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Leichenberg 05/1999

 

Vor beinahe genau zehn Jahren (am 13. Juli 1989) starb Ulf Miehe. Nicht nur deshalb war es allerhöchste Zeit, an diesen Solitair der deutschen Nachkriegsliteratur zu erinnern, der von unseren Literary Pages nicht gerade geliebt wurde, aber dafür in den USA 200.000 Bücher verkaufen konnte (was man in dem albernen Gequieke um die "neue" deutsche Literatur auf dem amerikanischen Markt mal lieber nicht erwähnen möchte). Puma, sein zweiter Roman, ist soeben bei DuMont Noir wiederveröffentlicht worden und führt hoffentlich zu einem Miehe-Revival - das dann auch belegt, wie regressiv inzwischen der Kraut-Grimmi in seiner Durchschnittsgestalt geworden ist, und was damals (1976!) schon in diesem Genre auch hierzulande möglich war.

Was heutzutage leider alles im internationalen Mittelfeld möglich ist, zeigen zwei Produkte aus der Abteilung "Boulevard Reading": Paul Thomas' Falsche Fährte  (Manhattan by Goldmann) und Victor Davis' Tage des Verrats  (Blanvalet). Der Roman von Thomas spielt in Neuseeland, und das ist schon das Beste, was man darüber sagen kann. Er will witzig sein und bizarr und ist doch bloß albern und blöd. Leute in Tonöfen zu garen, kann unter die Rubrik "abwegige Todesarten" fallen, wenn es, wie zum Beispiel bei Carl Hiaasen, mit literarischer Verve inszeniert wird. Aber Thomas hat leider nichts zu bieten, außer dem Vergnügen an herzlosen Sprüchen und neckischen Brutalitäten. Ein zutiefst pubertäres Buch.

Vielleicht ist Victor Davis aber noch ungenießbarer. Vermutlich, weil er durchaus packende Passagen erzählen kann. So ist die indiziengestützte Einkreisung eines Scharfschützen, der gerade einen britischen Filmregisseuer beim Drachenfliegen vom Himmel geholt hat, ein beeindruckendes Stück Sachkunde. Aber das hurra-patriotische Getöse des Buchs (Right or wrong, my country!), ist, auch wenn es von meinen geliebten Briten kommt, bloß fad, öd und widerwärtig. Und wird, wie es sich gehört, bei Mr. Davis mit Orden, Geld und Karrieren belohnt.

Nichts dergleichen zu holen gibt es für Tanner, Ex-Polizist und Privatdektiv in San Francisco, allerdings im 21. Jahrhundert. Dort läßt Richard Paul Russo einen merkwürdigen Serial-Killer umgehen, den Engel der Zerstörung  (Heyne). Ein irgendwie todtrauriges Buch, weil es Passagen von großer poetischer Qualität besitzt und gleichzeitig den ganzen Quatsch (Serial-Killer & Co.) des 20. Jahrhunderts ins nächste mitschleppen muß, das zudem auch noch so aussieht, wie von Dick und Gibson schon längst ausgepinselt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß da ein talentierter Schriftsteller von interessierter Seite unter Sujet- und Location-Druck gesetzt worden ist. Und das ist furchtbar.

Streng vertraulich  hieß das erste Buch von Dennis Lehane, das Ullstein jetzt als zweites nach dem chronologisch dritten nachgeschoben hat. Damals, 1994, hatten Patrick Kenzie und Angela Gennaro, das schräge PI-Duo aus Boston ihren Urauftritt. Noch agieren sie übermäßig blutspritzend und teilweise unplausibel heroisch, aber Lehane war schon deutlich als großes Talent sichtbar, das nicht gewillt war, unbequeme Themen zu umfahren. Hier geht es um schwarze Gangs und weiße Politiker, und wenn Lehane im Eifer des Debuts hin und wieder Action allzu selbstzweckhaft in den Vordergrund spielt, so kriegt er sich erfreulicherweise doch immer wieder ein. Vielleicht war es also einmal (aber wirklich nur ausnahmsweise!) eine kluge Entscheidung, die Chronologie der Serie zu verändern.

© Thomas Wörtche

 

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