Krimi-Auslese 01/2001
Fürwahr - schon manch fröhlich' Stund' verdank' ich dem deutschen Verleger. Besonders lustig gibt sich derzeit der Heyne-Verlag, München, der in diesem Monat einen Roman in der allgemeinen Reihe mit folgenden Worten ankündigt:
"Obwohl sie sich gegenseitig des Mordes verdächtigen, verlobt sich Ian Foscari, Graf d'Aosto, mit der schönen Ärztin Bianca und nimmt sie mit in seinen Palast. Nur so können sie unauffällig den wahren Täter suchen. Doch dann wird Bianca nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht Opfer einer Verschwörung..."
Solch unschlagbaren Sinn für Humor prämieren wir mit dem Narrenkäppchen des Monats. Auch Blanvalet, ebenfalls München, lag mit dem Werbe-Statement "Für alle Leser von Frederick Forsyth und Tom Clancy" gut im Rennen. Doch Heyne wußte die Kollegen zu toppen, weil sie für ihr kartoniertes Groschenheftchen witzigerweise vierundzwanzig Mark verlangen.
Nun endet die Fröhlichkeit mitnichten an der bayerischen Staatsgrenze: Spaßig geben sich derzeit auch die Damen und Herren aus dem Hause Rowohlt, Reinbek bei Hamburg. "In jenen dunklen Tagen" heißt ein lustig' Büchlein von Willy Josefsson, das ganz bannig auf den Pfaden eines Henning Mankell zu wandeln trachtet.
Josefsson mutet seinem Leser eine enervierende Hauptfigur zu: einen pensionierten Polizisten, der permanent verlegen wird und rot anläuft, einen älteren Mann, der - gleich seinem Vorbild Kurt Wallander - über den Lauf der Dinge lamentiert, aber nicht reflektiert. Und das trägt Josefsson vor in einer Prosa, mit der man gerade mal in einem Schulaufsatz bestehen kann.
Kostproben? Voilà:
"Sie nickte, denn sie verstand, was er meinte."
"'In der Praxis waren wir von allem Anfang bei der Nato angebunden.'"
"Er konnte ihre Reaktion nicht sehen, denn in dem schwachen Licht der Diele glich ihr Gesichtsausdruck einer undurchdringlichen Maske."
"Olsson setzte sich in den Saab und spürte vage sein schlechtes Gewissen, er wusste bloß nicht, ob gegenüber Arne Bergmann oder sich selbst. Oder bedrückte ihn nur seine eigene Einsamkeit?"
"Larsson nickte, was vielleicht ein Gruß war, vielleicht auch nur eine Bekräftigung dessen, was er gerade gesagt hatte. Möglicherweise war es auch beides."
Möglicherweise.
Fragen über Fragen.
Nun hat das Machwerk sogar eine Geschichte, und die ist nicht mal schlecht: Kurt Malmberg wurde vor dreißig Jahre wegen eines Sexualmordes an einem fünfzehnjährigen Mädchen in die Psychiatrie gesperrt. Dieser Tage wird er entlassen und bedrängt seinen ehemaligen Verfolger, den frühpensionierten Polizisten Martin Olsson, mit seltsamen Telefonanrufen.
Als erneut ein junges Mädchen tot aufgefunden wird, und die Indizien auf ein Sexualverbrechen deuten, formiert sich in dem Städtchen eine Bürgerwehr. Malmberg bittet Olsson um persönlichen Schutz und bietet Informationen an, die seinerzeit in der Mordsache unterschlagen worden seien. Ein paar Tage später wird Malmberg mit durchschnittener Kehle gefunden.
Frühpensionär Olsson stolpert in ein nicht unplausibel vorgetragenes Vertuschungskomplott Im Interesse der Nation. Aber das wird niemanden interessieren, denn die Lektüre ist in etwa so erbaulich wie eine Zahnwurzelbehandlung ohne Betäubung.
Willy Joseffson: In jenen dunklen Tagen. (Minnet av en mördare, 1999). Roman. Aus dem Schwedischen von Jutta Hamberger. Deutsche Erstausgabe. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2001, 315 S., 16.90 DM, 8.90 Euro
In den Verdacht, eine sozialdemokratische Trauerweide zu sein, kommt der Amerikaner Stephen Hunter bestimmt nicht. Sein jüngst in Deutschland erschienener Roman "Die Gejagten" handelt von Männern.
Von richtigen Männern.
Männern mit Mumm.
Dass das durch die Bank nur Psychopathen sind, spielt für Hunter eine untergeordnete Rolle.
Hunters Roman ist eine Ausbruchsstory um drei durchgeknallte Knackies, die ganz Oklahoma in Angst und Schrecken versetzen. Lamar Pye, der Anführer, ist ein psychopathischer Menschenschlächter. Sein Cousin Odell - ein nicht minder gefährlicher Mann - ist mit einem IQ knapp oberhalb einer Leberwurststulle ausgestattet und versteht nur langsam vorgetragene Sätze in Babysprache (seltsamerweise kann er in der Hitze eines Gefechts hochkomplexen strategischen Anweisungen folgen). Der Maler Richard hingegen ist ein Feigling. Denn Richard hat Angst - Angst, wovor es sich lohnt, Angst zu haben. Vor den Gangs im Knast zum Beispiel.
Oder auch vor Lamar Pye.
Richard genießt Lamars Protektion, weil er Lamars feucht-dumme Vorstellung seiner selbst in Bilder umzusetzen weiß: Er malt Lamar nach dessen Anweisung als gottgleichen, furchterregenden Löwen neben schlampigen, sklavisch ergebenen Frauen mit riesigem Busen und straff gespannten Brustwarzen.
Problematisch ist der Roman, weil Stephen Hunter selbst mit feucht-dummen Vorstellungen rumeiert. Zwei Männer nehmen den Kampf gegen das Killer-Trio auf: Organisiert wird die Verfolgung der Flüchtigen von Lieutenant C.D. Henderson, einem alten Haudegen in Schnürsenkelkrawatte und Tony-Lama-Stiefeln:
"C.D. war Oklahomas berühmtester Kriminalpolizist und darüber hinaus ein gestandener Mann, was Schießereien anging; er war schon in der guten alten Zeit dabeibewesen, als die Pistolenriege der Polizei von Oklahoma City dem FBI ihre besten Leute schickte, wann immer es einen brenzligen Job zu erledigen galt."
Ach ja, die gute alte Zeit.
Die eigentliche Hauptfigur ist Sergeant Bud Pewtie von der Highway Patrol, der sich mit Lamar persönlich anlegt. Pewtie hat private Probleme und ist im Begriff, seine Frau und seine beiden Bilderbuch-Söhnchen zu verlassen. Holly Pepper, die Frau seines Partners Ted, hat es ihm angetan, und da passt es trefflich, dass Holly schon bald zur Witwe wird. Ted übrigens war auch ein Feigling, weil er Angst zeigte, bevor Lamar ihn eiskalt exekutiert.
Nun, Pewties wahre Liebe gehört seinen Waffen:
"Er sah sie an: seine drei Pistolen, funktionelle schwarze Modelle für den Ernstfall, ohne die Spur von Anmut, geschweige denn Glanz. Werkzeuge, weiter nichts. Eine Welle von Zuneigung schlug über ihm zusammen, so stark, daß er am liebsten umgekippt wäre. Niemand, dem so eine Waffe nie das Leben gerettet hat, kann sich auch nur im Traum die Gefühle vorstellen, die einen beim Anblick seiner Lebensretter befallen."
Wohl selten hat ein Text in solch zärtlicher Ausführlichkeit beschrieben, wo man sich welche Waffe hinschieben kann. Versteht sich, das eine Waffe, die seine Frau und sein Sohn ihm schenken, schließlich auch zum Knackpunkt in Pewties privaten Irritationen wird.
Stephen Hunter schreibt weniger aus dem Kopf denn aus der Prostata. Das macht "Die Gejagten" zu keinem guten Buch, aber zu einem interessanten. Nach der Lektüre haben wir erhebliche Zweifel, ob man weite Teile Amerikas zur zivilisierten Welt rechnen darf. Und das liegt nicht an den bad guys, das liegt an den good guys.
Stephen Hunter: Die Gejagten. (Dirty White Boys, 1994). Aus dem Amerikanischen von Bernhard Josef. München: Blanvalet, 2000 (1. Aufl. - München: List, 1997), 536 S., 16.90, 8.45 Euro.
In den USA werden merkwürdige Sportarten gepflegt, die einerseits schwer verständlich, andererseits von derartiger Härte sind, dass sich hier bekannte beinharte Ausputzer wie Dieter Eilts oder Jens Jeremies dagegen als Ballett-Tänzer ausnehmen. Baseball, Football - interessiert Sie nicht? Mich auch nicht.
Harlan Coben ist in den USA ein bekannter und geschätzter Autor. Der Mann hat eine Reihe Krimis um den Sport-Agenten Myron Bolitar geschrieben, dessen erster "Das Spiel seines Lebens" nun bei Goldmann auf Deutsch erschienen ist. Und den muss ich Ihnen dringend ans Herz legen - auch wenn Sie sich nicht für Sport interessieren.
Myron Bolitar wollte Footballprofi werden, bis ihn eine schwere Verletzung aus der Bahn warf. Er studierte Jura, ging zum FBI und arbeitet mittlerweile auf eigene Rechnung als Sport-Agent. Myron hat allen Grund zum Optimismus, denn er steht unmittelbar vor dem Abschluss eines hochdotierten Profivertrages für Christian Steele, der als größtes Football-Talent gilt.
Doch Christian hat Probleme: Vor eineinhalb Jahren war seine Verlobte Kathy Culver spurlos verschwunden. Ihre Leiche wurde nie gefunden, sondern nur ihr zerrissener Slip, von dem hieß es, er sei mit Blut und Sperma verschmiert. Alle waren überzeugt, Kathy sei ermordet worden, nur Christian mochte daran nicht glauben.
