ein, dass ich durch mein Versagen nur einen Bruchteil zu ihrem tragischen Leben beigetragen hatte, dass meine Schuldgefühle nur eine weitere Ausgeburt einer vom Alkohol genährten Selbstüberschätzung wären.
      Vachel Carmouche wurde sein lange unterdrücktes Verlangen nach Ruhm und öffentlicher Anerkennung zum Verhängnis. Auf einer Urlaubsreise in Australien wurde er von einem Fernsehjournalisten über seinen Beruf als staatlicher Henker interviewt.
      Carmouche verhöhnte seine Opfer.
      »Sie versuchen den starken Mann zu markieren, wenn sie in den Raum kommen. Aber am Glanz in ihren Augen seh ich ihnen ihre Angst an«, sagte er.
      Er klagte darüber, dass die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl keine angemessene Strafe für die Sorte Menschen wäre, die er vom Leben zum Tod beförderte.
      »Es geht zu schnell. Sie sollten leiden. Genau wie die Leute, die sie umgebracht haben«, sagte er.
      Der Journalist war so verdattert, dass er nicht weiter nachhakte.
      Die Aufnahme wurde von der BBC übernommen und danach in den Vereinigten Staaten ausgestrahlt. Vachel Carmouche verlor seinen Job. Nicht seine Taten legte man ihm zur Last, sondern dass er öffentlich in Erscheinung getreten war.
      Er verrammelte sein Haus und verschwand für viele Jahre, ohne dass wir je erfuhren, wohin. Eines Frühlingsabends vor acht Jahren kehrte er dann zurück, hebelte die Sperrholzplatten von seinen Fenstern und mähte mit einer Sichel das Unkraut in seinem Garten, während auf der Galerie das Radio spielte und am Grill ein Schweinebraten schmorte. Ein etwa zwölfjähriges schwarzes Mädchen saß am Rand der Galerie, ließ die bloßen Füße in den Staub baumeln und drehte träge an der Kurbel der Eismaschine.
      Nach Sonnenuntergang ging er hinein und aß am Küchentisch zu Abend. Eine gekühlte Weinflasche stand ungeöffnet neben seinem Teller. Jemand klopfte an die Hintertür, worauf er sich erhob und das Fliegengitter aufstieß.
      Im nächsten Moment kroch er über den Linoleumboden, während sich eine Haue in seinen Rücken und Brustkorb, in Nacken und Schädel grub, die Wirbel bloßlegte, Nieren und Lunge zerfetzte und ihn auf einem Auge blendete.
      Letty Labiche wurde nackt im Hof hinter ihrem Haus festgenommen, wo sie in einer Mülltonne einen Morgenmantel und Arbeitsschuhe verbrannte und sich mit einem Gartenschlauch Vachel Carmouches Blut vom Leib und aus den Haaren wusch.
      Die nächsten acht Jahre lang nutzte sie sämtliche Mittel und Möglichkeiten, um dem Tag zu entgehen, an dem sie ins Todeshaus des Staatsgefängnisses Angola gebracht und auf einem Tisch festgeschnallt werden würde, wo ihr ein medizinisch-technischer Assistent, vielleicht sogar ein Arzt, Drogen injizierte, durch die ihr die Augen zufielen, die Muskeln in ihrem Gesicht gelähmt, ihre Atmung unterbunden und ihr Tod herbeigeführt wurde, ohne dass die Zuschauer nach außen hin etwas von ihrem Leiden wahrnahmen.
      Ich hatte zwei Hinrichtungen auf dem elektrischen Stuhl beigewohnt. Sie hatten mich angeekelt und abgestoßen, obwohl ich bei beiden Männern an der Festnahme und Überführung beteiligt gewesen war. Aber keine davon ging mir so nahe wie das Schicksal, das Letty Labiche erwartete.

 

2

Clete Purcel hatte nach wie vor seine Privatdetektei drunten an der St. Ann Street, im French Quarter, und er frühstückte immer noch jeden Morgen im Café du Monde gegenüber vom Jackson Square. Dort traf ich ihn auch an diesem dritten Sonnabend im April an, an einem schattigen Tisch im Freien, bei einer Tasse Kaffee, einem Kännchen heißer Milch und einem Teller mit einem Haufen mit Puderzucker bestreuter Beignets.
      Er trug ein blaues, mit großen roten Blumen bedrucktes Seidenhemd, einen Porkpie-Hut, Jesuslatschen und eine beige Hose. Sein Sakko, dessen Brusttasche entlang der Naht aufgetrennt war, hing zusammengefaltet über einem freien Stuhl. Er hatte rotblonde Haare, die er glatt zurückkämmte, ein rundliches Irengesicht und grüne Augen, die einen stets anstrahlten. Seine Arme waren so dick und fest wie ein starker Feuerwehrschlauch, voller trockener, schuppiger Hautfetzen, weil er sich ständig einen Sonnenbrand zuzog, ohne dass er jemals richtig braun wurde.
      Einstmals war er vermutlich der beste Fahnder gewesen, den die Mordkommission der Polizei von New Orleans jemals in ihren Reihen gehabt hatte. Jetzt spürte er für Nig Rosewater und Wee Willie Bimstine flüchtige Kautionsschuldner in den Sozialsiedlungen auf.
      »Ich will mir also Little Face Dautrieve grade schnappen, als ihr Lude mit 'nem Dolch aus dem Kleiderschrank kommt und mir fast den Nippel absäbelt«, sagte er. »Ich hab vor zwei Wochen dreihundert Eier für den Anzug bezahlt.«
      »Wo ist der Zuhälter?«, fragte ich.
      »Ich sag dir Bescheid, wenn ich ihn finde.«
      »Erzähl mir noch mal, was mit Little Face los ist.«
      »Was gibt's da zu erzählen? Sie hat das ganze Wohnzimmer voller Ausschnitte über Letty Labiche. Ich frag sie, ob sie morbide ist, und sie sagt: ›Nein, ich bin aus New Iberia.‹ Also sag ich: ›Gehört man in New Iberia zur Prominenz, wenn man in der Todeszelle sitzt?‹ Sagt sie: ›Putzen Sie sich öfter die Zähne, fetter Mann, und wechseln Sie das Deodorant, wenn Sie schon mal dabei sind.‹«
      Er steckte sich ein Beignet in den Mund und schaute mich an, während er kaute.
      »Weswegen ist sie dran?«, fragte ich.

 

Aus dem Amerikanischen von Georg Schmidt
© Verlagsgruppe Random House, 2002
Alle Rechte vorbehalten!

 

[Titel bestellen bei amazon.de]

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links