Krimi-Auslese 11/2001
Es kann schon ein schlechtes Licht auf einen werfen, wenn man mehrfach über Leichen stolpert. Zumal, wenn die Beziehung zu den Verblichenen nicht unbelastet war. So jedenfalls ergeht es Blaine Avery: Vor sechs Monaten erst hatte sie ihren Mann Martin tot aufgefunden, der sich - nach einem Autounfall an den Rollstuhl gefesselt und schwer depressiv - erschossen haben soll. Schmauchspuren fanden sich an seinem Körper, doch deuteten die Umstände darauf hin, dass die Pistole zweimal abgefeuert wurde. Wollte sich die Gemahlin ihres reichen Gatten entledigen und mit dem jungen Arzt Richard Bennett durchbrennen, zu dem ihr ein Verhältnis nachgesagt wird?
Kaum ist Blaine von ihrer persönlichen Trauer, den zermürbenden Ermittlungen der Polizei und einer schweren Lungenentzündung einigermaßen wieder hergestellt, dräut das nächste Ungemach: In einem Bach im Waldstück gleich hinter ihrem Haus stößt sie auf die Leiche der siebzehnjährigen Rosalind van Zendt, der besten Freundin ihrer Stieftochter Robin. Der erste Augenschein deutet wieder auf einen Selbstmord, Rosies Pulsadern sind aufgeschnitten. Doch Blutergüsse auf und Opiate im Körper des Mädchens weisen auf einen Mord, der wie ein Selbstmord aussehen soll - wie bei Blaines Mann.
Blaine Avery wird immer tiefer in den Strudel der Ereignisse gezogen. In Keller ihres Hause findet man Rosies Koffer und nachts wird die junge Witwe mit makaberen Anrufen belästigt:
’(...) morbide Neugiede zwang sie dazu, den Hörer wieder an ihr Ohr zu halten. Das Lied war vorbei. Stille. Dann ein Knistern, und das Lied begann von neuem, Kinderstimmen, die kalt und monoton zu schlichter Klavierbegleitung sangen:
Ringel Ringel Rose
Sträußchen in der Dose
Asche, Asche,
Und alle fallen um.'
»Kalt ist die Nacht« von Carlene Thompson ist ein kreuzbraver, durch und durch biederer Kriminalroman. Die Lektüre ist oft zäh, weil Carlene Thompson ihre Leser bevormundet: Wenn eine Figur errötet, ist die Erläuterung "offensichtlich war es ihm peinlich" erlässlich. Wenn Kleingeld mehrfach durch einen Münzfernsprecher fällt, resümiert die Autorin, das Telefon sei kaputt.
Carlene Thompson scheint in den moralischen Koordinaten des letzten Jahrhunderts verhaftet zu sein, denn sie beurteilt ihre weiblichen Charaktere hauptsächlich danach, in wie weit sie ihren klassischen Rollen als fürsorgliche Mütter und treue Ehefrauen nachkommen. Sinclair in den saftigen Hügeln West Virginias - wo Frauen noch Kirschkuchen backen, um ihre nervösen Anfälle in den Griff zu bekommen...
Carlene Thompson: Kalt ist die Nacht. (All Fall Down, 1993). Roman. Aus dem Amerikanischen von Irmengard Gabler. Deutsche Erstausgabe. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2001, 350 S., 17,41 DM, 8.90 Euro (D)
Dass Stephanie Plum Kirschkuchen backt, um ihre nervösen Anfälle zu kurieren, wagen wir zu bezweifeln. Dass dabei ein auch nur ansatzweise genießbares Resultat herauskommt, ebenfalls. Vermutlich würde die chaotische Kautionsdetektivin nicht nur Salz mit Zucker, sondern auch Kirschen mit Glasmurmeln vertauschen. Das macht sie so liebenswert - und die Lektüre der Romane Janet Evanovichs so kurzweilig.
»Tödliche Versuchung« heißt Evanovichs jüngst auf Deutsch erschienener Wurf um die Kopfgeldjägerin aus Trenton in New Jersey. Und wieder entfacht Evanovich ein ganzes Feuerwerk an wunderbaren Einfällen und Gags und bietet ein grandioses Panoptikum an schrägen und schrulligen Figuren.
