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Krieg nach den Bedürfnissen der Medien

Thomas Wörtche über Larry Beinhart und seinen Roman »American Hero«

 

American Hero Mit dem Golfkrieg war das so: Lee Atwater hat auf dem Sterbebett Außenminister James Baker ein Memo in die Hand gedrückt. Darin fixiert: Die Zauberformel für das innenpolitische Überleben der Bush-Regierung. Baker und Bush kapieren und setzen einen hochspezialisierten Hollywood-Regisseur an das größte Ding überhaupt. An das Drehbuch für einen echten, netten, sauberen Krieg mit Guten und Bösen, Gewinnern und Verlierern, Helden und Schurken. Die Besetzung ist grandios: Norman Schwartzkopf gegen Saddam Hussein as themselves, die Finanzierung schwierig, aber machbar (wofür hat man "das Bündnis"), Dramaturgie und Inszenierung perfekt. War's nicht genau so ?

Weil solche erschröcklichen Enthüllungen normalerweise in die Sparte "Sachbuch" gehören, von Richard G. Powers oder Bob Woodward zum Beispiel, ist der Roman »American Hero« von Larry Beinhart auch aufgemacht wie ein pulitzerverdächtiger Insiderreport - mit Quellen, spekulativen Fußnoten, und mit arkanem, mit ganz arkanem Wissen. (Leider hat der Verlag diese Parodie auf eine bestimmte Textklasse kaputtgemacht, indem er die Anmerkungen, in denen sich Beinhart über Anmerkungen lustig macht, nach hinten in einen Anhang gesetzt hat, statt sie wie im Original direkt auf der jeweiligen Seite zu belassen). Nichtsdestotrotz, was für eine wunderbare Idee, möchte man zunächst meinen. Und Beinhart schwelgt in grandiosen Szenen, Bildern, Dialogen und Einfällen. Der sterbende Atwater, der hochdramatisch sein Memo an James Baker überreicht, die miefigen Kumpels Baker & Bush, die sich in der Air Force One das Schlafkabinett teilen (was für eine iiigitt-komische Szene), der Regisseur namens Beagle, der aus dem gesammelten Wissen der Filmgeschichte von Griffith bis Spielberg den idealen Krieg designt.

Dazu jede Menge Anekdoten und Episoden und hemmungsloser Tratsch und Klatsch - Hollywood aus der Kammerdienerperspektive, was ja bekanntlich auch ein bewährtes filmisches Verfahren ist. Soweit ist »American Hero« eine glänzende, hochamüsante und kurzweilige Satire, die mit Angst und Schrecken (schließlich hat der Golfkrieg zigtausende reale Leichen produziert) und dem Zynismus des mediengerechten Krieges Scherz und Frohsinn treibt. Wäre nur das zu dem Roman zu bemerken, wunderbar, man hätte sich intelligent unterhalten, man wäre auf den Romancier Beinhart, der bis dato drei Privatdetektivromane vorgelegt hat (einen guten, einen ordentlichen, einen sehr schwachen) neugierig. Aber so einfach wie seine höchstplausible Erklärung des Golfkriegs liegen die Dinge nicht bei dem Roman.

Zunächst ist einmal die Grundidee keineswegs originell. Krieg nach den Bedürfnissen der Medien, das war schon das komisch-bizarre Thema des Romans "Siege" aus dem Jahre 1987 von Richard Hoyt (deutsch als "Der Affenfelsen" 1990 bei Ullstein erschienen), der in puncto plausibler Surrealität entschieden weiter gegangen ist als Beinhart. Sodann: Der Golfkrieg als Gegenstand beißender, nach allen Seiten tretender Häme ist Gegenstand des 1992 bei Serpent's Tail erschienenen Romans "Sand Blind" von Julian Rathbone (der wegen "zu großer Intelligenz" keinen deutschen Verleger gefunden hat), der politisch klarsichtiger analysiert, welche Machtvektoren am Golfkrieg alle beteiligt waren. Das sind keine beliebigen Vergleichsgrößen, denn Beinharts Roman muß sich bei Themenanalogie Vergleiche gefallen lassen: Und dabei schneidet er schlecht ab, als letztendlich naiv nämlich. Bei all seinem kritischen Furor, bei seiner fasziniert-abgestoßenen Fixierung auf die Potenz Hollywoods und bei allem Abscheu über die Machinationen von US-"Realpolitik" übersieht er nämlich, daß auf dieser Welt auch noch ein paar andere Kräfte am Werk sind, die man nicht einfach mit ein paar Milliarden Dollar ausschaltet.

