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In der Hölle von Cape Town

Ein Heckenschütze in Kapstadt droht damit, jeden Tag einen Polizisten zu erschiessen, um die Wiederaufnahme einer Mordermittlung zu erzwingen. Ermittler Bennie Griessel steht vor einem Rätsel. Ihm bleiben nur sieben Tage, um den Erpresser zu stoppen und ein Blutbad zu verhindern.

Von Thomas Wörtche

 

Sieben Tage

Sieben Tage haben, im gleichnamigen Roman von Deon Meyer, die Polizeibehörden von Kapstadt Zeit, einen Heckenschützen aus dem Verkehr zu ziehen, der pro Tag einen Polizisten an- resp. erschießt, um die Wiederaufnahme einer Ermittlung zu erzwingen, die seiner Meinung nach von der Polizei bewusst sabotiert worden war. Sieben Tage Zeit also für den Protagonisten Bennie Griessel, nicht nur den aktuellen Attentäter zu stellen, sondern auch den inkriminierten Mordfall neu aufzurollen und zu lösen. Kripo-Kaptein Bennie Griessel, eine der Hauptfiguren aus dem Universum von Deon Meyer, die von Roman zu Roman mal mehr im Hintergrund, mal mehr im Vordergrund agieren, hat hier sozusagen ein Solo. Allerdings nicht in der Handlung, denn »Sieben Tage« ist so geschickt konstruiert, dass sämtliche Abteilungen nicht nur der kapstädtischen, sondern nach und nach des gesamten südafrikanischen Polizeiapparats ins Spiel kommen müssen.

Bennie Griessel, der mühsam trocken gelegte Alkoholiker und Beziehungsvandale mit schon fast pathologischen Selbstzweifeln kann sich nicht auf seine Lieblingsrolle als alter Einzelgänger zurückziehen, sondern muss im Team spielen. Und dieses Team ist hochpolitisch, weil Polizei im neuen Südafrika eine hochpolitische Angelegenheit ist, evidentermaßen. Versteckt hinter der spektakulären Zeitstruktur und einem sehr altmodischen Whodunit (wer hatte damals die leicht promiske, attraktive und effiziente Wirtschaftsanwältin wirklich umgebracht, aus beruflichen oder privaten Gründen?), kommt Meyer auf die entschieden aufregenderen Themen zu sprechen, die den psychosozialen, politischen und gesellschaftlichen Status Quo der Republik Südafrika ausmachen: Anhand der Polizeiarbeit zeigt Meyer, wie eng die Regierung Mbeki mit dem Organisierten Verbrechen verflochten ist, welche politische Friktionen innerhalb der Ethnien herrschen - im Roman verstehen sich die Polizisten oft nicht, weil sie kein Afrikaans, nur schlecht Englisch oder gar kein Xhosa sprechen -, es geht darum, was die "positive Diskriminierung" für die bedeutet, die schon immer wie die "Farbigen" (coloured), zwischen den Stühlen saßen, wie man sich dennoch bemüht, den Laden irgendwie am Laufen zu halten.

Auf der privaten Ebene ist nicht nur der Veteran Griessel zutiefst verunsichert, seine neue Freundin Alexa kommt mit ihrer Rolle als Afrikaander-Frau in einer sich hektisch neu erfindenden Gesellschaft nicht mehr klar und auch die anderen Polizisten stolpern mehr oder weniger orientierungslos durch den sozialen Dschungel - Suff, Selbstmord, Mord. So kehren sich die Dominanzen des Romans um: die Frage, wer die Anwältin umgebracht und warum der Attentäter seinen Rachefeldzug startet, werden zu den "unnützen Details" (nach Roland Barthes für die Simulation von "Realismus" zuständig) während die Umstände und Verhältnisse, in denen sich der Whodunit abspielt, die eigentliche Erzählung ausmachen. Selten ist die Genrehaftigkeit eines Textes so gnadenlos für andere Intentionen funktionalisiert worden. Und schon gar nicht auf so hohem Niveau.

 

Deon Meyer: Sieben Tage. (7 Dae, 2011). Thriller. Aus dem Afrikaans von Stefanie Schäfer. Deutsche Erstausgabe. Berlin: Rütten & Loening, 2012, gebunden mit Schutzumschlag, 430 S., 19.99 Euro (D).

© Thomas Wörtche, 2012
(Literaturnachrichten,
29. Jahrg., Nr. 115, Winter 2012
)

 

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