Ganz Trenton scheint auf der Suche nach Ranger zu sein - Stephanies Mentor, stellenweise Brötchengeber und Gelegenheits-Lover. Auch Stephanie soll ihn finden, den Ranger hat einen Gerichtstermin sausen lassen. Bald jedoch wird die versäumte Sitzung vor dem Richter das geringere Vergehen, dass man Ranger zur Last legt: Ranger soll den jüngsten Sprössling von Alexander Ramos, einem der größten Kriminellen Trentons, ermordet haben. Nun brennen auch die Cops um Joe Morelli darauf, seiner habhaft zu werden. Und zwei seltsame Vögel mit zweifelhaften Umgangsformen, die sich an Stephanies Fersen hängen...
Stephanie ist nicht nur beruflich angespannt, sondern auch privat hochgradig gestresst. Ein fetter Pickel im Gesicht schlägt auf ihre allgemeine Befindlichkeit. Mehrfach muss sie ihre suizidgefährdete Schwägerin vom Brückengeländer zurücklabern, sich mit einem riesigen Golden Retriever rumschlagen und obendrein Grandma Mazur nicht nur Obdach geben, sondern gleich ihr eigen Bett überlassen. Manches Date mit Joe Morelli nimmt so einen anderen Ausgang, als sich beide erhofften.
Grandma schnarcht wie ein betrunkener kanadischer Holzfäller, doch das ist nicht der einzige Grund, warum Hamster Rex in seiner Suppendose und Stephanie auf dem Sofa kaum noch ein Auge zu bekommen - in Stephanies Apartment ist nachts mehr los als auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof.
Janet Evanovichs Serie um die Kautionsdetektivin machen riesig Spaß. Bar jeder Zickigkeit sagt Evanovich, wie es ist - mit welchen Wünschen, Enttäuschungen und Peinlichkeiten sich ihre Figuren rumschlagen. Erstaunlich, dass die Autorin mit ihrem mittlerweile sechsten Roman der Reihe noch keine Ermüdungserscheinungen zeigt - "Tödliche Versuchung" steht den vorhergehenden Romanen in nichts nach - rotzfrech, gnadenlos witzig und unverschämt gut.
Soviel zu Janet Evanovich.
Zu Goldmann: "Joe" schreibt man nicht mit "a", man kann sich auch keine "Haken" wund laufen, der bestimmte Artikel am Satzanfang wird groß geschrieben, und generell sollten Figuren ihre Namen behalten: "Arturo Stolle" sollte nicht zwischendurch "Arturo Stollo" heißen und - fatal, weil sich die Namen zweier Figuren vermengen - "Homer Ramos" auch nicht "Homer Ranger".
Was ist bloß aus den Lektoren geworden?
Janet Evanovich: Tödliche Versuchung. (Hot Six). Roman. Aus dem Amerikanischen von Thomas Steegers. Deutsche Erstausgabe. München: Goldmann Taschenbuch Verlag, 2001 (Manhattan), 320 S., 16.00 DM, 8.00 Euro (D)
Selbst wenn er einen Kriminalroman über das Synchronschwimmen schriebe, wäre spannende - und intelligente - Unterhaltung garantiert. Die Rede ist von Harlan Coben und seiner Serienfigur mit dem eigentümlichen Namen "Myron Bolitar".
’Myron. Herrgott, was für ein Name. Man sollte meinen, er hätte sich langsam daran gewöhnt, aber gelegentlich ergriff ihn doch noch der Horror. Sie hatten ihn Myron genannt. Eine Entscheidung in letzter Sekunde, behaupteten seine Eltern. Der Name sei Mom erst im Krankenhaus eingefallen. Aber ein Kind Myron Bolitar zu nennen? War das fair? War es moralisch vertretbar?'
