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Leichenberg 02/1997

 

Die Herrschaften Verlag delirieren ja gerne von der "Ware Buch". Was macht man mit einer Ware, die grobe Mängel hat? Man schickt sie zurück und bittet um Nachbesserung. Wer also 46 Mark für Thomas Giffords Roman Gomorrha (Lübbe) gelöhnt hat und nach 20 Seiten immer noch nicht weiß, um was es geht, weil das Buch nicht einfach schlecht übersetzt, sondern bizarr und grotesk in Kein-Deutsch übertragen wurde, sollte lauthals ein lesbares Produkt fordern. Denn man darf nicht Gifford strafen, der hier einen immerhin beachtlich paranoiden Roman über die kafkaesken Aspekte der amerikanischen Innenpolitik vorgelegt hat.

Keinen Sinn macht Nachbesserung bei Und ruhe in Frieden von Deborah Crombie (Goldmann), man reibt sich höchstens verwundert die Augen darüber, wie tief "Krimis" noch ins Milieu der verlogenen, kitschigen Lore-Romane rutschen können. Viel mehr als ein Arzt-Roman auf Heftchen-Niveau (allerdings 44,80 DM teuer) ist auch F. Paul Wilsons Implantat-Schocker Die Kommission (C. Bertelsmann) nicht. Eines zeigt er allerdings an: Anwälte sind allmählich out, es kommen die Doktores, die ja schon die Mattscheibe zahlreich bevölkern. Ob bei Valerie Wesley Wilson alle Liebesmüh verloren ist, weiß man noch nicht genau. Ihr Erstling Ein Engel geht über deinem Grab (Diogenes) hat zwar sehr interessantes Personal (eine schwarze Privatdetektivin und ihr diverser Anhang, angesiedelt in Newark), der Plot ist allerdings psychoschwurbelig-wirr und trotzdem durchsichtig. Außerdem ist das Buch geschwätzig und literarisch bieder. Psychoschwurbel ist auch die Achillesverse von Lynn S. Hightowers Flashpoint-Killer (Knaur). Der Roman fängt brillant an, ein Police Procedural vom Feinsten, und sackt dann immer mehr ab in den Schlick des Serial-Killer-Geweses. Schade. Für Ideologiekritiker gewiß ein Graus ist Stephen Hunters Im Fadenkreuz der Angst (Goldmann), ein, horribile dictu, Roman übers Schießen. Aber alles Bekreuzigen hilft nichts: Hunter macht etwas aus seinem Sujet, dem durchgeknallten Waffenfetischismus: Nämlich streckenweise rasend gute Prosa.

Weniger aufgeregt, dafür hochbrisant das neue Buch von David Ignatius: Reporter ohne Auftrag (Blessing), das jedem skeptischen Zeitungsleser ans Herz gelegt sei. Es geht Ignatius (der bei der Washington Post arbeitet) um die unspektakuläre Korruption in den Massenmedien, um den unauffälligen, leisen, aber effektiven Erwerb von "Meinung".

Good News für die Freunde von Charlie Muffin, dem proletarischen Überlebenskünstler im snobistischen SIS: Der Lehrling (Heyne) heißt Brian Freemantles neuer Schelmenroman, der vor hinterhältiger Intelligenz nur so sprüht. Diese Eigenschaft teilt er mit Walter Satterthwaits plausibler und höchst unterhaltsamer Erklärung, warum Oscar Wilde im Wilden Westen (Haffmans) nach der Begegnung mit Doc Holliday einfach schwul werden mußte.

Schwul, schwarz, komisch und schlagfreudig ist auch Leonard Pine, der sich zusammen mit seinem nichtnutzigen weißen Freund Hap Collins durchs rassistische und matschige East Texas prügeln muß: Mambo mit zwei Bären von Joe R. Lansdale (rororo) ist vielleicht nichts für Leute mit schwachen Magennerven, aber trotzdem ein komisches, spannendes und keineswegs larmoyantes Buch über ein grusliges Stück Welt. Mein Geheimtip: Köder am Haken von Kenneth Abel (rororo), der dort weitermacht, wo Elmore Leonard, Georg V. Higgins & Co. stagnierten: Auf hohem Niveau.

© Thomas Wörtche

 

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