Seine Zweifel bekommen neue Nahrung, als er anonym ein Pornoheft zugeschickt bekommt. In dem Heft ist ein Foto von Kathy abgebildet, mit dem sie für eine Sex-Hotline wirbt. Als Christian die Nummer anruft, erklingt eine Stimme vom Band - und Christian schwört Stein und Bein, es sei die Stimme der seit achtzehn Monaten verschwundenen Kathy...
Harlan Cobens Roman "Das Spiel seines Lebens" ist ein vielschichtiger und packender Krimi. Coben entwickelt einen stringenten und zügig vorgetragenen Plot; er beschreibt das Eindrigen der Mafia in das Geschäft mit dem Profisport und das schmuddelige Geschäft der Pornographie und des Telefon-Gestöhns, ohne auch nur ansatzweise schmierig zu werden. Unter der Oberfläche verbirgt sich das bitterböse, mit spitzen Nadeln gestrickte Drama einer Familie, die nach außen wirkt wie in einem Werbespot einer Versicherungsfirma.
Coben ist stilsicher und hat einen feinen Humor. Dass der nicht verloren geht, verdanken wir der guten Übersetzung von Gunnar Kwisinski. Die Figuren sind so lebensecht, als könnten sie jederzeit aus den Seiten springen. Dass sich Kathy's Schwester Jessica Culver ob der geschilderten Schicksalschläge merkwürdig unberührt gibt, sei verziehen - das Buch ist ein Debüt, aber das vergisst man bei der Lektüre andauernd.
Harlan Coben: Das Spiel seines Lebens. (Deal Breaker, 1995). Roman. Aus dem Amerikanischen von Gunnar Kwisinski. Deutsche Erstausgabe. München: Goldmann Taschenbuch Verlag, 2000 (Manhattan), 381 S., 14.90 DM, 7.45 Euro.
Eine der derzeit besten und witzigsten Krimi-Autorinnen ist unangefochten Janet Evanovich. Ihre Hauptfigur, die Kautionsdetektivin Stephanie Plum, hat Charme und Chuzpe und kommt natürlicher und menschlicher daher, als einige ihrer toughen, etablierten Kolleginnin.
Nix als Ärger in Trenton, New Jersey.
Stephanies Onkel Fred wollte nur ein paar Besorgungen machen und kurz bei der Müllfirma RGC reinschauen, weil die ihm ganze 2 Dollar zuviel berechnet hatten. Und sowas kann Onkel Fred gar nicht leiden. Doch nun ist der alte Geizkragen schon seit ein paar Tagen spurlos verschwunden.
Wenn auch nicht mit übertriebener Hingabe, widmet sich Stephanie Plum der Familien-Angelegenheit. Bei Onkel Fred findet sie Fotos von einer zerstückelten Leiche, die auf mehrer Müllsäcke verteilt wurde. Zwar ist Fred ein stadtbekannter Filou, weshalb sich auch niemand so richtig wegen seines Verschwindens aufregt. Andererseits ist er auch nicht unbedingt der Typ, der sich Frauen mit Kettensägen nähert. Auch den Mord an zwei Angestellten der Müllfirma RGC traut man Onkel Fred nicht recht zu.
Ein seltsamer Mann, der aussieht wie ein Hydrant mit Augen, stellt sich Stephanie als Buchmacher Bunchy vor und bekundet nachdrücklich sein Interesse an Onkel Freds Aufenthaltsort, denn dieser schulde ihm noch Geld. Bunchy folgt Stephanie wie ein treuer Hund, und hängt auch zu ihrem Entsetzen öfter auf ihrem Sofa ab, wenn sie nach eines langen Tages Werk ins geliebte Heim zu Hamster Rex zurückkehrt.
Außerdem nervt da noch ein Zwerg, der sich hartnäckig seiner Verhandlung und Stephanies Zugriff entzieht. Und dass Benito Ramirez, den sie wegen Vergewaltigung in den Knast gebracht hatte, vorzeitig entlassen wird, hebt auch nicht gerade ihre Stimmung.
Janet Evanovichs Geschichte um eine zerstückelte Frau, tote Büroangestellte, ein unkooperatives Müllabfuhrunternehmen und sonstigen Unannehmlichkeiten aus dem Alltag der Kautionsdetektivin Stephanie Plum verbreitet strahlende Heiterkeit. Stephanie hat einen Schoko-Orgasmus, Pech mit schwarzen Autos und tolle Zwiegespräche mit ihrem Hamster Rex. Und auch Grandma Mazur bieten sich wieder viele Gelegenheiten, ihrem Hobby nachzugehen - der Leichenschau bei ihrem Lieblings-Bestattungsunternehmen Stiva.
Janet Evanovich: Vier Morde und ein Hochzeitsfest. (High Five, 1999). Roman. Aus dem Amerikanischen von Thomas Stegers. Deutsche Erstausgabe. München: Goldmann Taschenbuch Verlag, 2000 (Manhattan), 347 S., 14.90 DM
© j.c.schmidt, 2001