Bolitar ist Ex-Sportler, Ex-FBI-Mann, Anwalt und Sportagent. Sein jüngster Klient ist der schwarze Tennisprofi Duane Richwood, der sich als Newcomer bei den US Open anschickt, den etablierten Tenniszirkus aufzumischen. Sehr zur Freude seiner Entourage, vor allem der schmierigen Jungs der Sportartikelfirma Nike, die mit millionenschweren Werbeverträgen winken.
Duane Richwood hat das Tennis auf der Straße gelernt. Er hat keine Jugendturniere gespielt und war nicht auf dem College, so dass ihn die großen, etablierten Agenturen schlicht übersahen. Richwood verkörpert einen neuen Typ, den die Szene dringend braucht:
’Das Tennis brauchte frisches Blut, und Duane Richwood war die belebendste Transfusion, die es seit Jahren bekommen hatte. Courier und Sampras waren so aufregend wie Trockenfutter für Hunde. Die Schweden waren durch die Bank Schlaftabletten, und Agassis Nummer wude auch langsam fad. McEnroe und Connors waren Geschichte.'
Einen kometenhaften Aufstieg hat Valerie Simpson bereits hinter sich - und einen rasanten Absturz. Als achtzehnjähriger Tennisstar erlitt Valerie einen Nervenzusammenbruch und verschwand in der Versenkung. Schon in jungen Jahren hatte sie alle Stationen "von einem begeisterten Teenager über eine erbitterte Kämpferin hin zu einer entmutigten, leblosen Schönheit" durchlaufen.
Doch seit geraumer Zeit arbeit die mittlerweile 24-Jährige beharrlich an ihrem Comeback. Und setzt dabei offensichtlich auf den Sportagenten Myron Bolitar, den sie zu kontaktieren versucht. Vergeblich. Kurz darauf liegt Valerie tot auf dem Gelände von Flashing Meadows - erschossen aus allerkürzester Distanz. Und Bolitar leidet unter heftigsten Gewissensbissen.
In Cobens zweitem Roman »Schlag auf Schlag« ermitteln Myron Bolitar und sein Freund Windsor Horne Lockwood III, der perfekte WASP, in einem verzwickten Fall: Es geht um mehrere Morde, die zum Teil schon Jahre zurückliegen, und unterschiedliche Querverbindungen. Nur eine Konstante kristallisiert sich Stück für Stück heraus - das Tennis.
Coben blickt hinter die Fassaden der glitzernden Tenniswelt und das strahlende Antlitz mutiert zur hässlichen Fratze. Leistungstennis ist der pure Darwinismus von frühester Kindheit an. Viel stärker als etwa im Mannschaftssport kennzeichnen permanente Konkurrenz und Einsamkeit das Geschäft.
Mit hohem Tempo und einer ordentlichen Portion Action erzählt Harlan Coben seine Geschichte. Seine plausiblen und vielschichtigen Figuren sind das feste Rückgrat seiner grundsoliden Romane. So muss Myron erkennen, dass auf seinen Kreuzzügen auch Unschuldige in Mitleidenschaft gezogen werden:
’»Du glaubst, wenn ich die Wahrheit erzähle, wird es besser, aber du weißt nicht, was die Wahrheit ist. Du sagst sowas wie "Die Wahrheit wird dich befreien", obwohl du die Wahrheit nicht einmal kennst. Die Wahrheit befreit einen nicht immer, Myron. Die Wahrheit kann Menschen umbringen.«'
Spaß macht er, der Coben, aber manchmal ist sein Humor etwas überzogen.
Harlan Coben: Schlag auf Schlag. (Drop Shot, 1996). Roman. Aus dem Amerikanischen von Gunnar Kwisinski. Deutsche Erstausgabe. München: Goldmann Taschenbuch Verlag, 2001 (Manhattan), 350 S., 16.00 DM, 8.00 Euro (D)
In Irland hat das Böse hat einen Namen. Genauer gesagt: zwei - Pauline Bloom und Betty Blixen. Die grausamen Grannies haben die Unterwelt von Dublin fest im Griff. Einschließlich der Cops, der korrupten zumindest. Seit langen Jahren schon leben die Beiden gemeinsam in ihrem Häuschen und bewegen sich nicht vom Fleck. Denn wenn sie etwas von der Welt wollen, kommt die Welt zu ihnen.
