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Der Anti-Bond

Mit seinem Roman »Der Spion, der aus der Kälte kam« hat John le Carré 1963 den wohl berühmtesten Spionage-Thriller der Geschichte vorgelegt. Anlässlich des 50. Jahrestages des Erscheinens wartet der Ullstein Verlag mit einer Neuübersetzung des Klassikers auf. Das Werk kommt aber nicht nur äußerlich aufgehübscht daher, sondern ist auch lange Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges taufrische Literatur.

Von Thomas Wörtche

 

Der Spion, der aus der Kälte kam

John le Carrés Polit-Thriller »Der Spion, der aus der Kälte kam« von 1963 ist sicher einer der berühmtesten Romane des 20. Jahrhunderts. Er begründete le Carrés internationale Karriere und löste nicht nur die naiven James-Bond-Märchen ab, die damals das Bild der Spionageliteratur prägten, sondern begründete eine neue Sicht auf die Welt.

Ob er bei heute noch einem breiten Publikum einer der bekanntesten Romane des 20. Jahrhunderts ist, darf man bezweifeln. Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass der Ullstein Verlag zum 50jährigen Erscheinungsjubiläum nicht nur eine Neuausgabe, sondern gleich eine Neuübersetzung von Sabine Roth vorlegt. Das hat einen hohen Prestigewert, der durch ein neues, altersweises und selbstironisches Vorwort des Autors noch gesteigert wird. Ob eine neue Übersetzung tatsächlich notwendig war, kann man angesichts der durchaus brauchbaren alten von Christian Wessels und Manfred von Conta diskutieren, Man müsste dann allerdings einlässlich über einige Stellen reden und darüber, ob Sabine Roth nicht möglicherweise le Carrés demonstrativ sehr "gebildete" und anspielungsreiche Sprache glättet, wenn zum Beispiel aus der biblischen "Schrift an der Wand" ("writing on the wall") eine prosaische "Bedrohung" wird.

Beeindruckend ist auf jeden Fall ein halbes Jahrhundert nach der Entstehung, wie gut le Carrés Geschichte noch funktioniert. Der Kalte Krieg, der die Spiele von Verrat und politischem Vorteil und der die Abwesenheit moralischer Standards, wenn es um die Raison der Systeme ging, ideologisch begründet hatte, ist vorbei. Umso schaler lesen sich heute die Argumente, die zur Rechtfertigung jeder Grausamkeit angeführt werden. Und umso aktueller, wenn man die heutigen Konfliktlagen und deren "Kollateralschäden" betrachtet.

Alec Leamas, der desillusionierte Spion, der aus den Kälte kam, wird von seinen eigenen Leuten wieder in Kälte geschickt, um ein anti-semitisches Scheusal zu schützen, das der britische Geheimdienst strategisch bei der Staatssicherheit der DDR platziert hatte: Das ist auch ein erstaunlich präziser Roman über jede Art von Undercover-Tätigkeit, nicht nur über politische Spionage. Eine Lesart des Romans, die vor Jahrzehnten schon einmal der amerikanische Romancier Joseph Wambaugh vorgeschlagen hatte, die aber heute, ohne den direkten zeitgenössischen politischen Kontext, noch deutlicher wird. Der Manipulator Alec Leamas wird manipuliert, seine privatesten Regungen sind Material für die Kalküle seiner Puppenspieler, die ihn zum Opfer auserkoren haben, ohne ihm je eine andere Option zuzugestehen. Engagement, persönlicher Einsatz, Mut und Loyalität sind Kategorien, mittels derer man Menschen günstig funktionalisieren kann.

Mit le Carrés Welterfolg ist im ernstzunehmenden Polit-Thriller die Zeit der Grauwerte angebrochen - gut und böse, richtig und falsch haben sich als ungeeignete Parameter erwiesen, erzählerisch mit der Welt umzugehen. Skepsis und Misstrauen gegenüber gewaltbereiten Bürokratien, Paranoia als intellektuelle Tugend und elegante Prosa als Antidot gegen den gefährlichen Irrwitz der Welt - das sind die Qualitäten, die den "Spion" zu einem Schlüsselwerk machen und die Bestand haben.

 

John le Carré: Der Spion, der aus der Kälte kam. (The Spy who Came in from the Cold, 1963). Roman. Aus dem Englischen neu übersetzt von Sabine Roth. Berlin: Ullstein, 2013 (1. Aufl. - Wien: Zsolnay, 1964), gebunden mit Schutzumschlag, 275 S., 18.00 Euro (D), eBook 14.99 Euro (D).

© Thomas Wörtche, 2013
(Deutschlandradio Kultur,
07.05.2013
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über John le Carrés Roman finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/2099905/ oder gleich hier zum Reinhören (.mp3).

 

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