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Das Gute kommt nicht allzu selten bescheiden und unspektakulär daher und hat womöglich auch noch ein paar Macken. Shulamit Lapids Kriminalroman "Lokalausgabe" ist so ein Fall. Kein PR-Donner, kein grotesker Pressehype (aus der Requisitenkammer des klemmigen "Philosemitismus") wie im Falle ihrer isrealischen Landsfrau Batya Gur, die die wesentlich schlechtere Schrifstellerin ist. Zudem steckt "Lokalausgabe" in der 'Kriminalromanfalle', wie ich das Problem solcher Bücher nennen möchte, die, um unbedingt als "Kriminalroman" durchzugehen, sich selbst ohne Not die Strukturgesetze der 20er und 30er Jahre verordnen. Shulamit Lapid will unbedingt einen "Kriminalfall" ordentlich und sauber aufgelöst haben, was sie zu ellenlangen Erklärungen am Ende des Buches zwingt. Dadurch gerät die Balance schmerzhaft verloren. Daß das Buch jedoch durch ein solches Manko (vielleicht auch ein "Erstlingsproblem"?) nicht ruiniert wird, spricht heftig für Shulamit Lapids Qualitäten.
"Lokalausgabe" ist das, was sonst kaum noch gelingt: Das unhysterische, scharfsichtige und analytische Porträt einer Kleinstadt: also deren krimineller Energie auf allen Ebenen. Ein solches Programm kommt ohne Dämonisierung und das Pathos des "Entlarvens" aus. Die Kleinstadt liegt im Süden Isreals, nahe dem berühmten Kontrollpunkt Erez, aber um den geht es in dem Roman überhaupt nicht. Sondern um Bauspekulation, Wein- und Geldhandel, durchgeknallte Künstler, die faszinierenden Dimensionen "normaler" Menschen. Er geht um Liebe und Leid, Betrug und Gier. Shulamit Lapid erzählt durch die Perpektive der Lokalreporterin Lisi Badichi, "Lisi, die Bekloppte" wie sie genannt wird, ein große, kräftige Frau, die aussieht wie eine "Kuh, die widerkäut", mit Füßen, die durchweg als "Flossen" beschrieben werden und einem Problem: Lisi ist bald dreißig Jahre alt und immer noch Jungfrau. Das wird sich ändern, und damit geht der Ärger los. Weil Shulamit Lapid aber die Perspektive dieser jungen Frau, die notgedrungen ganz genau und dreimal hinkuckt, nicht eins zu eins als "Ich"-Erzählung benutzt, sondern als Erzählerin zudem ihren eigenen, auch Lisi gegenüber distanzierten Blick auf ihr Personal und die Umstände losläßt, wird "Lokalausgabe" doppelt scharfsichtig. Und leise speiend und spottend. Dieser Spott ätzt die falschen Fassaden weg - die Kleinstadtkriminellen (also die Stützen der Gesellschaft) haben dagegen keine Chance. Wichtigtuerische Bezirksrichter, hochmögende Bauunternehmer, kleine Schnäppchenmacher, tolle Typen und kleine Mieslinge, eiskalte Schlangen schrumpfen unter den Augen der Damen Lapid und Badichi zu ganz normalen Wichten und -Innen, die sich (mehr oder weniger geschickt und mehr oder weniger erfolgreich) die Taschen füllen wollen, wie das allerorten auf diesem Planeten zur Normalität geworden ist. Und sie stolpern denn auch prompt über jemanden, der genausowenig sensationell ist wie sie selbst: Über Lisi, die Bekloppte eben.
Deswegen gehört "Lokalausgabe" zu einem zunehmend in aller Welt zu beobachtenden Typus des "Kriminalromans": den de-eskalierenden Büchern, die sich sinnvollerweise gegen all die Realitätssimulationen (Superkiller & Co.) wenden, um "das Verbrechen" dort einzuordnen, wo es tatsächlich (auch) stattfindet: Im ganz gewöhnlichen Alltag, wo wir es alle sehen könnten. Be'er Schewa liegt von Los Angeles (wohin ein paar Figuren des Buchs auswandern wollen) nicht allzu weit entfernt. Und aus diesem Umstand kann man leichtfüßige, witzige und extrem unterhaltende Literatur machen, wenn man kann. Shulamit Lapid kann.
© Thomas Wörtche
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Shulamit Lapid: |
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