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Leichenberg 10/1995

 

Es ist merkwürdig, daß ausgerechnet in dem Moment, wo Thriller und Kriminalliteratur den deutschen Markt nicht gerade mit berauschend neuen oder aufregenden Konzepten überschütten, sich in Beilagen, Specials und Feuilletons "Krimis" breitmachen. Dieser mediale Aufwind bringt Merkwürdiges hervor: Die Beutemacher  von Bill Brannon (Heyne) zum Beispiel. Man kann anscheinend 39,80 DM für etwas verlangen, was früher als "juicy", als Heftchenroman durchaus seinen legitimen Platz gehabt hätte. Achtzig Pfennig weniger, nämlich glatte 39,00 DM kann sich Diogenes trauen, von den Käufern einzuziehen: Für den Klassiker "The Beast Must Die" von Nicholas Blake (1938), auf deutsch als "Das Biest" erschienen bei Ullstein und Goldmann (1959, 1968 und 1980) und zuerst im Nürnberger Nest-Verlag 1953 in der Übersetzung von Eberhard Gauhe, also genau in der Ausgabe, in der der grandiose Romane jetzt als Mein Verbrechen  vorliegt, wobei auf dem Rückentext verkündet wird, Chabrol habe den Roman unter dem Titel "Das Biest muß sterben" verfilmt.

Rowohlt kann sich trauen, unter dem Titel Steckbriefe. Eine Krimi-Kartei von A - Z  von Rudi Kost und Thomas Klingenmaier eine schlecht aktualisierte Sammlung der "Schwarzen-Beute"-Garnituren auf den Markt zu werfen. Achtung: Zum Nachschlagen ist das Werk nicht zu benutzen. Z.B: Der nicht-existierende Jean-Pierre Manchette (gemeint ist vermutlich Jean-Patrick Manchette) lebt anscheinend noch, Detlef, nicht D.B. Blettenberg, lebt überall, nur nicht in Berlin, die bibliographischen Hinweise für Rowohlt-Autoren sind aktualisiert, die von Autoren mit anderen Verlagen nicht unbedingt (Joseph Wambaugh hat anscheinend 1987 aufgehört zu schreiben) usw.usw. Die abenteuerliche Auswahl und die dito Kommentare muß man gor net erst ignorieren.

Ganz schön gewagt auch der Haffmans Verlag. Hätte er Hafen der Düfte  oder Die Letzten Tage von Hongkong  nicht verlegt, hätte man Harold Nebenzal als Verfasser des vorzüglichen Romans Café Berlin  in Erinnerung behalten und nicht als jemanden, der anscheinend auch Sex- & Gewalt-Heftchen im Exotik-Design verfaßt.

Was man alles mit dem Schauplatz Hongkong anfangen kann, zeigt einmal mehr William Marshall: Die Ehre der Kämpfer  (Rotbuch) - ein weiteres grandioses, komisches, verwirrendes und virtuoses Glanzstück aus der Yellow thread-Street-Serie. Warum allerdings der Verlag nicht alles daran setzt (und das schon seit Jahren), das Gesamtwerk von Marshall, der für die Entwicklung des Kriminalromans unendlich relevant ist, auf dem deutschen Markt durchzusetzen, aber pronto, erklärt sich wohl daraus, daß man im Hause Rotbuch unverbindliche Märchenbücher aus der beschaulich-miefigen Welt der Akademe doch viel lieber mag: Bei Tagung Mord  von D.J.H. Jones ist das entsprechend trutschige US-amerikanische Gegenstück zu den diversen Belanglosigkeiten aus deutschen Federn, die der Rotbuch-Reihe endgültig zur Bedeutungslosigkeit verholfen haben.

Still und bescheiden im Knaur-Taschenbuchprogramm versteckt, ein stiller, bescheidener und dabei sehr bemerkenswerter Roman von Eric Sauter: Der Mörder mit der Elvismaske , ein solides, plausibles Buch über echte Menschen. Empfehlenswert.

Sogar sehr empfehlenswert Schlafende Hunde  von Thomas Perry (Goldmann); ein bitterböses Buch über die historische Verspätung von Killern, Altmafiosi und ähnlichen Figuren und Literatur, die immer noch mit ihnen spielen will. Vertrackt genial.

© Thomas Wörtche

 

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