legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 03/2009

 

Der Teufelskeiler

Der Killer ist ein Vieh. Ein riesengrosser, alter, stinkender Eber. Ausgekocht, tückisch, mit allen Wassern der Hölle gewaschen und vielleicht - wer weiß? - gar nicht irdischen Ursprungs. Weil er den armen Leuten am Sabine River an die Lebensgrundlagen geht, die Maisfelder verwüstet, die Jagdhunde zerfetzt und selbst schwangere Frauen angreift, ist klar, dass das so nicht weitergehen kann. Der Teufelskeiler, das den deutschen Titel stiftende Biest in dem hochkonzentrierten Roman von Joe R. Lansdale (Shayol), muss um jeden Preis erlegt werden. Aus dieser einfachen Geschichte, die im Süden der USA während der Grossen Depression in den 1930er Jahren spielt, macht Lansdale eine Abenteuergeschichte irgendwo zwischen Mark Twain und William Faulkner. Und eine Geschichte über die Schriftstellerei in harten Zeiten, über das Erzählen, das amerikanische story telling - ob über Wildschwein- oder Gangsterjagden. Grandios.

Gerne hätte ich es auch gesehen, wenn Joseph Wambaugh mit seinem zweiten Comeback-Roman Sunset Boulevard (Bastei) zu alter Größe zurückgekehrt wäre. Immerhin ist der neue Roman nicht so eine große Katastrophe wie sein Vorläufer »Hollywood Station« und auch ein wenig besser übersetzt. Aber dennoch ein Schatten der früheren visionären Bücher. Denn Wambaughs Ästhetik der Montage von absurden und bizarren Vignetten aus dem urbanen Wahnsinn von L.A. bleibt eher schlicht. Eine mehr oder weniger gelungene Nummernrevue abwegiger Situationen aus dem Cop-Alltag, ein paar wunderliche Figuren und wieder ein Plot, der keiner ist. Immerhin, ein paar witzige, ein paar rührende, ein paar tragische Miniaturen sind gelungen. Aber von einem großen komischen Roman ist »Sunset Boulevard« leider noch weit entfernt.

keiner rennt für immer

Donald E. Westlake alias Richard Stark, der vor kurzem gestorbene amerikanische Romancier mit Daueroutput auf hohem Niveau, ist in letzter Zeit zurecht gefeiert worden. Nicht zuletzt allerdings für den auf dem 1. Platz der Jahresabstimmung der KrimiWeltBestenliste 2008 gelandeten Roman Fragen Sie den Papagei (Zsolnay). Die Feier eines großen, hierzulande übersehenen Schriftstellers wäre rundum lobenswert, wäre der Anlaß etwas sinnvoller. Denn auch der gerade erschienene Roman Keiner rennt für immer (Zsolnay), der da aufhört, wo der Papagei beginnt, stammt aus der Serie um den Gangster Parker. Das Konzept stammt ungebrochen aus den 1960s, dito die Ästhetik des Erzählens, dito auch die Unterkomplexion des Romans. Historisch ohne Zweifel wichtig, als state of the art von Kriminalliteratur allerdings viel zu belanglos für das Getöse. Parker-Romane hat man schon immer gelesen, sie sind immer noch nett - man hat sie immer noch nach zwei Stunden total vergessen.

Aber irgendwie tröstlich, dass sich Routine und Ambition manchmal am Punkt "Vergessen" treffen. So trommelt sich das vor literarischem Furor bebende Werk Das Schiff von Stefán Máni (Ullstein) pausenlos an die metaphorische Brust. Ein Schiff (Metapher) unterwegs nach Südamerika (exotisch, Metapher), das nie ankommt (Metapher), weil unter den verlorenen Seelen an Bord (Metapher) ein Satan (Metapher) ist - also tatsächlich die Hölle (Klappentext) auf den Wassern (Holländer, fliegender)... Naja, das wäre alles noch erträglich, wenn die Schauermär auf dem Meer nicht nervtötend mehr sein wollte. "Bumm, bumm, bumm...", wie's im Roman immer heißt.

Mord im Park

Da loben wir lieber Bücher, die sich mit der unauffälligen, aber deswegen nicht weniger spannenden Komplexität des Banalen beschäftigen. Zwei englische Polizei-Romane tun dies sehr vergnüglich: Cynthia Harrod-Eagles: Mord im Park und Iain McDowall: Gefährliches Wiedersehen (beide dtv). Gegen den modischen, effekthascherischen Overkill à la Peace erlauben sich diese Romane den Luxus, Leute genau anzuschauen, Konfliktlagen aus dem Alltag zu Kriminalhandlungen zu verdichten und wenigstens irgendwie mit den Realitäten down-to-the-ground verbunden zu bleiben. Sowas ist unterhaltsam, klug und manchmal sogar komisch.

Spezialist für Komplexes, für die Kunst der Überhöhung & die Plausibilisierung derselben ist Robert de Niro. Eine Jahrhundert-Ikone, das Gesicht der neurotischen, banalen, hysterischen, dämonischen und alltäglichen Gewalt. In der hübschen und erfreulich wortkargen Reihe Movie Icons bei Taschen gibt es den kleinen wohlfeilen Band »De Niro«. Einfach die Bilder anschauen...

 

© Thomas Wörtche, 2009

 

« Leichenberg 02/2009       Index       Leichenberg 04/2009 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen