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Im Osten die Bösen

Ist dem hölzernen US-Patrioten Tom Clancy ein prophetischer Roman gelungen? Der im Oktober 2013 verstorbene Autor hat einen Roman hinterlassen, in dem Russland die Krim anektiert und einen neuen Kalten Krieg heraufbeschwört. Strippenzieher ist ein russischer Präsident mit KGB-Vergangenheit, der mit dem organisierten Verbrechen kooperiert, um ungeheure Reichtümer anzuhäufen.

Von Thomas Wörtche

 

Command Authority - Kampf um die Krim

"Wenn ich will, kann ich in zwei Wochen Kiew einnehmen", soll Wladimir Putin Anfang September in einem Telefonat mit dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten Barroso gesagt haben. Noch hat Putin es nicht getan.
Aber beinahe - wenn man »Command Authority. Kampf um die Krim«, einem Roman von Tom Clancy glauben möchte, in dem man auch nachlesen kann, warum es letztendlich doch (noch?) keinen Krieg zwischen der NATO und Russland gegeben hat. Besagter Roman stammt aus dem Jahr 2013, am 1. Oktober 2013 ist Tom Clancy allerdings gestorben. Wie hoch also der Anteil des als Co-Autor angeführten Mark Greaney ist, soll die Clancy-Philologie herausfinden.

Bemerkenswert ist allerdings, wie Clancy die "Ukraine-Krise" schon mindestens ein Jahr vor der militärischen Eskalation zum Hintergrund eines seiner dickleibigen Polit-Thriller um seine Helden Jack Ryan senior und junior macht. Putin heißt bei Clancy nicht Putin, sondern Walerij Worodin, aber Worodin ist Putin. Von der gleichen Physiologie und Physiognomie, mit dem gleichen KGB-Hintergrund, mit dem gleichen populistischen Charme. Am Anfang des Romans versucht Russland, Estland zu überrennen, wird aber von ein paar tapferen NATO-Truppen, die natürlich Amerikaner sind, gestoppt. Aha, sagt sich Worodin, testen wir mal, was passiert, wenn wir uns die Krim zurückholen, die historisch sowieso russisch ist, und schauen wir weiter, was passiert, wenn wir die östlichen Teile der Ukraine destabilisieren und schließlich direkt auf Kiew zielen.

Die Destabilisierung der Ukraine erfolgt mithilfe eingeschleuster "prorussischer" Aktivisten, mit hohem Propanda-Aufwand und materiellen Versprechungen an die nicht-ukrainischen Bevölkerungsanteile und setzt auf ein unentschlossenes und zögerliches Europa. Worodin will das alte sowjetische Imperium wiederherstellen und dadurch mit seinen Spießgesellen im Kreml ungeheure Reichtümer anhäufen. Deswegen scheut Clancys Worodin auch nicht, direkt mit dem Organisierten Verbrechen zu kooperieren, das für ihn die Dreckarbeit macht. Als die Amis das aber herausbekommen, haben sie endlich den Hebel gefunden, um Worodin zu stoppen. Das wiederum hat mit einer alten Story zu tun, die mehr oder weniger Putins/Worodins Aufstieg zur Macht nachzeichnen soll. Schon zu Zeiten von Glasnost hatte der nämlich beschlossen, dereinst die Macht zu übernehmen und sich die Zusammenarbeit von Geheimdiensten und russischer "Mafia" gesichert, in dem er beide Seiten betrügt. Diese den Roman oft dominierende Vorgeschichte erzählt Clancy zäh wie Leder - elegante und dynamische Prosa waren nie sein Ding. Auch dieser neue Roman ist ein Debakel der Erzählökonomie, hunderte Seiten von Info-Dialogen für's Publikum, blödsinnige Balgereien, abwegige Heldentaten und unerträglich bornierter US-Patriotismus. Nichts Neues aus Clancy-Land also.

Aber eben dennoch: Ein gewisses realpolitisches Gespür, wie ein Ukraine-Szenario laufen könnte und wie es tatsächlich immer noch läuft, kann man dem alten Kalten Krieger Clancy nicht absprechen. Sein böser und einseitiger Blick vermag dennoch ein paar Grundkonstellationen sehr klar zu erkennen. Als Handbuch zur Bewältigung einer realpolitisch prekären Krise jedoch taugt der Roman eher nicht. Außer wir gehen davon aus, dass Obama etwas über Putin weiß. Aber vermutlich funktioniert die richtige Welt doch nicht so.

 

Tom Clancy / Mark Greaney: Command Authority - Kampf um die Krim. (Command Authority, 2013). Thriller. Aus dem Amerikanischen von Michael Bayer. Deutsche Erstausgabe. München: Heyne, 2014, gebunden mit Schutzumschlag, 845 S., 24.99 Euro (D), eBook 19.99 Euro (D).

 

© Thomas Wörtche, 2014
(Deutschlandradio Kultur,
20.11.2014
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über Tom Clancy und Mark Greaneys Buch finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.deutschlandradiokultur.de/nachgelassener-roman-wie-tom-clancy-die-krim-krise-vorhersah.950.de.html?dram:article_id=303743 oder gleich hier zum Reinhören.

 

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