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Leichenberg 04/2012

 

Der Deal

Der Deal (rororo) heißt der neuen Polit-Thriller von David Ignatius, dem Washington - und Washington-Post-Insider, dessen Romane mit sehr genauen Kenntnissen der amerikanischen Geheimdienstszene brillieren. Und die geht bekanntlich die ganze Welt etwas an. So auch hier: Die Obama-Regierung misstraut der alten Central Intelligence Agency, die sich selbst genug disqualifiziert hat. Eine Art Parallel-Dienst wird aufgezogen, der noch ultrageheimer ist als andere ultrageheime Organisationen. Ihr Job: Den Krieg in Afghanistan und Pakistan nicht mehr vornehmlich mit Gewalt zu führen, sondern einfach die entscheidenden Leuten vor Ort mit Geld derart zu überhäufen, dass sie jede Lust verlieren, gegen die Hand die sie füttert, also die USA, resp. "den Westen" vorzugehen. Das hört sich clever an, ist aber angesichts der realpolitischen Situation im Jahr 2011 der nackte Irrsinn. Und tatsächlich fängt bald irgendjemand an, die Mitarbeiter des neuen Dienstes zu töten. Auch die alte CIA spielt mit, der pakistanische Geheimdienst und andere interessierte Parteien. Es geht um Geld und darum, wie man es als "Regierungsorganisation" illegal in großen Menge generieren (Stichwort: Hedgefonds) und was man davon umleiten kann. Nicht nur an den demokratischen Kontrollinstanzen vorbei, sondern in die Taschen von... Ja, lesen Sie selbst. Abgezockt, realitätstüchtig, formelfrei und sehr intelligent.

Der Frauenhändler

Unauffällig aufgemacht, ohne große Anstrengungen präsentiert Goldmann einen großartigen, kleinen Roman: Der Frauenhändler von Giorgio Faletti. Mailand, 1974, während der Entführung von Aldo Moro. Das Land kocht. "Bewaffneter Kampf", korrupte Polizei, das Organisierte Verbrechen, big business, das auf jede Art von Regulierung pfeift. Dazu, dem Zeitgeist gemäß, Sex'n Drugs und Mailänder Stil. Bravo, ein kastrierter (!) Zuhälter, steckt plötzlich im ganz großen Schlamassel, als ein paar seiner Mädchen bei einem Massaker an reichen Industriellen mit getötet werden. Was Zufall zu sein scheint, folgt einer ziemlich bösen Logik. Falettis Roman erzählt eine ziemlich abgefahrene Story von Verbrechen, Politik, üblen Zeitgenossen und einer faszinierenden Stadt. Keine nette Lektüre, sondern ein borstiger, spannender, bitter-hellsichtiger und ziemlich ausgekochter Kriminalroman.

Die Nacht des Zorns

Ach, Fred Vargas. Auch der neue Roman, Die Nacht des Zorns (Aufbau), ist - wie immer - ungeheuer liebenswert, gelehrt, verschroben, ein klein wenig abgedreht und seltsam. Bevölkert von einer netten, aber genial bekloppten Familie in der Normandie, bösen Industriellen und possierlichen Ratten in Paris, um die sich Kommissar Adamsberg und seine Kripo-Brigade aus Exzentrikern rührend resp. aufklärend kümmern. In der Normandie geht es anscheinend um traditionellen Spuk, in Paris um Großindustrie und Politik. Daneben um liebenswerte Mörder, Taubenschänder, die napoleonischen Kriege, das Landleben und allerlei andere charmant-fröhliche Petitessen mehr. Das ist ganz reizend, aber es ist auch völlig belanglos. Und nebenbei ist der Roman ein stockkonventioneller Whodunit, mit all den zutiefst ermüdenden Ritualen: Wer war wann wo und wer konnte warum was wissen oder auch nicht. Man kommt sich angesichts der überwältigenden Sympathie für Vargas und ihre tuffelknuffellieben Figuren schon wie ein Ketzer vor, aber so etwas funktioniert vielleicht ein, zweimal, dann langweilt die Masche nur noch, weil sie keinen Mehrwert bietet, weder ästhetisch noch sonst wie. Eine hübsche Nummern-Revue hübscher Ideen und ein hartleibiges Krimi-Gerüst, das auch im Golden Age funktioniert hätte.

Die Rachegöttin

Garantiert nicht im Golden Age hätten die Bücher von Christa Faust funktioniert: Die Rachegöttin (Rotbuch) ist die Fortsetzung von Hardcore Angel. Die Ex-Porno-Queen Angel Dare, die eine üble Frauenhändlerorganisation hatte auffliegen lassen, ist hier im neuen Roman auf der Flucht. Ihr Zeugenschutzprogramm war geplatzt, jetzt muss sie um ihr Leben fliehen. Und gerät durch allerlei Launen eines ungnädigen Geschicks gleich noch einer zweiten Gangsterbande in die Quere. Die Angelegenheit, die zunehmend im Milieu von Body-, Combat- und Martial Arts spielt, wird blutig, sehr blutig. Die Körper der Hauptfiguren tragen die Handlung. Sprach- und Emotionslosigkeit, Gewalt und Sex, Deformation und Impotenz, Liebe und Nähe sind die großen Themen, die Christa Faust in schrille Farben und grelle Action umsetzt. Feinster Pulp wie Pulp sein soll.

Das Sachbuch des Monats - Tim Weiner: FBI. Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (S. Fischer). 695 Seiten Grundlagenwissen, abseits alberner Verkürzungen (J. Edgar Hoover im Tutu) und vollgestopft mit wirklich beklemmenden, bekannten und einer Menge unbekannter Fakten. Standardwerk, muss man kennen, um gegen den ganzen fiktionalen Quatsch schlechter einschlägiger Krimis gefeit zu sein.

 

© Thomas Wörtche, 2012

 

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