Auch das würde allerdings das Buch noch nicht ernsthaft beschädigen können, schließlich ist eine Satire nicht verpflichtet, eine klarsichtige Analyse politischer Realien zu liefern wenn sie sich nur entscheidet, wen und was sie wirklich attackieren will. Mißlungen ist »American Hero« letztendlich, weil sich der Schriftsteller Beinhart seiner Mittel nicht sicher ist. Neben dem Polit-Strang der Handlung etabliert er nämlich eine klassische Privatdetektivgeschichte. Joe Broz, ein Vietnamveteran, der jetzt für einen Security-Konzern arbeitet, wird von einer Schauspielerin engagiert, um den abgetauchten Regisseur Beagle aufzustöbern. Natürlich fliegt er aus dem Job, natürlich verliebt er sich prompt und konventionell in seine Auftraggeberin (was zu einigen schönen Episoden zum Thema The Beauty and the Beast Anlaß gibt , den Roman jedoch aus der Balance bringt). Der PI ist es schließlich, der zwar nicht den Golfkrieg stoppen kann, aber die minderen Bösewichter zur Räsong bringt.

Konventionell, allzu konventionell, weil Beinhart diesen Strang ernst nimmt, von Parodie und Spottlust ist da keine Spur mehr. Schlimmer noch: Das Showdown ist von unfreiwilliger Lächerlichkeit, man möchte fast sagen: billig. Beinhart ist nicht souverän genug, sich aus den Klischees des guten, alten und mittlerweile eben auch zopfigen Privatdetektivromans zu befreien: Der beste Kumpel, der getötet wird, die gnadenlosen Kampfmaschinen, die immer fernöstliche Kampfschreie ausstoßend herumhüpfen und tödlichen Schabernack treiben, der ewige und inzwischen allzu abgedroschene und schon längst nicht mehr bloß konventionelle Mythos vom einsamen, guten Vietnamkämpfer, der nur von hohen Offizieren und der bösen Politik ins traumatische Elend getrieben worden ist - eben all die Designerelemente des mittleren Thrillers der schicken 80er Jahre. Das alles ist zu pathetisch, zu unmittelbar und zu naiv eingesetzt, den Intentionen des Buches letztendlich kontraproduktiv.

Denn Satire, die nicht nach allen Seiten gleichzeitig angreift, ist schwache Satire, weil sie eine normative "Gegenbildlichkeit" bewahren will: Im Falle Beinharts ist dies das Weltbild des Privatdetektivromans. Eine solche Konstruktion mußte einfach schiefgehen. Um Mißverständnissen vorzubeugen: »American Hero« ist kein verheerend schlechtes Buch. Beinhart ist nur von seiner schönen Grundidee überfordert, und man tut ihm sicherlich keinen Gefallen, wenn man den Roman als "hochspannenden Thriller", so der Klappentext, aufbauen möchte, der geeignet ist "ganz ernsthafte Zweifel am offiziellen Bild des Golfkriegs" aufzuwerfen. Drei Nummern kleiner hätten es besser getan, denn Beinhart gehört auch nach »American Hero« nicht zur ersten Garnitur der inzwischen zahlreichen US-amerikanischer AutorInnen, die realpolitischen Mißständen und den Absurditäten des alltäglichen Wahnsinns mit Witz, Komik und Intelligenz zu Leibe rücken. Man sollte ihm nicht einreden, daß er schon zu den Ross Thomas, Carl Hiaasen oder Robert Littell aufgeschlossen hätte. Sonst schafft er es womöglich nie.

© Thomas Wörtche, 1994
(Freitag)

Larry Beinhart: American Hero. (American Hero, 1993) Roman. Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger und Peter Torberg. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1994, 568 Seiten, DM 45.

 

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