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Leichenberg 07/1998

 

Was bringt die Zukunft? Glaubt man Peter F. Hamiltons Cyber-Thriller Mindstar  (Bastei), vornehmlich krachlederne Kloppereien, Rumschmeißen mit Daten, Piff, Paff & Psi, und am Ende wird alles gut. Zumindest für den ASW-Detektiv Greg Mandel und die Seinen. Ein hochalbernes Räuber- und Gendarmspiel im postsozialistischen und globalerwärmten England, aber recht einfalls- und detailreich gepinselt und insofern was zum lustigen Wegschmökern.

Lustiges Schmökern bietet auch Schnelle Kohle  von Pete Hautman (Heyne), ein Buch voller widerwärtiger, schmieriger und obszöner Menschen, die sich allesamt überheben, wenn sie mal wirklich böse werden wollen. Also reicht's nur zu ekligen Gemeinheiten, die aber auch nicht schöner sind. Hautman inszeniert die blutige Posse aus der Provinz mit arg grimmigem Witz und deutlich im Fahrwasser von Carl Hiaasen. Ich kann mir Schlimmeres vorstellen als eine Hiaasen-Schule für amerikanische Neurosen. Hautman nimmt sich den Jagd- und Ballertrieb seiner Landsleute vor und gleichzeitig die Verheerungen, die New-Age-Fidelwipp im Sozialleben von Menschen anrichten kann.

New Age führt uns direkt zu Rudolfo Anaya. Der Geist des Koyoten  (Knaur) ist ein ärgerliches Buch. Vor allem, weil es nicht ganz schlecht ist. Anaya, der große alte Mann der Chicano-Literatur, ist dann gut, wenn er ohne Gedöns aus dem Alltagsleben der spanischsprechenden Bevölkerung von Albuquerque, New Mexico, erzählt. Wirr ist sein überkomplizierter Plot über Ballonfahrer, narcotrafficantes, CIA-Schmutzels (bis hierher okay) und irgendwelche uralten Geister, die durch die Lüfte fliegen, und Visionen und den ganzen Castaneda-Quack. Schlimm aber ist die dramaturgische Schlichtheit, mit der der Hochliterat Anaya glaubt, seinen Kriminalroman bauen zu dürfen.

Das Gegenteil von schlicht obwohl er als einfacher Privatdetektivroman daherkommt, ist James Crumleys Spätwestern: Jeder gräbt sein eigenes Grab  (Piper), der ebenfalls im Südwesten, an der mexikanisch- texanischen Grenze spielt und bei dem auch abgewickelte Hardliner der Reagan-Zeit ihre Schmutzfinger im Spiel haben. Crumley konstruiert seinen Roman, der gleichzeitig ein Aufruf zu unamerikanischen Umtrieben wie Rauchen, Saufen, Fleischessen und Kiffen ist, als Hommage ans Kino, indem er einen Roman über einen Film schreibt, ohne deshalb einen Metaroman abzuliefern und ohne daß man's von Anfang an merkt. Das ist bewundernswert elegant und gleichzeitig erfreulich handfest geraten. Und dabei auch noch sehr, sehr ironisch.

Ähnlich ironisch und vertrackt geht Masako Togawa mit den bisweilen arg schrägen sexuellen Obsessionen ihrer japanischen Landsleute um. Hierzulande ist sie fast ein No-Name, und das ist sehr schade. Trübe Wasser in Tokio  (Fischer) ist seit langen Jahren mal wieder ein neuer Titel auf Deutsch und, wie alle ihre Bücher, ein verzwicktes, fast zum Minimalismus eingedampftes, bösartiges Porträt merkwürdiger Leute.

Der Klassiker (von 1958) des Monats kommt aus Wunderlichs Billig-Reihe: Fahrstuhl zum Schafott  von Noël Calef, die Vorlage zu Louis Malles gleichnamiger film-noir-Ikone mit der genialen Musik von Miles Davis, die zumindest im deutschen Fernsehen zur meistkopierten und plagiierten Krimi-Musik überhaupt geworden ist. Die Lektüre des Romans lohnt sich allemal, weil er eine wunderbar beklemmende Studie über Hysterie ist und zudem eine Häufung wollüstig-grausamer Ironien. Schade, daß von der begnadeten Giftspritze Calef danach nichts Bedeutendes mehr kam.

© Thomas Wörtche

 

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