Jüngstes Opfer der fiesen Frauen ist Tommy Reynolds, ein ehemaliger Wissenschaftler, der verarmt und vereinsamt in einem rostigen Wohnwagen im Dubliner Umland lebte. Eine geschäftliche Zwistigkeit mit den dreisten Damen kostet Tommy Reynolds das Leben. Er hinterlässt diverse wirre Zettel und Notizbücher, "gefüllt mit seltsamen, bedeutungslosen Symbolen und Schnörkeln". Das Vermächtnis eines Verrückten, der in Demenz umdunkelt vor sich hinvegetierte?
Fragt sich auch Gary Reynolds, tougher Sohn des Verblichenen, der geschäftlich in Urinalsteinen zu reüssieren versucht (’Reynolds Hygiene').
"In der schrecklichen Woche, die dem Tod seines Vaters folgte, war Gary schmerzhaft klar geworden, dass er so, als großer, dicker Schisshase, nicht weitermachen konnte. Obwohl er seinen Vater in den letzten Jahren nicht gesehen hatte, war er sich seiner Existenz doch stets bewusst gewesen, als schützende Membran zwischen Gary und dem Erwachsensein. Aber der Mord an Tommy hatte Gary in das Land der Erwachsenen katapultiert. Nun waren da keine Generationen mehr zwischen ihm und dem Tod. Jetzt stand er voll in der Schusslinie. Die Augen der Welt waren auf ihn gerichtet und wollten einen Erwachsenen sehen. Er hatte keine Wahl, er musste sich fügen. Er hasste das, wirklich."
Mit Tommy Reynolds Tod beginnt ein fröhliches Gemetzel, und ein munterer Ableb-Reigen nimmt seinen Lauf - besonders unter den Beamten, die in diesem Fall ermitteln. Schlußendlich landet die Akte bei Inspector Grainne O'Kelly, die in ihren Ermittlung das bislang unbestellte Feld der "Garderobenpathologie" fruchtbar macht: "All diese toten Männer und ihre Kleidung.". Aber auch der junge Polizist Paschal Greer erlebt einen rasanten Aufstieg, der ihn nicht nur über die Justizministerin führt, sondern nach einigen Wirrungen in die Arme Grainne O'Kelly's. Zeit für Zärtlichkeit:
»Sergeant Greer, Sir?«, flüsterte Grainne samtig.
»Was?«
»Ich will dich. Jetzt.«
»Dann mach.«
Ihre Finger tasteten sich zu seinem Hosenschlitz.
»Wow, Paschal, du bist aber ein großer Bursche.«
»Das ist ... mein ähm ... Schlagstock, Grainne.«
»Au Scheiße, 'tschuldige ... stimmt ...«
»Yeats ist tot!« ist ein grandioser Kettenroman von fünfzehn irischen Autoren und Autorinnen - ein fulminantes kriminal-literarisches Spektakel voller Kichererbsen und Knallbonbons. Dass in diesem durchgeknallten Fall die entscheidenden Hinweise von einem James-Joyce-Experten stammen, versteht sich von selbst. Und am Ende wird alles gut - doch ganz anders, als Sie es erwarten würden.
Immer wieder geistert ein junger Ire in beklagenswerter Identitätskrise durch die Szenerie - statt mit Sommersprossen und mit kupferroten Haaren würde der Mann viel lieber "das bescheidene Leben eines Rastafari führen (...) und sich ab und zu mit einem Tütchen betütern".
Es beginnt mit Roddy Doyle und endet mit Frank McCourt: Yeats ist tot! (Yeats is Dead!). 15 Autoren schreiben einen sehr irischen Roman. Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff, Ulrich Blumenbach u.a.. Deutsche Erstausgabe. München: Econ Ullstein List, 2001 (List Grande), 332 S., 13.00 Euro (D), 25,43 DM
Kriminalromane, die sich nicht zentral mit Mord und Totschlag beschäftigen, sind eine Rarität. Leider. Das zeigt der Münchner Autor Friedrich Ani mit seinem eindringlichen Roman »Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels«. Friedrich Ani erzählt eine kleine, alltägliche Geschichte und schafft es dennoch, seine Leser zu fesseln - Ani geht nicht in die Breite, sondern in die Tiefe.
Kommissar Tabor Süden arbeitet seit zwölf Jahren in der Vermisstenstelle des Dezernats 11 der Münchner Polizei. Süden ist meistens unrasiert und trägt eine abgewetzte Lederjacke und Lederhosen mit "aufdringlichen Bändeln an der Seite". Er ist ein Eigenbrötler, geht seinen persönlichen Weg und eckt schon mal bei Kollegen und Vorgesetzten an.
In seiner Kindheit war Tabor Süden selbst einmal Gegenstand einer sogenannten "Vermissung". Als er schließlich wieder bei seinen Eltern auftauchte, sah er durch die Augen seiner Mutter den Riss in ihrer Seele. Vielleicht liegt es daran, dass Süden von seinem Fall nicht lassen kann; auch dann nicht, wenn es für das Dezernat nichts mehr zu ermitteln gibt.
Der Schuster Maximilian Grauke verließ halb zehn abends wortlos seine Gattin Lotte und die gemeinsame Wohnung. Nach vier Tagen gibt die Ehefrau eine Vermisstenanzeige auf. Doch Lotte Grauke und ihre Schwester Paula Trautwein, die sich auffallend häufig bei den Graukes aufhält, scheinen zu lügen. Sie verschweigen Süden und seiner Kollegin Sonja Feyerabend, dass der Schuster vor sechs Jahren schon einmal vermisst wurde. Damals gaben die beiden Frauen ihre Sorge zu Protokoll, Maximilian Grauke würde sich das Leben nehmen. Der Fall erwies sich als "Hupfauf-Vermissung", und Grauke war nach ein paar Tagen unversehrt zurückgekehrt. Doch wie "oft kann in einem etwas zerbröseln, bis es ihn selbst nicht mehr gibt?"
Auch dieses Mal geben Lotte Grauke und Paula Trautwein die Umstände des Verschwindens nur zögerlich preis. Kommissar Süden stellt dabei wenig Fragen und lässt die Personen lieber selbst reden:
’Jeder lügt, das lernt man schon auf der Polizeischule. Und doch war es auch nach Jahren immer wieder verblüffend, wie viel Mühe manche Leute darauf verwandten sich zu verstellen, um dann jämmerlich zu scheitern. Dass wir sie durchschauten und deshalb der Wahrheit näher kamen, war jedoch ein Irrtum.'
In dunkler Prosa entfaltet Friedrich Ani ein Familiendrama, das in seiner alltäglichen Besonderheit an die Romane Simenons erinnert. Autor - und Hauptfigur - verbeißen sich in den Schauplatz, saugen ihn in sich auf, und versuchen ihn sinnlich zu durchdringen. Dabei entsteht ein kunstvolles Gemälde - eine Milieustudie, die aber nie zum drögen Sozio-Krimi verkommt:
’Während ich die Jahstraße zum fünften Mal hinunterging, dachte ich an den brummenden Mann auf seinem Schemel. Er hockte da, nähte, hämmerte, klebte, stellte die fertigen Paare ins Regal, nahm neue entgegen, brummte, kassierte, nähte weiter. Und trank zwischendurch Bier. Und von einem Tag auf den anderen hörte er damit auf. Ließ die verrosteten Rollos herunter und trollte sich.'
Friedrich Ani ist ein bemerkenswerter, eigenwilliger Autor. Bis Oktober 2002 hat sein Verlag Droemer Knaur nicht weniger als fünf Ani-Romane angekündigt. Eine derartige Bücherflut droht das Publikum natürlich zu ermüden. Wäre schade, wenn man in zwei, drei Jahren von Ani nichts mehr hört.
Friedrich Ani: Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels. Roman. Originalausgabe. München: Knaur, 2001, 204 S., 7.90 Euro (D), 15.45 DM
© j.c.schmidt, 2001