Frohe Botschaft im Regenwald
Reiche sind doof. Superreiche sind superdoof und nicht literaturwürdig. Das weiß man spätestens seit "Dallas" Anfang der Achziger Jahre. Zwanzig Jahre später versucht sich John Grisham an dem Sujet und kann diesem auch nicht mehr abgewinnen. 771 Gramm pure Langeweile, in der Habgierige aus Habgier über Habgierige herfallen, ergänzt um ein paar Versatzstücke aus religiösem Erweckungskitsch.
Zum Inhalt: 11 Milliarden Dollar gilt es nach dem Ableben von Troy Phelan unter den Erben zu verteilen. Die nutzlose und geldgeile Sippschaft des Alten - Ex-Ehefrauen, Kinder und Enkelkinder - ist heillos zerstritten und kommuniziert fast ausschließlich per Anwalt. Der Alte hat seinen Erben eine böse Überraschung hinterlassen: Kurz vor seinem beherzten Hopser aus dem 13. Stock seiner Imperiums-Zentrale in Virginia ändert er sein Testament und setzt seine uneheliche Tochter Rachel, von der keiner etwas wußte, als Alleinerbin ein. Die Sippschaft und ihre Advokaten zweifeln das Testament an und erklären den Alten spontan aber nachdrücklich für verrückt.
Troy Phelans Anwalt Josh Stafford jedoch ist entschlossen, dem letzten Willen seines Mandanten Gültigkeit zu verschaffen. Dafür allerdings muß er Rachel finden und sie überzeugen, das Erbe anzutreten. Gelingt es ihm nicht, fällt das ganze Vermögen zu gleichen Teilen an den Phelan-Clan.
Rachel lebt als Missionarin im Pantanal, einer nur schwer zugänglichen Sumpf- und Regenwaldlandschaft im Grenzgebiet zwischen Brasilien und Bolivien, und verkündet den Indianern - so Grisham - "die frohe Botschaft". Außerdem kann sie mit ihrem medizinischen Wissen zumindest teilweise die Krankheiten heilen, die sie und ihresgleichen selbst eingeschleppt haben. Das findet der Indianer prima, Grisham auch.
Auftritt Nate O'Riley: Der ehemalige Staranwalt aus Staffords Kanzlei steht vor der Entlassung aus einer seiner regelmäßigen Entziehungskuren. Seine Zukunft ist ungewiß: An eine umgehende Rückkehr des Schluckspechtes in Kanzlei und Gerichtssaal ist nicht zu denken. Außerdem drohen ihm Haftstrafe und finanzieller Ruin, weil er es unterlassen hatte, dem Internal Revenue Service 60.000$ sonstige Einnahmen anzugeben.
O'Riley ist der perfekte Mann für die Suche im Regenwald: gestählt durch tägliches Training im Sanatorium, verfügt er außerdem über den juristischen Sachverstand, um Rachel die Rechslage zu erläutern. Derweil die Anwälte in Virginia gleich einem Rudel Wölfe übereinander herfallen, sich ineinander verbeißen und aberwitzige Stundensätze in Rechnung stellen, robbt der arme Nate O'Riley durch Sumpf und Regenwald, um einer christlich-fundamentalistischen Nonne 11 Milliarden Steine aufzuschwatzen.
"Das Testament" von John Grisham ist nicht nur ein langweilig, sondern ein ärgerliches puritanisches Traktat. Nate O'Riley hat verfehlt, weil er hurte, soff und Drogen nahm. Das ist schlimm! Ob eine verlorene Seele erlöst wird, wenn sie den Weg zu Gott findet, kann man von mir aus diskutieren, aber bitte nicht mit biedermeierlichen moralischen Koordinaten und religiösem Erweckungskitsch.
Stilistisch arbeitet Grisham mit dem Mittel der Denunziation: So erfahren wir alles über die horrenden Stundensätze der Anwälte, die die verkommene Sippschaft vertreten. Welchen Stundensatz Grishams "Held" Josh Stafford berechnet- der in dieser Posse den reichsten Klienten vertritt -, verschweigt John Grisham.
Ein uninteressanter Roman über uninteressante Menschen. Wird bestimmt ein Bestseller.
© j.c.schmidt, 2000
John Grisham: Das Testament. (The Testament, 1999). Roman. Aus dem Amerikanischen von K. Schatzhausen. München: Heyne, 2000, 511 S., 46.00 DM