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Der Literaturbetrieb als Agent von Lüge, Betrug und Heuchelei

Thomas Wörtche über Patrícia Melo und ihren Roman »Wer lügt, gewinnt«

 

Wer lügt, gewinnt Könnte es sein, daß die brasilianische Schrifstellerin Patrícia Melo ihre ironischen Thriller als praktische Ratgeber für Aufstiegswillige benutzt? In »O Matador« (dt. 1997), ihrem ersten Erfolgsroman, der gerade nach einem Drehbuch von Rubem Fonseca verfilmt wird, mordete sich ein dämlicher Jüngling auf der Gesellschaftsskala nach oben. In »Wer lügt gewinnt« ist es jetzt ein hack-writer, der herausfindet, wie sozialer Aufstieg funktioniert.

Gemordet wird en passant, wenn auch untalentiert und stümperhaft. So kommt man nicht weiter. Aber Lügen, Heucheln, Betrügen und vor allem Bigottsein, das bringt's. Also wird unter tatkräftiger Hilfe einer lügnerischen Schlangenzüchterin aus dem schmierigen Heftchenschreiber José Gruber ein Topautor: Erst mit fragwürdigen Ratgebern für Erfolgswillige (siehe oben) dann mit New-Age-Fidelwipp, schließlich und konsequenterweise mit verlogener christlicher Erbauungsliteratur. Selbstverständlich wird die Schlangenfrau zunächst ihrerseits betrogen und belogen und dann, auch diesmal en passent, abgeräumt. Eine blonde deutsche Sekretärin nimmt unseren Helden von der traurigen Moral in die Obhut ihrer tüchtigen Hände...

Nun wäre dieses blutige Felix-Krull-Stück an sich schon eine vorzüglich grimmige Gesellschaftssatire, eben ein "Lob der Lüge", so der Originaltitel. Aber Melo inszeniert es dazu noch als intelligente literarische Scharade: José Grubers Heftchen-Plots sind schamlos von jedem Krimi-Klassiker zwischen Poe und Highsmith abgekupfert, die Ratgeber schreiben sich nach einer möglichst dummen Idee des Verlegers von selbst und die wiederum stammt garantiert aus fünfter Hand.

Medien und Literaturbetrieb aber sind die mächtigsten Agenten von Lüge, Betrug und Heuchelei. Und treiben's so weit, daß dagegen ein knuffiger Mord (kann man aus Kriminalromanen nicht lernen, die lügen alle) schon fast reinlich wirkt. Das sagt Patrícia Melo so natürlich nicht. Sie montiert kühl lächelnd Textstückchen in- und hintereinander, die tatsächlich nur den einen Schluß zulassen: "Wer lügt gewinnt". Insofern überlegen Sie sich gut, ob Sie Frau Melo und dieser Empfehlung trauen wollen.

 

© Thomas Wörtche, 1999
(Woche, Juli 1999)

Patrícia Melo: Wer lügt gewinnt. (Elogio da mentira) Roman. Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Barbara Mesquita. Stuttgart: Klett-Cotta 1999, 217 S, 17.00 Euro (D)

 

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