legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 08/2002

 

Die Hoke-Moseley-Romane von Charles Willeford gehören zum ewigen Fundus der Kriminalliteratur. Das ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Ein Beispiel für tertiären Analphabetismus ist aber, dass Thomas Hettche vor einiger Zeit einen Artikel veröffentlichen durfte, in dem er Willeford zum Geheimtipp erklärte (das ist ungefähr so, wie wenn heute jemand Jimi Hendrix entdeckt und als das Allerneueste handelt) und ohne jegliche Sachkenntnis dessen Nichtvorhandensein auf dem deutschen Buchmarkt bejammerte. Richtig war daran, dass ein paar sehr gute Romane von Willeford (die Hettche auch nicht kannte) nie auf deutsch erschienen waren. Die gruslige Folge: Statt die jetzt schnellstens unters Publikum zu bringen, geht der Alexander Verlag nochmal an die Moseley-Bücher, die, wenn auch zur Zeit vergriffen, dennoch flächendeckend bei den Leuten im Regal stehen, die schon immer Willeford-Leser sind: Also deswegen nochmal: Miami Blues (im Untertitel: Der erste Hoke-Moseley-Fall, als ob's ein Mrs.Marple-Buch wäre) jetzt wieder erhältlich. Sollten ihn tatsächlich noch ein paar Leute nicht kennen, ran an die Buletten.

Vor ein paar Jahren war mir Flashpoint Killer von Lynn S. Hightower aufgefallen. Wegen seines ungewöhnlich brillanten Einstiegs, der dann aber zunehmend verwässert wurde. Drei Romane später, mit Zahltag (Knaur), hat sie viel dazu gelernt und liefert ein klasse Buch ab. Hightower schreibt wirklich cop novels, die diesen Namen verdienen. Ohne Gedöns und ohne Gesumse, die auch nie um die Autorin gemacht wurden. Das kann man in den Zeiten des Hypes gar nicht genug loben.

Ein richtig mieser, fieser, kleiner, also rundum sympathischer, spannender und rasant gemachter Roman ist Die Falle von Douglas Kennedy (Bastei Lübbe) über eine Hinterwäldler-Sippschaft im australischen Busch. Ein utopisches Gesellschaftsmodell läuft aus dem Ruder, der schnoddrige Erzählton holt dieses hohe Thema ganz handfest auf den Boden der harten Realität. Dagegen tausche ich sofort alle Grübel-Thriller »mit Tiefgang«.

Nur Action hingegen bietet Showdown von Matthew Reilly (Ullstein). Was heisst hier nur Action? Das muss man erst mal können - eine schwachsinnige Story (netter Doktor nebst Töchterlein muss sich mit allerlei ausserdirdischem Viehzeug prügeln) so rasant und rasend inszenieren, dass man keine Sekunde daran denkt, das Buch aus der Hand zu legen. Und das bei vierzig Grad im Schatten. Chapeau!

Parallelweltlerisches Viehzeug ist leider wieder die Achillesferse bei Stephen King. Hier in dem Megawhopper Das schwarze Haus (Heyne), den King gemeinsam mit Peter Straub zusammengehämmert hat. Das Buch schwankt so zwischen Genialität und Blödigkeit, dass man zwischen Toben und Loben feststeckt. Das Eingangskapitel, zum Beispiel, zitiert virtuos Kubricks Kamerafahrt am Anfang von Shining und gewinnt zunehmend an Tiefe und Beschreibungsstärke; die Figuren, die Straub und King bauen, sind hochgradig einfallsreich, aufregend und stimmig; die Story, die Jagd nach einem Kindermörder namens Fisherman, wäre klasse, wenn, ja, eben, wenn nicht dauernd die dämliche Parallelwelt als Fluchtraum herumlungern müsste. Scheusale sind nun mal leider sehr diesseitige Gesellen.

Auch in Zeiten der Hitze (oder gerade dann) der Simenon des Monats: Betty (Diogenes). Eines von Simenons berühmtesten Menschen-Porträts mit Mord, dessen Dimensionen, Erzähltechnik und -ökonomie nochmal leicht drei Generationen Exegeten beschäftigen können.

 

© Thomas Wörtche, 2002

 

« Leichenberg 07/2002 zurück zum Index Leichenberg 09/2002 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen