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Cream of Crime 6/1993

Ross Thomas: Voodoo & Co

 

Ross Thomas schreibt kosmopolitische Romane über Spionage, Außen-, Innen- und Lokalpolitik, über Manipulationen und Interessen, über Gewalt, Geld und Gier, Loyalität und Verrat, über Schein und Sein - überall auf dieser Welt. Es sind weder Spionageromane noch Politthriller noch überhaupt Thriller nach irgendwelchen Vorverständnissen. Daß in ihnen (nicht immer) Leute zu Tode kommen, daß es um illegale Machenschaften geht, daß Gewalt angewendet wird, das alles leitet sich nicht von dem Zwang her, etwas Kriminalromanartiges zu schreiben, sondern wird von den Gegenständen diktiert. Wohl kein anderer Autor hat von Anfang an so klar darauf bestanden, daß es im pragmatischen Spiel von Macht und Politik, von Umsatz und Profit keine nennenswerten Unterschiede von Legalität und Illegalität, von "Gut" und "Böse", von "Freund" und "Feind" gibt. Patriotismus und Nationalismus sind für Ross Thomas Symptome von Dummheit; ideologische Fixierungen belustigen ihn, und wer in Geschlechtsrollenverteilungen der herkömmlichen Art denkt, hat schon verloren. Ross Thomas, der alle Arten der Realpolitik als Werbemann, Wahlkampfmanager und Journalist (er hat das Bonner AFN-Büro gegründet) von innen kennt, zersetzt mit seinem sarkastischen Witz alle Gewißheiten dieser Welt, und macht sich und uns daraus ein Vergnügen auf höchstem literarischen Niveau.

Sein neuer Roman "Voodoo & Co." mobilisiert gegen die verluderten und verlotterten Zustände auf Erden einmal mehr eine glasklare Prosa, die in jedem Satz äußerste Präzision der Beschreibung mit unausgesprochen ironischer Kommentierung verbindet. Jeder Dialog, gerade wenn über vermeintlich Banales geredet wird, ist kalkuliert hinter- und doppelsinnig. Die Geschichte aus und über Hollywood, die "Voodoo & Co." erzählt, ist schließlich von freudiger, nachgerade lustvoller Bösartigkeit. Ross Thomas ist ein fanatisch pedantischer Schilderer von Details und vermeintlichen Beiläufigkeiten, von Kleidern, Accessoires, Drinks, Speisen, Gesten und Interieurs, weil alle diese Dinge eben keine Nebensächlichkeiten sind, sondern ein dichtes semiotisches Netz von Informationen über menschliches Verhalten für den bieten, der es zu lesen versteht; d.h., der sich in dieser Welt mit offenen Augen bewegt.

Radikal und souverän setzt Ross Thomas auf ein intelligentes Lesepublikum, das keine geschmäcklerisch schmatzende "Feinsinnigkeit" braucht, sondern die illusionslose Cleverness von Welt-Erfahrung. Wer bereit ist, diese eigenen Erfahrungen einem Crashtest mit literarischen Mitteln zu unterziehen, dem zeigt Ross Thomas, daß es gegen Lug und Trug, Gewalt und Zynismus durchaus Gegenmittel gibt: klaren Verstand ohne Tabuzonen, Intelligenz und Einfallsreichtum, Selbstbewußtsein, selbständiges Denken und die kreativen Potentiale der niederen Instinkte. Und ein feines Gespür für den entscheidenden Unterschied zwischen eitler Sentimentalität und humanen Essentials. Den moralisch reinlichen Menschen, so plädiert Ross Thomas, gibt es nicht; mehr noch: er wäre nicht wünschenswert, weil potentiell gefährlich. Aber was sollte schlecht sein an dem "professionellen Altruismus", der Artie Wu und Quincy Durant (die nach "Chinaman's Chance" und "Out on the Rim" hier ihren dritten Auftritt haben) Ärger mit inzestuösen englischen Hellsehern, einem merkwürdigen deutschen Händler von unmöglichen Problemlösungen und allerlei Hollywood-Zelebritäten einbringt und sich sogar am Ende lohnt - in Dollars.

Ross Thomas ist der subversive Romancier eines humanen Pragmatismus: Sehr vieles ist möglich, fast alles hat seinen Preis - seine prekäre Konstante in einer Welt, in der nichts so ist, wie es scheint.

© Thomas Wörtche

 

Ross Thomas:
Voodoo & Co
(VOODOO, LTD; 1992). Roman
Deutsch von Walter Ahrens.
München: Heyne Verlag;
285 Seiten, DM 26, 90

 

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