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Leichenberg 01/2000

 

Es ist kinderleicht: Was macht man, wenn grausliche Serial-Killer nicht mehr gruseln ? Die komplizierte Antwort wäre: Man nimmt zwei davon. Aber das hatten wir ja auch schon. Einfacher ist, den einen Serial-Killer nekrophil sein zu lassen (noch grauslicher, stimmt's ?) und den zweiten mit einem noch schlichteren Geschmack auszustatten. Deswegen näht der zweite den abgelegten und schon bearbeiteten Leichen des ersten kleine Vögelchen in die kalte Brust, auf daß sich wenigstens noch etwas Lebendiges rührt, wenn er sie bis zur Verwesung caressiert. Ja, so ist das in Mo Hayders Der Vogelmann (Goldmann HC), und die Steigerung ist dem Text sozusagen schon eingeschrieben: Serialnekrophile Sodomie.

Auch hübsch ist eine andere schicke Mischform: Serial-Killen mit obligatorisch nekrophilen (das ist jetzt einfach ein must-de-hackier) Anmutungen, aber - eben ! - auch New Age-Fidelwipp garniert. So kommt dann sowas wie Mark T. Sullivans Geistertanz (HoCa) zustande. Prima Gräuel, widerwärtige Modderleichen, New England-Horror, Vergewaltigung, Knabensex im Waisenhaus, Genozid an den Lakota-Indianern, Spökenkiekerei, religiöser Wahn, böse Geheimdienste, Alloholismus, Lynchjustiz, Rassismus, Kleinstadtterror... Sicher habe ich noch den einen oder anderen eminenten Handlungsstrang vergessen. Früher hat man daraus ganze Bibliotheken gemacht, heute reicht ein Supermegathriller. Ach, wäre er doch nur der ultimative Thriller-to-end-all-thrillers. Aber der nächste, noch enzyklopädischere kommt bestimmt.

Bis es so weit ist, langweilen wir uns ein wenig mit einer anderen, ebenso totgekauten Variante: Der Historien-Schinken, in dem man sämtliche "benevolenten" Rassismen als Zeit- und Lokalkolorit getarnt prächtig rauslassen kann. So wie in Verschwörung am Nil von Michael Pearce (Diana). 1908, als der Engländer noch ein wackerer Kolonialherr war, muß in Kairo der nette Waliser Owen merkwürdige Entführungsfälle aufk-lären. Irgendwo neben fundamentalistischen Islamisten, die auch 1991 in der Gegend rumspringen könnten (in dem Jahr wurde der Roman geschrieben), sind die Schurken dann doch nur gierige Eselstreiber, die natürlich, als putzige Eingeborene, keine Chance gegen die Stiff-Upper-Lip der Briten haben. Wenn's wenigstens lustig wäre ...

Immerhin ganz lustig ist die Bilanz der Vampire von Floyd Kemske (Bastei). Zwar ist die Erkenntnis, daß Kapitalismus und Vampirismus zwei recht artverwandte Veranstaltungen sind, nicht ganz taufrisch, aber daß die Vampire auch sinnvolle Beiträge zu Rationalisierung und Automatisierung geleistet haben, kann man bei der Lektüre von Kemskes eher satirischer Fabel sehr schön nachvollziehen. Leider reicht die Idee nicht für einen ganzen Roman, aber eine Idee ist besser als keine.

Denn unter "keine Idee" fällt Gunnar Staalesens Variante des tausendfach abgenudelten Plots "Papi trifft als Freier Töchterlein beim Anschaffen". Allerdings nur auf den ersten Blick, denn Staalesens Die Schrift an der Wand (Scherz TB) stellt sich dann doch als solide gestrickter PI-Roman heraus, dessen arg klemm-sexiger Plot möglicherweise eine sehr norwegische Obsession als Unterboden braucht.

Sehr sinnvoll ist eine Wiederausgrabung bei DuMont Noir: William McIlvanneys erster Jack-Laidlaw-Roman von 1977 (die alte Ausgabe bei Rowohlt war längst vergessen): Laidlaw. Tatsächlich ein Klassiker der Neuen-Britischen-Polizei-Romane, die es auch bei uns immer noch schwer haben gegen den ganzen Fake-Quatsch angeblich typisch britischer "Krimis". McIlvanney ist ein sehr komplexer, sehr sorgfältiger und sehr komplizierter schottischer Autor, der Bücher über Polizisten und ihren Job und über Menschen schreibt. Egal, wie dann das Etikett heißt, das man da draufkleben möchte. Die Frage nach Literatur oder Genre stellt sich hier nicht.

 

© Thomas Wörtche, 2000

 

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