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Leichenberg 12/1994

 

Die "International Crime Writers Association" war für ein paar kurze Jahre eine spannende Organsiation. Sie konnte Autoren wie Ross Thomas, Roger L. Simon, Masako Togawa, Donald Westlake oder Lawrence Block mobilisieren, ihre Treffen glichen einem Who's Who der internationalen Kriminalliteratur. Spätestens nachdem Paco Taibo die Präsidentschaft niedergelegt hatte, ist die ICWA von Funktionären, Nullen und Nichtsen zum Interessenverband literarischer. Nobodys heruntergewirtschaftet worden. Zu welchen Peinlichkeiten das führt, zeigt sehr schön die Anthologie Weltkrimis. Krimiwelten , die H.Anderle und J.Alberts im Eisbär Verlag "zugunsten" der ICWA herausgegeben haben. Außer ein paar vernünftigen Texte (von denen die wenigstens Originale sind) hat die Präsentation des Genres mit dem Zusammenkleben von unsäglichen Texten aus deutschen Federn einen Tiefpunkt erreicht. Schlimmer geht's nimmer. Fatal für einen guten Autor wie Gerhard Neumann, in solcher Gesellschaft präsentiert, und dann auch noch bei den Autorenstichworten vergessen zu werden. Der ärgste Feind von Literatur ist immer noch schlechte Literatur, und wer die propagieren will - bitte schön.

Reden wir von guter Literatur: Von Ed McBains neuem Roman Graffiti  zum Beispiel, der gerade bei Bastei erschienen ist, wo man sogar eine Neuausgabe aller Romane um das 87. Revier verspricht. Mir ist es nach wie vor ein Rätsel, wie jemand so viel, so schnell und dabei so dauerhaft gut schreiben kann, wie McBain das nunmehr seit Jahrzehnten vorexerziert.

Qualitative Beständigkeit ist auch eine Tugend des Südafrikaners Alan Scholefield, früher eher als Verfasser von Politthrillern und Abenteuerromanen einer der ersten Namen. Bis aufs Blut gequält  (mal wieder ein Totschlagetitel, im Original heißt das Buch "Threats & Menaces" - denkt eigentlich bei rororo niemand darüber nach, wieviele Leute ein Buch wegen eines billigen Reißer-Titels nicht kaufen?) ist der nunmehr vierte Teil einer Polizeiserie aus London, die spannend, unspektakulär, komisch und wunderbar ökonomisch erzählt.

Mit der Ökonomie des Erzählens haperts noch ein bißchen bei Craig Smith, aber Maggies Masche  (Goldmann) ist ob des sehr genauen und deswegen sehr bösen Blicks in die Seelen seiner Protagonisten ein durchaus erfreuliches Buch aus der Chronik der alltäglichen Niedertracht. Wir werden sehen, ob Smith demnächst mehr zu bieten hat.

Eine Frage, die sich bei einem der kontinuierlich unterschätzten Autoren dieser Welt eigentlich nie stellt: bei Brian Moore. Es gibt kein anderes Leben  (Diogenes) heißt sein skeptischer Blick auf die Tragödie in der Karibik. Man darf bei der Insel, die Moore als Modell annimmt, durchaus an Haiti denken, muß es aber nicht, weil er, ähnlich wie Eric Ambler in "Doktor Frigo" eine Fallstudie durchspielt, die für die ganze Region gültig ist. Den Vatikan wird's nicht freuen, umsoweniger, als man Moores luzide Prosa auch vom ästhetischen Standpunkt aus nicht marginalisieren kann.

Zum Schluß wieder ein Blick zurück in Bewunderung: Zu Cyril Hare und der Kunst des "klassischen" Whodunnits. 1938 erschien Der Tod ist nicht fair  zuerst, jetzt liegt der Roman vollständig und anständig übersetzt bei Diogenes vor. Ein Musterbeispiel, welch Vergnügen die wuchernden Schlingwege dieses Typs bereiten, wenn der Autor sich von jeder anderweitigen Prätention und Ambition fernhält.

© Thomas Wörtche

 

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