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Leichenberg 02/2011

 

Gott wartet an der nächsten Ecke

Kriminalromane aus Katalonien, das waren für zu lange Jahre die Geschichten von Manuel Vázquez Montalbán um den verfressen Privatdetektiv Pepe Carvalho und dessen Manie, Bücher zu verheizen. Anfangs sicher politisch wichtig, weil antifranquistisch wie alle anständigen politischen Kriminalromane, lief sich die Masche tot. Das wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn die mediale Allgegenwart von Montalbán nicht (mindestens) zwei andere, viel spannendere und ästhetisch versiertere katalanische Autoren verdeckt hätte. Der eine war Andreu Martín, der es wenigstens noch zu einer gewissen Präsenz auf dem deutschsprachigen Buchmarkt gebracht hatte. Der andere aber, Francisco González Ledesma, bekommt erst jetzt eine Chance: Gott wartet an der nächsten Ecke (Ehrenwirth) ist das zweite Buch Ledesmas, das auf Deutsch erscheint - der Roman selbst ist aus dem Jahr 1986, der Autor selbst immerhin vom Jahrgang 1927! Man muss jetzt nicht meckern, weil es wichtigere Romane von Ledesma gibt, sondern sich an dem freuen, den man vor sich hat: Er gehört zu dem Zyklus um den sehr robusten Inspéctor Mendez, der sich im vorolympischen Barcelona um die Absturzviertel kümmert, um die Puffs und miesen Kneipen. Mendez trauert ironisch dem Franquismo nach und ist kein Freund politisch korrekter Polizeimethoden. Ein übler Bulle mit Herz (die viel komplexere Vorlage für Alicia Giménez-Bartletts Inspéctor Fermin, auch Petros Markaris' Kostas Charitos hat von Méndez gelernt), der Klischeevorstellungen von Polizei und Recht und Ordnung und Macht auch unter den neuen Bedingungen eines demokratischeren Spaniens skeptisch beäugt. Die Handlung verlagert sich von Barcelona über Madrid nach Ägypten - und wenn man meint, man wisse gerade, wie das Buch läuft, dreht Ledesma die Handlung wieder, auf dass sie das Unausrechenbare des wunderlichen Helden trefflich auf der Plotebene reflektiert. Grandios!

Ein beschissenes Sortiment an Schwierigkeiten

Sehr willkommen ist Markku Ropponen und sein abgehalfterter Ex-Bulle und Privatdetektiv Otto Kuhala, der seinem Handwerk in der Provinzstadt Jyväskylä nachgeht: Ein beschissenes Sortiment an Schwierigkeiten (Piper) heißt das zweite Buch dieser finnischen Serie, die absolut nicht originell ist, kein Privatdetektiv-Klischee auslässt, kein Kleinstadttopos liegen lässt und überhaupt genauso tickt wie hunderte, ach was, tausende von Privatdetektivromanen aus aller Welt. Allerdings amüsiert man sich prächtig von der ersten bis zur letzten Zeile. Das alles ist großartig, gerade weil es die Welt nicht neu erfindet, auch das Genre nicht sprengt, dekonstruiert, transzendiert oder sonst wie dekompostiert, sondern einfach Spaß und Freude an schrägen Figuren, grandiosen Erzähleinfällen und wüsten Scherzen rüberbringt. Ropponen unterhält sich offensichtlich aufs Ersprießlichste - und das überträgt sich ganz organisch auf uns Leser. Leichte Lektüre auf höchstem Niveau!

Leichte Lektüre auf unterstem Niveau bietet Jack Dubruls Schwarte HAVOC-Verwüstung (Blanvalet) an. Am Anfang brennt der Zeppelin "Hindenburg" ab, das tut er zur Zeit in allerlei Medien gerne. Dann wird in Afrika gemetzelt und in den USA auch, nach Assuan geht's und Russinnen heißen Ludmilla, böse Bulgaren kämpfen gegen Janitscharen und der Sarg Alexander des Großen spielt auch mit. Die Bösen sind bös, die Guten auch - letztere sind auch unter Flächenbeschuss maximal ein wenig derangiert und die ganze Schauermär ist so steif runterübersetzt wie dramaturgisch täppisch inszeniert. Trash halt, aber warum will man doch noch wissen, wie der ganze Unfug endet? Nix für pingelige Ästheten, aber für Freunde des literarischen Ballermanns sehr zu empfehlen.

Der Neunte Buddha

Ganz und gar nicht zu empfehlen ist die Investition von satten 32.- € in einen schön aufgemachten und gestalteten Band der renommierten "Anderen Bibliothek": James Palmers Der Blutige Weisse Baron (Eichborn) ist als Biographie des Freiherrn von Ungern-Sternberg ein wenig arg unsortiert und wirr geraten und dazu derart amateurhaft übersetzt und peinlich inkompetent lektoriert (wenn überhaupt), dass man oft dem Gang der Argumentation kaum folgen kann. Dabei ist die Geschichte des durchgeknallten Kavalleristen Ungern-Sternberg, der sich in den Wirren des russischen Bürgerkrieges zum Herrscher über die Mongolei aufschwingen wollte und ein bluttriefender Psychopath mit spiritueller Macke war, eine nette Fußnote in historischer Zeit. Die Art Fußnote, die man in Romanen gut brauchen kann - wie Daniel Eastermans Der Neunte Buddha (Aufbau) beweist - ein rustikaler Politthriller mit Abenteuerelementen (oder umgekehrt), der zu Ungern-Sternbergs Zeit zwischen Tibet und der Mongolei spielt, um die sich Sowjets und andere interessierte Parteien prügeln. Unter anderem Ungern-Sternberg, der ein paar hübsche Auftritte in dem gut gemachten historischen Thriller hat.

 

© Thomas Wörtche, 2011

 

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