legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Eine Stadt in Angst

Lee Childs Serienfigur Jack Reacher, der ehemalige Militär-Polizist, ist die Fleisch gewordene Zivilgesellschaft: Er mischt sich ein, wenn er Unrecht wittert, ohne Auftrag oder Mandat. In seinem 15. Auftritt, gerade unter dem Titel »Wespennest« erschienen legt Reacher sich an mit ein paar Lokaltyrannen im dünn besiedelten Nebraska und bringt damit größere Geschäftskreise durcheinander.

Von Thomas Wörtche

 

Wespennest

»Wespennest« ist der 15. auf Deutsch erschienene Roman um Jack Reacher, den Helden deluxe für aufgeklärte Geister. Erfunden hat den Einzelgänger ohne Wohnsitz, ohne soziale Bindungen und ohne Besitz der Brite Lee Child und es gibt nur ganz wenige Schriftsteller, denen bei so einer Serie nicht der Atem ausgehen würde oder die nicht in die Redundanzfalle liefen.

Jack Reacher zieht von allen solchen Überlegungen unbeeindruckt seiner Wege. Er ist so etwas wie die Personifikation der Zivilgesellschaft. Er mischt sich ein. Ungefragt, ohne Auftrag, ohne Mandat, wenn er Unrecht wittert oder Zeuge böser Taten wird. Allerdings ist er ein sehr militanter Vertreter dieses Einmischungsprinzips - als ehemaliger Militärpolizist ist er mit Gewalt auf Du und Du und er setzt sie als Option sozialen Handelns ein. Das ist schlecht für die Schurken, die sich für die Inhaber des Gewaltmonopols halten, wenn sie anständige Leute tyrannisieren.

Hier, in »Wespennest«, ist Reacher in Nebraska gestrandet. Flaches, dünnbesiedeltes Land, wir können uns die Gegend in etwa so vorstellen wie die Landschaft in »Fargo«, dem Country Noir Film par excellence der Coen-Brüder. Ein einsames Motel leuchtet wie ein Ufo in der Unendlichkeit, die Autoscheinwerfer schneiden nachts Lichtschneisen durch die klare Luft wie Linien auf abstrakten Gemälden, aber die Verhältnisse, mit denen Reacher es zu tun bekommt, sind kompliziert.

Denn so einsam und isoliert Nebraska auch zu sein scheint, so autokratisch und und allmächtig die Lokaltyrannen die Bevölkerung wirtschaftlich und unter Einsatz nackter Gewalt im Griff haben - eingebunden in das weltweite Netz des organisierten Verbrechens ist auch die tiefste Provinz. Klar, dass Reacher sich sofort mit dem unangenehmen Clan anlegt, der die Gegend nach Gutsherrenart beherrscht. Aber er stört größere und wichtigere Geschäftszweige und das passt den Partnern des Clans ganz und gar nicht. Sie schicken ihre eigenen Leute in die Prärie - und hier wird die Sache sehr komisch. Lee Child macht sich den Spaß, drei Killerpärchen, jeweils zwei Mann stark, von drei hierarchisch gestaffelten Verbrecherorganisationen in die Great Planes zu entsenden, die den Auftrag haben, erst Reacher und dann die jeweilige Konkurrenz umzubringen. Eine Menge Arbeit für Reacher, der ganz nebenbei noch einen alten Entführungsfall klären kann. Damit belohnt er auch die Zivilcourage einer älteren Frau, die ihn unter Gefahr für Leib und Leben unterstützt. Auch das ein Merkmal von Reacher-Romanen: Zivilcourage ist ein hohes Gut, das Child feiert, wo es geht. Und von starken Frauengestalten ohne femme-fatale-Klischees wimmelt es bei Lee Child allemal.

Aber bevor jemand auf die Idee kommt, »Wespennest« sei ein "Gutmensch"-Roman: »Wespennest« ist ein eisiger, clever kalkulierter Thriller, intellektuell brillant, lakonisch und mit einem säureklaren Blick auf die Realitäten unserer Zeit. Logisch, dass die meisten Manifestationen von Gewalt in einem solchen Konzept eine zentrale Rolle spielen müssen. Lee Child erklärt nichts, sondern setzt alles in action um. Perfekt.

 

Lee Child: Wespennest. (Worth Dying For, 2010). Ein Jack-Reacher-Roman. Aus dem Englischen von Wulf Bergner. Deutsche Erstausgabe. München: Blanvalet, 2014, gebunden mit Schutzumschlag, 445 S., 19.99 Euro (D), eBook 15.99 Euro (D).

 

© Thomas Wörtche, 2014
(Deutschlandradio Kultur,
08.05.2014
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über Lee Childs Buch finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.deutschlandradiokultur.de/thriller-einsamer-held-in-nebraska.950.de.html?dram:article_id=284780 oder gleich hier zum Reinhören.

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen