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Schweißtreibende Knochenarbeit

Über Kathy Reichs Roman »Mit Haut und Haar«

 

Mit Haut und Haar Drückend heiß ist der Sommer in Charlotte, North Carolina. Der Asphalt dampft, und das Thermometer zeigt schon über dreißig Grad, obwohl die Sonne noch ziemlich flach am Himmel steht. Die beste Jahreszeit, um den Koffer zu packen und ein paar Tage am Meer zu verbringen, denkt sich Tempe Brennan. Doch aus dem wohlverdienten Kurzurlaub wird auch diesmal nichts: Statt der erfrischenden Meeresbrise und faulen Stunden am Strand wartet wieder einmal schweißtreibende Knochenarbeit auf die forensische Anthropologin.

Los geht's mit einem grausigen Fund: In einem Holzofen entdeckt Tempe Brennan die verbrannten Überreste eines Babys. Die Mutter des jungen Opfers - selbst kaum den Kniestrümpfen entwachsen - scheint flüchtig zu sein. Ein Eingeständnis ihrer Schuld? Auch auf einer Barbecue Party ist der Knochendetektivin keine Entspannung vergönnt: Ausgerechnet ihr Hund Boyd schabt mehrere skelettierte Leichenteile aus dem Boden. Eine erste Analyse zeigt, dass es sich um Bärenknochen handelt, doch im Labor findet Brennan ein paar verweste Teile, die zum Fund nicht passen wollen. In der bleiernen Schwüle müssen Tempe und ihre Kollegen von der Polizei das Gelände weitläufig nach weiteren Gebeinen durchgraben. Einen Tag später nur hilft die Anthropologin auch noch bei der Bergung zweier Leichen, die - bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und mit einer ominösen Substanz überzogen - im Wrack einer abgestürzten Cessna liegen.

Knochen und Kadaverteile stapeln sich in Brennans Abteilung, und an lauschige Tage am Meer mit ihrem kanadischen Lover Andrew Ryan ist vorläufig nicht zu denken. Konzentriert macht sich die Wissenschaftlerin an ihr Werk. Als sich ein paar Puzzlestücke zumindest zum Fragment eines Bildes zusammenfügen, gerät sie ins Fadenkreuz eines Killers - ganz wörtlich genommen, wie ein paar anonym eingeschickte Fotos auf unheimliche Weise belegen.

»Mit Haut und Haar« heißt der jüngste Roman der US-Autorin Kathy Reichs, ihr mittlerweile sechstes Buch über die forensische Anthropologin Temperance Brennan. Forensische Anthropologen beginnen mit ihrer Arbeit da, wo Gerichtsmediziner wie die berühmte Kollegin Kay Scarpetta nicht mehr weiterkommen: Sie beschäftigen sich mit skelettierten Kadavern oder Leichenteilen, an denen eine Autopsie - der berüchtigte Y-Schnitt, das Fleddern, Vermessen und Wiegen der Eingeweide - nicht vollzogen werden kann. Kathy Reichs weiß, wovon sie erzählt, denn sie selbst arbeitet seit langen Jahren in dem Beruf. Erfreulicherweise bereitet sie ihr Material magenfreundlich auf und verschont den Leser mit bluttriefenden Details, die die Handlung nicht vorantreiben.

Reichs Schreibe ist gefällig; ihre Dialoge sprühen vor warmherzigem Witz, und nach ein paar Seiten schon sind einem ihre Figuren eng vertraut. Ihre Story indes ist überladen: Der Zusammenhang zwischen den einzelnen (Todes-)Fällen löst sich auf, wirkt aber arg konstruiert. Ein Thema will sich auch nicht richtig herausschälen: Dass es der Autorin um den profitgeilen Handel mit exotischen und vom Aussterben bedrohten Tieren geht, entnehmen wir der Widmung - dazu hat Kathy Reichs allerdings nicht wirklich einen Roman, sondern nur ein paar Szenen in einem Roman verfasst.

Dennoch: »Mit Haut und Haar« bietet grundsolide Unterhaltung mit einem betörendem Schuss Südstaaten-Charme. Der Job der Hauptfigur bringt es mit sich, dass viel über Personen geredet wird, die selbst nicht auftreten (jedenfalls nicht in toto). Den letzten Teil des Buches sollte man vielleicht nicht mit nachtmüdem Geist kurz vor dem Einschlafen lesen.

 

Kathy Reichs: Mit Haut und Haar. (Bare Bones, 2003). Roman. Aus dem Amerikanischen von Klaus Berr. Deutsche Erstausgabe. München: Blessing, 2004, 382 S., 23.00 Euro.

 

© j.c.schmidt, 2004

 

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