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Cream of Crime 4/1993

Robert W. Campbell: Asche

 

Robert W. Campbell zeigt vieles und erklärt sehr wenig. Das ist eine Essenz seiner Kriminalromane, mit denen er nach seinen Jahren als immerhin Oscar-nominierter Drehbuchautor seit 1986 eine zweite Karriere als Romancier begonnen hat. Sowohl die Whistler- als auch die Flannery-Serie (beide in Basteis Schwarzer Serie erschienen) sind Teil seines Programmes der Ent-Dämonisierung des Bösen. Das "Böse" rechnet bei Campbell meistens in Dollars, während ein großer Teil der US-amerikanischen Gegenwartsliteratur es zur selben Zeit (parallel zu den funktionalisierten Mythen und Legenden der Reagan-Ära), mit allerlei pseudopsychologischen Verbrämungen tief im Urschlamm der Seelen verbuddelt hatte. Damit schien der heruntergewirtschaftete Zustand der USA nicht Menschenwerk, sondern quasi "naturgegeben". Es allgemeinmenschelte, als ob wirtschaftliche Strukturen keinen Anteil an dem verheerenden Trias von Rassismus, Sexismus und verrotteter Ökologie hätten.

Campbell hat kein ökonomistisches Weltbild, aber einen giftig-bösen Blick dafür, wie Geld und Gier Seelen korrumpieren, und dafür, was eine ausschließlich ökonomisch orientierte Weltsicht mit Menschen macht. Davon handelt der Roman "Asche". Das Buch erzählt zum Beispiel von einer "feindlichen Übernahme": Ein Kredithai kapert sich eine Porschevertretung, um sie auszuschlachten. Es erzählt auch von der Struktur- und Personalunion zwischen Politik und organisiertem Verbrechen, von der gewollten Lächerlichkeit einer lediglich propagandistischen Polizeiaktion dagegen, und von der hämischen Rache der kleinen Polizisten, die den ganzen Dreck auszubaden haben. "Asche" erzählt von den vielfältigen Formen der Gewalt, die organischer Teil des Geschäfts sind.

Weil Campbell dies alles ohne jedes hysterische Pathos und ohne die Unterstellung, dahinter gäbe es noch eine metaphysische oder transzendente Dimension, inszeniert, muß der Roman nie Gewalt zum sensationellen Moment pointieren, oder den Plot der Geschichte zum einzigartigen Fall stilisieren. Erzähltechnisch hat das die Konsequenz, daß Campbell mehrer Handlungsstränge in kurzen Einzelszenen gegeneinander schneidet. Diese Einzelszenen wiederum sind nicht stringent dem oder den "Fällen" (die Porsche-Übernahme macht nur einen Teil des Romans aus) zugeordnet und somit auch nicht lediglich Funktion. Sie lassen "poetische" Reste, merkwürdige Überhänge, rätselhaftes Surplus stehen, die nicht einer angeblichen "Krimi-Struktur" untergeordnet sind. Diese winzigen, aber deutlich spürbaren Momente sind kalkuliert gesetzt. Nicht nur sie zeigen Campbell als Meister der Erzählökonomie. Der Roman hat keinen Leerlauf, keine Geschwätzigkeit, vor allem keine Umständlichkeit des Szenenaufbaus und -ablaufs. Sein timing ist perfekt. Die Dialoge sind, wie Dialoge sein sollen, knapp, auf den Punkt gesprochen, genau unterscheidbare Charakterisierung der Personen und Handlungstreiber in einem.

"Asche" strahlt eine merkwürdige kühle Atmosphäre aus. Der Roman zeigt Terror, aber er terrorisiert den Leser nicht. Er zeigt Emotionen (Haß, Angst, Liebe, Feigheit, Bösartigkeit, Berechnung, Sympathie), aber er schürt keine Emotionen. Er ist dennoch nicht emotionslos, weil er "poetische Gerechtigkeit" als Möglichkeit gegen reale Ungerechtigkeit mobilisiert. In einem Interview sagte Campbell einmal, wegschauen heiße: zulassen. Er schreibe über Sachen, vor denen die meisten Menschen lieber die Augen verschließen. Die Distanziertheit, mit der er das tut, ist nicht inhuman, nur unbequem. "Asche" ist ein klarer Roman. So klar wie Salzsäure.

© Thomas Wörtche

 

Robert W. Campbell:
Asche (Juice, 1988) .
Deutsch von Jörn Ingwersen.
Bergisch-Gladbach: Bastei-Lübbe 1993,
348 Seiten, DM 9.90

 

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