kaliber .38 - krimis im internet

 

Krimi-(Vor-)Auslese 02/2020

 

American Hero Das ist 'n Ding - Larry Beinhart ist wieder da! Der Frankfurter Westend Verlag wagt sich an eine Neuausgabe des Klassikers American Hero von 1993, der unter dem Titel »Wag the Dog« in Starbesetzung verfilmt wurde. Es ist die Zeit der Präsidentschaft von George H. W. Bush (das war der Ältere), der - im Roman / Film -, angeschlagen von einem Sex-Skandal, um seine Wiederwahl fürchten muss. Hilfe verspricht ein Notfallplan, den sein genialer Berater Lee Atwater auf dem Sterbebett entwickelt hat: Das Drehbuch zu einem kleinen, sauber designtem Krieg mit glasklaren Fronten zwischen Gut und Böse, der in Hollywood inszeniert wird. Beinharts kapitale Polit-Satire - mit unzähligen Anmerkungen in Fußnoten versehen, die zum Teil auf Tatsachen verweisen, zum Teil wieder rein fiktiv und damit Bestandteil der Narration sind - fügt sich prima in die aktuelle Debatte um Fakenews und "alternative Wahrheiten". Ob die Neuausgabe nach einem Vierteljahrhundert wirklich reüssiert, muss man sehen: Colin Powell hat »American Hero« schon 2003 überholt und gezeigt, dass schon eine kurze Powerpoint-Präsentation vor den Vereinten Nationen reicht, um mit der Welt Schlitten zu fahren. Wir drücken dem Verlag und dem Autor die Daumen!

 

Shalom Berlin Shalom Berlin (Piper) heisst der neue Roman des österreichischen Schriftstellers Michael Wallner, der Auftakt zu einer Berlin-Krimiserie sein soll. Ermittler ist Alain Liebermann, Leiter einer Berliner Spezialeinheit und Spezialist für Terrorbekämpfung - und Mitglied einer großen jüdischen Familie. "Aktuell, aufwühlend, fesselnd", so verspricht es der Piper Verlag, sei Liebermanns erster Fall um Antisemitismus, Angst und Gewalt. Schön, dass sich auch die Kriminalliteratur des unapptetitlichen Themas Antisemitismus annimmt und von Michael Wallner - auch als Theaterregisseur und Schauspieler aktiv - versprechen wir uns einen mehrdimensionalen Text. Den Namen der Hauptfigur, Alain Liebermann, interpretieren wir als literarische Verbeugung vor Stuart Kaminsky, dessen jüdischer Chicago-Cop Abe Lieberman zwischen 1991 und 2007 in zehn Romanen ermittelte. Apropos - "Kalt wie Gold" von Marcel Montecino könnte man mal wieder auflegen...

 

Die Coachin

Capitalism kills: In Frankreich endete im Dezember ein Prozess gegen mehrere Ex-Télécom-Manager mit Haft- und Geldstrafen. Die Manager wurden schuldig gesprochen, zur Restrukturierung des Unternehmens ein System der Einschüchterung und Angst unterhalten zu haben, dem sich neunzehn (!) Mitarbeiter nur durch Selbsttötung, zwölf (!) weitere durch Selbstmordversuch zu entziehen wussten. Vor diesem zynischen Hintergrund spielt der Wirtschaftsthriller Die Coachin von Nicolas Verdan (Lenos Verlag, aus dem Französischen von Hilde Fieguth). Eine Frau, als Coachin für Führungspersonal tätig, entwickelt einen ausgeklügelten Plan, um den Suizid ihres Bruders zu rächen. Da sie die Schuld dem Arbeitgeber des Bruders wähnt, der Schweizer Post, wird sie Beraterin eines der Topmanager und versucht, ihn beruflich wie psychisch fertigzumachen. Doch Rache ist nicht nur süß - Nicolas Verdan, so lesen wir in der Ankündigung, zeigt "den Rachefeldzug einer ehrgeizigen Frau, die schließlich von ihrer sozialen Herkunft und von verdrängten Schuldgefühlen eingeholt wird. Die Rache wird zum Bumerang und trifft sie selbst. Ein zynischer Roman noir und eine Anklage an die Gewalt des Neoliberalismus.". Na also! 21.00 Euro für ein Softcover sind ein stolzer Preis, aber irgendwie müssen wir im Neoliberalismus ja alle überleben...

 

Long Bright River Erfreulich realitätstüchtig wohl auch Long Bright River der amerikanischen Autorin Liz Moore (Verlag C.H. Beck, übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann). Der Roman erzählt von zwei einst unzertrennlichen Zwillingsschwestern aus Philadelphia, die sich über lange Jahre hinweg voneinander entfremdet haben. Die eine steckt tief im Sumpf aus Drogen und Prostitution, die andere hingegen ist Polizistin geworden und wacht insgeheim über das Schicksal ihrer Schwester - bis eine Reihe von Morden an jungen Prostituierten die Stadt erschüttert und die gefallene Schwester vermisst wird. In Rückblenden erzählt der Roman vom Drama einer Familie und beleuchtet den tragischen Weg der Schwestern, die aus dem gleichen Nest gefallen sind und dennoch derart divergierenden Lebensläufen gefolgt sind.

 

Die Coachin

Schließlich - Louise Penny wird seit langen Jahren im angloamerikanischen Raum mit Preisen geradezu überschüttet, war aber bei uns nach ein paar Ausgaben bei Limes und Blanvalet vom Markt verschwunden. Jetzt hat die kanadische Autorin im Kampa Verlag eine neue verlegerische Heimat gefunden. Neu in den Buchhandlungen ist Das verlassene Haus (aus dem kanadischen Englisch von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck), der dritte Fall für Armand Gamache, Inspector der Sûreté du Québec, der früher unter dem Titel »Der grausame Monat« erschienen war. Der Krimi spielt im idyllischen Küstenörtchen Three Pines, indem sich "schlimme Dinge" zugetragen haben: "ein Mord, eine Entführung und noch ein versuchter Mord.". Gewiss kein Stoff, der die Herzkranzgefäße gefährdet - wir stellen uns ein auf handwerklich gut gemachte, klassische Krimi-Unterhaltung.

 

Viele weitere Anregungen finden Sie in den Neuerscheinungen Februar 2020.

 

© j.c.schmidt, 2020

 

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