legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Cream of Crime 7/1995

Liza Cody: Schwesternkrieg

 

Manchmal hat man den Eindruck, Verlage seien gar nicht so scharf darauf, daß ihre Bücher gekauft werden. Man kann das damit erreichen, daß man zum Beispiel ein unendlich idotisches Titelbild wählt und einen nicht weniger blöden Titel, der mit dem Buch überhaupt nichts zu tun hat. So geschehen im Fall von Liza Codys Roman "Monkey Wrench", (Schauen Sie doch mal ins Wörterbuch) der auf deutsch "Schwesternkrieg" heißt und auf dessen Cover ein mediterranes, todschickes Girl an einer Zigarette zieht. Liza Codys Heldin Eva Wylie raucht nicht - sie ist auch nicht todschick, sondern ein Brecher, eine Catcherin, die von ganz, ganz unten kommt.

Von dort unten in London, wo das ganze Elend, das Thatcherismus und Postthatcherismus angerichtet haben, voll eingeschlagen ist, wo es eiskalt ist und wo es ums schiere Überleben geht. Dort tummeln sich Straßenratten, gefährliche Wahnsinnige, dort müssen Huren unter miesesten Bedingungen arbeiten, dort gibt's keine erlesenen Scheinprobleme von Seelchen, die sich selbst für cultivated halten. Gewalt ist eine Umgangsform, auch unter Frauen. Kurz: Liza Codys England ist planetenfern von dem ihrer gepflegt morden-lassenden Kolleginnen (allerlei Geschlechts) - und genauso weit entfernt von den Märchen und verlogenen Konfliktlagen des gesamteuropäischen, gar weltweiten 'Frauenkrimis'.

Für Eva Wylie, die hier ihr zweiten Romanauftritt hat (nach "Bucket Nut"; dt: "Schweres Geschütz") hat Liza Cody mit ihrer Erfolgsformel gebrochen - den Romanen um die Privatdetektivin Anna Lee. Anna Lee gehörte damals in den 80ern zu den vielen Ladys, die den Privatdetektivroman neu besetzen wollten und mittlerweile zu öden Formelfiguren geronnen sind. Aus 'Anna Lee' wurde auch eine schauderhaft schlechte Fernsehserie gestrickt, die zwar kommerziell erfolgreich war, aber das Dilemma solcher Modefiguren grell sichtbar werden ließ. Anna Lee kommt zwar in "Bucket Nut" und "Monkey Wrench" noch am Rande vor, aber sie heißt vom Standpunkt von "Killerqueen" Eva Wylie bezeichnenderweise 'die Feindin'. Insofern ist es Liza Cody doppelt hoch anzurechnen, daß sie mit dieser Figur zu neuen Ufern aufgebrochen ist.

In jeder Beziehung: Die Fall-Aufklärung-Struktur interessiert kaum mehr - logisch in einer Welt, wo mittels Gewalt kommuniziert wird; der mittelständisch-"feministische" Standpunkt wird sozusagen einem Härtetest unter realen Bedingungen ausgesetzt, wobei manche lieb und tantig gewordenen Konsense flugs über Bord gehen; aus der unauffälligen Erzählsprache der 'alten' Liza Cody hat sich, mit der Stimme der häßlichen Catcherin ohne goldenes Herz, eine 'neue' entwickelt. Und die erzählt widerborstig und sentimental, düster und komisch, immer auf dem Punkt und mit kluger Balance von Drive und retardierenden Momenten.

Radikale Neugier auf die 'niederen' Bereichen des menschlichen Lebens führt einmal mehr zu präziser Prosa und vor allem zur Schilderung vielfältiger Differenzen und Unterschiede. Angesichts des schäbigen Elends kommt man mit Typologien und Klischees nicht weiter. Eva Wylie weiß noch lange nicht alles über diese Welt, und Liza Cody setzt sich nicht über sie, weil auch sie nicht alles weiß. Aber beide benutzen Witz und Schlagkraft, um mehr über die Welt herauszufinden. Wir Leser dürfen davon profitieren, nicht nur weil uns "Monkey Wrench" erzählt, wie es wirklich zugeht da draußen, sondern weil es uns eine Ahnung davon gibt, wie es sonst noch zugehen könnte, wenn man die Augen nur aufmacht.

© Thomas Wörtche

 

Liza Cody:
Schwesternkrieg.
(Monkey Wrench, 1994).
Roman. Deutsch von
von Regina Rowlinson.
München: Goldmann 1995.
249 Seiten, DM 12,90.

 

« Cream of Crime 06/1995 zurück zum Index Cream of Crime 08/1995 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen