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Leichenberg 05/1995

 

In England lebt angeblich ein Mann, der hat die Ölkrise 1973 verursacht, Beirut auf dem Gewissen, den Krieg zwischen Iran und Irak und den Afghanistan-Krieg auch. Außerdem hat er Maggie Thatcher an die Macht gebracht, nur den Kalten Krieg, den konnte er dann nicht fortsetzen. Und weil ein Meisje aus Holland hinter ihm her ist, hat der Schurke jetzt ausgespielt. Eine Sendung in der BBC, und schon liegt er in Ketten. Satire ? Aber wo - ein bierernster " Thriller" von Hanneke Wijgh mit dem Titel Tödliche Leidenschaften, veröffentlicht bei dtv. Weil das so gnadenlos ernst gemeint ist, möchte ich mich gerne mal mit dem- oder derjenigen unterhalten, der/die es wagt, diesen erbärmlichen Quatsch dem Publikum für gutes Geld verkaufen zu wollen.

Wiewohl Authentizität nicht vor schlechter Prosa schützt. Edward Bunker verdient jeden Respekt, weil er es nach einer Verbrecher-Karriere geschafft hat, im 'normalen' Leben wieder Fuß zu fassen. Sein Roman Wilder als ein Tier (rororo) ist aber leider nichts anderes als die sehr unbedarfte Umsetzung von Biographie in unbeholfenen Prosa. Und das reicht nicht. Ein Werbespruch von James Ellroy auf dem Cover wie bei Bunker bedeutet ab jetzt: Vorsicht, Finger weg. Auch eine Art Verbraucherberatung.

Es reicht aber auch nicht, eine mit allen Wassern gewaschene Belletristin zu sein. P.D. James ist jetzt seit über 30 Jahren im Geschäft und hat, lang ist's her, manchmal durchaus bewiesen daß sie schreiben kann. Hin und wieder blitzt diese Fähigkeit auch in ihrem neuen Werk Wer sein Haus auf Sünden baut (Droemer-Knaur) auf, aber im Ganzen gesehen ist der Roman ein Musterbeispiel an kompositorischer Eintönigkeit und Einfallslosigkeit. Entweder sie läßt kein Lektorat mehr zu oder selbiges seine Autorin ins Verderben rennen.

Dieselben Zweifel überkommen einen auch bei dem letzten Buch von Patricia Highsmith: ›Small g‹ eine Sommeridylle (Diogenes). Lasch, ungeschickt und ohne jede Spannung lümmelt der Text zwischen den Buchdeckeln, als ob eine blutige Anfängerin ihre ersten mißlungenen Schritte gewagt hätte. Ein Dokument des Scheiterns oder ein erster Entwurf, der noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war? Ich hätte der Großmeisterin des bösen Blicks einen besseren Abgang gegönnt.

Einen besseren Eindruck als der\~gnadenlos überschätzte Elfenbeinturmroman "Das Wittgensteinprogramm" macht das historische Berlin-Buch Feuer in Berlin  (rororo) von Philip Kerr. Er unterzieht sich immerhin der Mühe, seinem Schauplatz, Berlin 1936, ein paar originelle Ideen abzugewinnen (1989, vor Robert Harris): ein bißchen genauere Recherche hätte man sich gewünscht, und ein besseres Gespür für empfindliche Bereiche wie das KZ Dachau. Dennoch ein respektables Buch - und wenn die Deutschen nicht an das Thema wollen, dann müssen eben die Ausländer ran.

Milde und versöhnlich stimmen zwei ältere Bücher: Phoebe Atwood Taylors Dauerslapstick featuring Leonidas Witherall: Mit dem linken Bein  (DuMont); eine Serie, die nur den Nachteil hat, daß man sie höchstens in kleinen Dosen zu sich nehmen kann, weil allzuviel Geblödel auf die Dauer langweilt. Und Henry Slesars witzig-elegantes Psychodrama Hinter der Tür  (Diogenes), ein Remake von "Gaslight", mit Chuzpe und Leichtigkeit in Szene gesetzt.

In letzter Sekunde auf den Tisch gekommen: ein Meisterwerk. Der Gastprofessor  von Robert Littell (Goldmann). Sprachkraft und -witz, Intelligenz und Brillanz fügen sich federleicht zu großer Literatur.

© Thomas Wörtche

 

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