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Laurence Shames, geboren 1951 in Newark, New Jersey, zählt zu den originelleren Stimmen der amerikanischen Kriminalliteratur der 1990er-Jahre. Nach einem Abschluss an der New York University arbeitete er in verschiedensten Berufen - unter anderem als Taxifahrer, Möbelpacker und Schuhverkäufer -, bevor er sich 1976 ganz dem Schreiben widmete: Als Journalist veröffentlichte er unter anderem in Playboy und Vanity Fair und war zeitweise für Esquire als Ethik-Kolumnist tätig. Daneben etablierte er sich als höchst erfolgreicher Ghostwriter und Co-Autor und reüssierte mit mehreren Bestsellern, auf deren Cover freilich sein Name nicht stand - unter anderem mit dem Mafia-Sachbuch »Boss of Bosses« (1991), das ihn auch literarisch auf das Thema organisierte Kriminalität brachte. Der kommerzielle Erfolg ermöglichte ihm den Umzug nach Key West, das fortan als zentrale Kulisse seiner Romane fungieren sollte.
Mit »Florida Straits« (1992) begann eine Serie von Krimis, die Shames in den folgenden Jahren als eigenständige Stimme innerhalb der Kriminalliteratur etablierte. Seine Bücher verbinden klassische Krimihandlungen mit komödiantischer Brechung, absurden Verwicklungen und einem betont skurrilen Figurenpersonal. Im Mittelpunkt stehen häufig Antihelden: gescheiterte Existenzen, ehemalige Stripperinnen, erfolglose Geschäftsmänner oder neurotische Aussteiger, die eher zufällig in kriminelle Zusammenhänge geraten. Statt tougher Ermittler agieren hier zumeist Figuren, die vor ihrer Vergangenheit fliehen und nach einem Neuanfang suchen. Key West fungiert dabei nicht nur als Schauplatz, sondern als atmosphärisches Zentrum der Erzählungen: eine tropische, halb reale, halb mythisch überzeichnete Welt, die von Touristen, Exzentrikern, Gestrandeten und Mafiosi gleichermaßen bevölkert wird - einer "funky community", die das soziale und moralische Koordinatensystem des US-amerikanischen Festlands weit hinter sich gelassen hat.
Ein wiederkehrendes Element in seinen Romanen ist das ironisch gebrochene Motiv der Mafia: Statt gefährlicher Verbrecher agieren hier meist überforderte, in die Jahre gekommene Mafiosi, inkompetente Killer oder Familienmitglieder mit ganz eigenen Vorstellungen von Loyalität und Verrat. In »Virgin Heat« etwa steht die Tochter eines Mafiabosses im Zentrum, die sich gegen ihren Vater stellt - eine typische Konstellation, in der familiäre Konflikte in ebenso absurde wie tragikomische Bahnen gelenkt werden.
Neben dem humoristischen Tonfall bleibt in Shames' Romanen auch Raum für subtile Gesellschaftskritik. Themen wie Korruption, Gentrifizierung oder die Mechanismen des Kunstmarkts werden aufgegriffen, jedoch stets in eine lockere, unterhaltsame Erzählweise eingebettet. In »Scavenger Reef« beispielsweise wird der plötzliche Wertzuwachs eines totgeglaubten Künstlers satirisch inszeniert.
Laurence Shames Romane werden gern in die Nähe von Autoren wie Carl Hiaasen oder Elmore Leonard gerückt - sie unterscheiden sich aber auch in wesentlichen Punkten: Sein Blick ist weniger zynisch, sein Zugang zu den Figuren empathischer. Während in Hiaasens Florida-Romanen ökologische oder politische Themen dominieren, konzentriert sich Shames stärker auf persönliche Geschichten, auf Themen wie Identität, Täuschung und Neuanfang. Wiederkehrende Figuren und Running Gags (Chihuahuas) sorgen zudem für eine innere Kohärenz seines erzählerischen Werkes.
Nach acht Key-West-Romanen in den 1990er-Jahren wandte sich Shames vorübergehend anderen Projekten zu: Er zog nach Südkalifornien und versuchte sich als Drehbuchautor. Die Realisierung mehrerer optionierter Romane (»Florida Straits«, »Sunburn«, »Tropical Depression«) scheiterte indes an Umständen so bizarr, dass sie direkt aus einem seiner eigenen Romane hätten stammen können: Ein Regisseur zog sich nach einem Flop aus Gram vollständig aus der Öffentlichkeit zurück, ein Hauptdarsteller musste kurzfristig in eine Entzugsklinik, ein potenzieller Finanzier erstickte in einem Restaurant in Beverly Hills an einem Steak. "Hätte er die Pasta genommen", schreibt Shames auf seiner Website, "hätte ich heute vielleicht einen Oscar.".
