kaliber .38 - krimis im internet

 

Krimi-(Vor-)Auslese 09/2020

 

Jaguar Au ja! - ein "packender Agenten-Thriller um einen internationalen Rachefeldzug" von Max Bronski. Jaguar heisst der druckfrische Roman (Droemer). Bronski, der u.a. mit einer sechsbändigen Krimi-Reihe um den Antiquitätenhändler Wilhelm Gossec bekannt wurde, verlässt seinen üblichen Schauplatz München - und spannt einen Erzählbogen um die halbe Welt, der von den späten 1980er Jahren bis in die 10er Jahre unseres Jahrhunderts reicht. Kern des Stoffes ist das amerikanische Wirken in Mittelamerika (hier vor allem El Salvador). Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der in den Fänge der CIA gerät und sich Jahre später an seinen Peinigern rächt, die mittlerweile quer in der ganzen Welt verstreut leben. Wenn Sie dazu was auf die Ohren haben möchten: Der bayerische "Bluespoet" Schorsch Hampel hat zu Bronskis Roman einen Soundtrack geschrieben. Die CD (oder auch Playlist etwa bei Spotify) hat ebenfalls den Namen "Jaguar". Feine Musik mit ein paar netten Zitaten (erkennen wir da die "Halunken" von Morricone oder liegt's an den Pillen?), auch wenn zu von Ry Cooders "Paris, Texas" noch ein paar Meter fehlen. Ich bin mal gespannt, ob - und wie - sich Text und Musik zusammentun.

 

Stadt, Land, Raub Beim Stichwort "Fargo" denkt man natürlich an den gleichnamigen Film der Coen-Brüder (und die fantastische Schauspielerin Frances McDormand, die für ihre Rolle als hochschwangere Polizistin Marge Gunderson mit dem Oscar ausgezeichnet wurde). Dicht dran - örtlich wie atmosphärisch - ist der Roman Stadt, Land, Raub von Marcie Rendon, der ebenfalls zwischen Fargo und Minneapolis spielt, in der leeren Mitte Amerikas (Argument Verlag, dt. von Jonas Jakob). Wir springen zurück in die frühen 70er Jahre: Die junge indianische Landarbeiterin Cash heisst eigentlich Renee Blackbear, aber mit diesem Namen wird sie nicht angesprochen. Cash fährt am liebsten Rübenlaster und schwere Traktoren durchs Red River Valley, und sie spielt verdammt gut Billiard. Auch wenn sie jetzt studiert, fühlt sie sich in der harten ländlichen Arbeitswelt wohler als in der weißen College-Welt. Cash bleibt Einzelgängerin, und als ein weißes College-Mädchen verschwindet, lässt sie die Sache kalt. Aber Sheriff Wheaton, der sie als Dreijährige aus dem Autowrack ihrer Mutter zog, erzählt Cash von White Slavery, von Mädchenhändlern, und bittet sie, die Augen offen zu halten. Doch erst als blonde und um Hilfe rufenden Mädchen Cashs Träume bevölkern, weiß sie, dass die Sache ernst ist. Cash, die hier nach dem Debüt "Am roten Fluss" von 2017 ihren zweiten Auftritt hat, ist eine spannende Protagonistin, tough und unabhängig. Schön, dass die Autorin Marcie Rendon an ihrer Geschichte weiterstrickt. Wir freuen uns auf eine gelungene Mischung aus Krimi und Country-Ballade.

 

Niewetow Remakes sind im Filmbusiness nichts Außergewöhliches, in der Literatur aber schon. Allein deshalb lohnt sich ein Blick in Karsten Stegemanns Roman Niewetow (Edition Nautilus). Das Buch ist ein literarisches Remake des Klassikers "Der Tod ist ein einsames Geschäft" von Ray Bradbury aus dem Jahre 1985. Bradburys Buch spielt im kalifornischen Venice im Jahre 1949, in der Umbruchszeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Stegemann hat die Handlung verlegt in das neblige, ostdeutsche Inselstädtchen Niewetow. "Niewetow" heisst es in der Leseprobe, "war in jenen Jahren der ideale Ort für Leute, die gern traurig sind." Und weiter: "Beinahe jeden Abend hing Nebel über der Stadt auf der Insel, vor deren Küste die Reste der Kriegsmarine einer untergegangenen Armee vor sich hinrosteten, das trübe Brackwasser des Stromes schwappte gegen die Hafenmauern, und Sandkörner prasselten an die Fensterscheiben, wenn der Wind über verlassene Plätze und durch leere Straßen pfiff.". I love it! Und eine schöne Gelegenheit, sich vielleicht mal wieder mit Ray Bradbury zu beschäftigen...

 

Die Stadt der Geheimnisse Mm, das ist unangenehm: Durchgeflutscht ist mir ein Text vom großen Stewart O'Nan, dazu noch ein richtig guter: Die Stadt der Geheimnisse (Rowohlt, aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel) spielt in Jerusalem im Jahre 1947, kurz vor der Staatsgründung Israels, als Palästina noch britisches Protektorat war. O'Nan erzählt die Geschichte des lettischen Juden Jossi Brand, der als einziger seiner Familie den Holocaust überlebt, nach dem Krieg in einem Schiff nach Palästina übersetzt und sich in Jerusalem als Taxifahrer durchschlägt. Jossi fährt wohlhabende Touristen zu den Sehenswürdigkeiten - und Kämpfer der zionistischen Sache zu Anschlagsorten. Er will dazugehören zum kämpfenden Untergrund und bleibt doch immer außen vor. Trost sucht er in seinen einsamen Nächten in den Armen der Prostituierte Eva, wie Jossi Holocaust-Überlebende und an Geist und Körper lädiert. O'Nan beherrscht die große Kunst, mit ein paar Federstrichen im Kopf des Lesers ganze Gemälde entstehen zu lassen und führt seine Figuren, die in ungemein komplizierten Zeiten versuchen, das Richtige zu tun, souverän durch einen spannenden Roman. Beeindruckend, was Stewart O'Nan auf gerade 220 Seiten unterbringt!

 

Viele weitere Anregungen finden Sie in den Neuerscheinungen September 2020.

 

© j.c.schmidt, 2020

 

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