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Wörtches Crime Watch 07/2005

 

Gisbert Haefs: Das Schwert von Karthago

 

Das Schwert von Karthago Polit-Thriller sind ein bisschen in den Ruf geraten, Produkte des Kalten Kriegs zu sein. Vermutlich weil zu dessen Zeiten ein paar ihrer feinsten Exemplare erschienen sind - von John Le Carré, Graham Greene, Eric Ambler, Robert Littell, Len Deighton, Brian Freemantle oder Ross Thomas. Mit der traurig ironischen Pointe, dass mit dem Ende der damaligen Blöcke alle diese Autoren wenn nicht in Mißkredit, so doch immerhin in die Marginalisierung gerutscht sind. Egal, ob sie tatsächlich nur Geschichten aus dem Kalten Krieg erzählt haben oder nicht. De facto stimmt ersteres nämlich gar nicht - Greene, Le Carré, Ambler oder Thomas haben auch ausserhalb dieses thematischen Rahmens große Literatur vorgelegt.

Betrachtet man aber die Machart dieser Thriller genauer, dann wird man auf eine andere Vermutung gestossen: Sie sind durchweg hochintelligent gemacht, sie erklären dem Publikum wenig, sie setzen einen gewissen Wissensstand, ja, doch: Bildung voraus. Ihr Erzählen ist eher andeutend denn didaktisch, ihr Humor wenig schlicht und ausgefuchst, abgebrüht und lebenserfahren. Sie bedienen keine einfachen Weltbilder, hantieren nicht dual mit gut und böse und stellen sich unschönen Realien, die nicht ins Bild der offiziellen Verlautbarungen passen. Sie sind sozusagen hochauflösend, und nicht plakativ, nicht gemütlich, sondern eher eisig, gerade da, wo sie notfalls radikal engagiert sind. Sie rufen zu Skepsis und produktiver Paranoia auf, zum Selberdenken gar und nicht primär zum reinen Konsum. Sie haben dennoch einen hohen Unterhaltungswert, aber nicht für lau. Und sie haben die Chuzpe, inmitten all des Elends der Welt elegante und analytische Gedanken-Spiele zu treiben.

Wie wenig das mit dem weltpolitischen Spezifikum Kalter Krieg ästhetisch zu tun hat, zeigt Gisbert Haefs' »Das Schwert von Karthago« - ein lupenreiner Polit-Thriller, der im Jahr 229 v. Chr. spielt. Also zwischen dem Ersten und dem Zweiten Punischen Krieg zwischen Rom und Karthago. Nicht jeder machtpolitische Antagonismus ist eine Präfiguration des Kalten Krieges, um diesen Einwand gleich mitzudenken; aber das Szenario ist eine riesige Spielwiese für allerlei Exerzitien über die Wege menschlichen Geistes.

Bomilkar, der Sicherheitschef von Qart Hadasht, hat ein kniffliges Problem. Mitten im Wahlkampf für einen neuen Rat der Dreihundert geschehen seltsame Dinge in Karthago, das von zwei verfeindeten Parteien beherrscht wird: Die »Alten« versus die »Neuen«. Die »Neuen« sind die Barkiden, also die Familie, aus der der später so berühmte Hannibal stammt, und die den finalen Konflikt mit Rom als unausweichlich ansehen; die »Alten«, bei Haefs repräsentiert durch einen gewissen Hanno setzen hingegen auf Appeasement, um ihre Handelsinteressen in Fehleinschätzung der fundamentalaggressiven römischen Politik zu schützen. Morde geschehen, die verbündeten Numidier proben den Aufstand, ein symbolkräftiges Schwert wird nach Iberien entführt, um die Barkiden, die dort eine zweite wirtschaftliche und militärische Basis aufbauen, zu destabilisieren. Bomilkar und seine Stadtwächter, die nur bedingt vertrauenswürdig sind, sehen sich einem Wust von Ablenkungen, Täuschungen, Tricks und Manipulationen ausgesetzt, die Haefs mit verblüffender Virtuosität und gestützt auf feinste historische Kenntnisse geradezu wollüstig aufbaut. Durchsetzt wie immer bei ihm mit erfreulichsten Grobianismen, Gelagen, Gemetzel und Gesängen, die aus dem Marmor der Antike Fleisch und Blut machen. Dass ausgerechnet ein Römer, Laetilius, den wir schon aus dem Roman »Das Gold von Karthago« kennen, Bomilkars bester Freund ist und dennoch knallhart römische Machtinteressen vertritt, trägt zur vergnüglichen Verwirrung bei. Die Schlußpointe schließlich ist Realpolitik on the rocks, staubtrocken und gemein.

Inmitten des ganzen pseudohistorischen Krimiunwesens, das uns den letzten Jahren so oft geärgert hat, stechen die Romane von Haefs regelmässig weit hervor. Weil sie nicht einfach neuzeitliche Formeln nun auch an allen möglichen Perioden der Weltgeschichte durchdeklinieren, sondern weil er die historischen Gegebenheiten ernst nimmt, und darauf die ästhetische und intellektuelle Spielfreude eines ganzen Genres entzündet. Eines Genres, dessen ästhetisch-analytische Potentiale in letzter Zeit viel zu sehr »dem Markt« und seinem Hang zur Schlichtheit geopfert worden sind. Die aber dennoch eine viel nachhaltigere Zukunft haben. Deswegen kann man gar nicht genug auf Haefs und seine nicht durch die römische Brille gesehene Antike hinweisen.

Gisbert Haefs: Das Schwert von Karthago. München: Heyne, 2005, 352 Seiten, 19.50 Euro (D)

 

© Thomas Wörtche, 2005

 

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