2013 dann kehrte Shames auf die kriminalliterarische Bühne und zu seinem Schauplatz Key West zurück. »Shot on Location« überzeugte Leser und Kritik erneut mit einer Mischung aus Spannung, satirischer Überzeichnung und einem liebevoll-skurrilen Blick auf seine Außenseiterfiguren, für die der amerikanische Traum in weite Ferne gerückt ist. Seitdem hat Laurence Shames noch ein knappes Dutzend weiterer Romane veröffentlicht.
Key West Capers: | |||
(1) |
Florida Straits [New York: Simon & Schuster, 1992] [London: Pan, 1992] |
1992 |
Florida Straits [Frankfurt/M.: Krüger, 1993] |
Scavenger Reef [New York: Simon & Schuster, 1994] [London: Pan, 1995] |
1994 | ||
Sunburn [New York: Hyperion, 1995] [London: Macmillan, 1995] |
1995 |
Sunburn oder Stille Tage in Key West [München: Goldmann, 1998] [München u.a.: Europa-Verlag, 1996] |
|
Tropical Depression [New York: Hyperion, 1996] [London: Macmillan, 1996] |
1996 |
Tropentief oder Heiße Nächte in Key West [München: Goldmann, 2000] [München u.a.: Europa-Verlag, 1997] |
|
(5) |
Virgin Heat [New York: Hyperion, 1997] [London: Orion, 1997] |
1997 |
Virgin Heat [München: Goldmann, 2001] [München u.a.: Europa-Verlag, 1999] |
Mangrove Squeeze [New York: Hyperion, 1998] [London: Orion, 1998] |
1998 |
Die Freunde der russischen Oper [Manhattan bei Goldmann, 1999] |
|
Welcome to Paradise [New York: Villard, 1999] [London: Orion, 1999] |
1999 | ||
The Naked Detective [New York: Villard, 2000] [London: Orion, 2000] |
2000 | ||
Shot on Location (1) [North Charleston, NC: CreateSpace, 2015] |
2013 | ||
(10) |
Tropical Swap [North Charleston, NC: CreateSpace, 2015] |
2014 | |
Key West Luck [North Charleston, NC: CreateSpace, 2015] |
2015 | ||
One Strange Date [North Charleston, NC: CreateSpace, 2017] |
2017 | ||
One Big Joke [North Charleston, NC: CreateSpace, 2018] |
2018 | ||
Nacho Unleashed [North Charleston, NC: CreateSpace, 2019] |
2019 | ||
(15) |
The Paradise Gig [North Charleston, NC: CreateSpace, 2020] |
2020 | |
Key West Normal [North Charleston, NC: CreateSpace, 2021] |
2021 | ||
Relative Humidity [North Charleston, NC: CreateSpace, 2023] |
2023 | ||
Sunset Bluff [North Charleston, NC: CreateSpace, 2024] |
2024 |
(1) Das sieht natürlich bizarr aus: Tatsächlich gefunden haben wir nur die CreateSpace Ausgabe von 2015. Im Impressum eben dieser Ausgabe findet sich ein Copyright-Hinweis mit der Jahresangabe 2013. Vermutich referriert diese Angabe auf das Manuskript, nicht auf eine geheimisumwobene Erstausgabe. Entsprechendes gilt für »Tropical Swap«. Möglich, dass Shames die Texte zuerst auf seiner Homepage veröffentlicht hat.
Weitere Belletristik: | ||
Money Talks [North Charleston, NC: CreateSpace, 2015] [New York: William Morrow, 2009 u.d.T. »Maxxed Out« als David Collins] |
2009 | |
The Angel's Share (2) [North Charleston, NC: CreateSpace, 2015] |
2012 |
(2) Im Impressum der Ausgabe ist ein Copyrighthinweis für 2012. Die CreateSpace-Ausgabe ist die erste Druckfassung. Wir vermuten, dass der Autor das Werk zuerst auf seiner Homepage veröffentlicht hat.
Sachbücher: | ||
The Big Time [New York, London: Harper & Row, 1986] |
1986 | |
The Hunger for More. Searching for Values in an Age of Greed [New York: Times Books, 1991] |
1991 | |
Not Fade Away. A Short Life Well Lived (mit Peter Barton) [Emmaus, Pa.: Rodale, 2003] |
2003 |
© j.c.schmidt, 2000 - 2025
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