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Mit Idealismus in der Weltpolitik mitmischen

Olen Steinhauers neuer Polit-Thriller »Die Kairo-Affäre« spielt im Jahre 2011 während des lybischen Bürgerkrieges, und analysiert die Auswirkungen des Zusammenbruchs des Gaddafi-System auf die Macht- und Kräfetverhältnisse in der Region. Der clever inszenierte Roman ist Kritik und Demontage amerikanischer Omnipotenzvorstellungen, mit denen sich Steinhauer bereits in seiner Milo-Weaver-Triologie befasste.

Von Thomas Wörtche

 

Die Kairo-Affäre

Eine wesentliche Qualität von Olen Steinhauers Polit-Thrillern lag schon immer darin, den zunehmenden Bedeutungsverlust der USA im "großen Spiel" um die globale Macht als Subtext mitlaufen zu lassen. Das war in der Trilogie um den ausgebrannten Agenten Milo Weaver so - dort wurden die Chinesen als Weltmacht immer sichtbarer, bis zu dem Punkt, dass innerchinesische Querelen und Machtkämpfe direkte Konsequenzen für die Funktionstüchtigkeit der amerikanischen Geheimdienste hatten.

In seinem neuen Roman, »Die Kairo Affäre«, fährt Steinhauer mit seiner subtilen Demontage amerikanischer Omnipotenzvorstellungen fort. Ein Langley-Analyst bemerkt, dass während der libyschen Revolution 2011 (da spielt der Roman) ein alter CIA-Plan zur Unterstützung der Anti-Gaddafi-Fraktion umgesetzt wird, den die USA allerdings schon längst auf Eis gelegt hatten, um sich in der Region nicht noch unbeliebter zu machen, als sie es sowieso schon sind. Als der Analyst merkt, dass da etwas ganz Gegenteiliges umgesetzt wird - nämlich überall auf der Welt libysche Oppositionelle anscheinend von Schergen Gaddafis umgebracht werden - fällt der Verdacht auf einen Maulwurf innerhalb der CIA. Und somit wäre die Dramaturgie eines klassischen John-Le-Carré-Thrillers aus dem Kalten Krieg erwartbar.

Aber nicht von Steinhauer. Natürlich spielt er virtuos mit dem Maulwurf-Klischee und seziert ganz nebenbei die Karriere eines amerikanischen Ehepaares: Beide möchten voller Idealismus in der Weltpolitik mitmischen, beide lassen sich bald manipulieren und korrumpieren (am Anfang zusammen, später ein jeglicher auf verschiedenen Wegen) und am Ende geht es darum, wer überlebt. Raffiniert baut Steinhauer neben diesen zwar brillant erzählten, aber durchaus konventionellen Szenen einer Ehe eine zweite Ebene auf: Während die CIA sozusagen geheimdienstliche Nabelschau auf der Maulwurfsuche betreibt, sind die ägyptischen Kollegen schon längst weiter. Sie wittern den arabischen Frühling auch für ihr Land, falls sich Gaddafi nicht halten kann, und bauen Sicherheitsreißleinen ein. Die CIA und die USA sind dabei nur unwesentliche Spielklötzchen, die schon im Balkan-Krieg der 1990er gepfuscht haben, was ihnen jetzt wie ein Bumerang auf die Füße fällt.

Steinhauer erzählt wie immer ausgefuchst, mit Zeit- und Ortsprüngen, mit allen Perspektivwechseln die einer starken auktorialen Position zur Verfügung stehen. Die »Kairo-Affäre« ist deswegen in erster Linie ein literarisch sehr gelungener "psychologischer Spionage-Roman" und weniger ein Thesenroman über die Region, in der er spielt. Die Brisanz und die Sprengkraft des Buches liegen dennoch in seinen Implikationen. Das macht die Lektüre erheblich erfreulicher, als es eine sensationalistische Dramaturgie mit einfacher Message geschafft hätte. Dass die Welt ein undurchsichtiger, gefährlicher, von Zufällen und von gleichgültigem, wechselhaftem Kalkül dominierter Ort ist, spielt Steinhauer auf allen Ebenen menschlichen Zusammenlebens durch. Das Private ist sowieso politisch und deswegen extrem prekär und kann jederzeit tödlich werden. In Kairo und anderswo.

 

Olen Steinhauer: Die Kairo-Affäre. (The Cairo Affair, 2014). Roman. Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein. Deutsche Erstausgabe. München: Blessing, 2014. 494 S., 19,99 Euro (D).

 

© Thomas Wörtche, 2014
(Deutschlandradio Kultur,
04.07.2014
)

 

Ein Gespräch mit Thomas Wörtche über Olen Steinhauers Buch finden Sie auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur unter http://www.deutschlandradiokultur.de/polit-thriller-auf-maulwurfsuche.2165.de.html?dram:article_id=290958 oder gleich hier zum Reinhören.

 

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