kaliber .38 - krimis im internet

 

Krimi-(Vor-)Auslese 10/2019

 

Ein Schuss ins Blaue Wie schön - Neues von Franz Dobler! Ein Schuss ins Blaue (Tropen) heisst der dritte Roman um den Ex-Polizisten Robert Fallner, der mittlerweile für die Security-Firma seines Bruders arbeitet. Mit seinem jüdischen Partner Landmann soll Fallner einen islamistischen Attentäter in München aufspüren, auf den ein Kopfgeld in Höhe von zwei Million Euro ausgesetzt ist. "Sie standen vor der Kirche und warteten auf nichts.", lautet der feine erste Satz, der gleich alle Sensoren aktiviert (nach einem nicht minder schönen Motto von Danny Dziuk). Dobler mit Chandler, Thompson und anderen Heroen der Kriminalliteratur zu vergleichen, kann man machen, bringt aber nicht so viel - das Besondere an Dobler ist, dass er schreibt wie Dobler - realitätstüchtige (München-) Romane mit profunder Kenntnis von Kultur und Subkultur und ganz eigenem Sound.

 

Hotel Cartagena Wie schön - Neues auch von Simone Buchholz: Hotel Cartagena (Suhrkamp), so der Titel des druckfrischen neunten Kriminalromans um die Hamburger Staatsanwältin Chastity Riley, die auf der Geburtstagsfeier in einer Hotelbar in eine Geiselnahme gerät. Buchholz begeistert mit ihren punktgenau erzählten, eher schlanken Romanen (hier: 228 Seiten) aus und über St. Pauli. Wie schon in dem vorherigen Roman Mexikoring, der zum Teil in Bremen spielte und einen erzählerischen Bogen bis in den Nahen Osten spannte, wagt sich Simone Buchholz auch diesmal über ihren angestammten, kneipenrauchigen St. Pauli-Kosmos hinaus - ein Strang des Romans führt zurück in die 80er Jahre, nach Cartagena in Kolumbien.

 

Bitterer Zorn Und sonst? Neues auch von Norbert Horst: Bitterer Zorn heisst der vierte Krimi um den Dortmunder Kommissar Steiger, der eigentlich Thomas Adam heisst. Steiger hat gleich mehrere Felder zu bestellen - er ist mit Vermisstenfällen konfrontiert, muss ein entflohenes Mitglied einer Einbrecherbande stellen und einem Hinweis nachgehen, wonach das Kind eines Mafia-Clan entführt wurde. Horst, selbst Polizist im bürgerlichen Leben, verfügt über intime Kenntnis der Polizeiabläufe und hat ein feines Ohr für Sprache sowohl der Figuren als auch der Dienststellen.

 

Rubicon Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die NDW-Postpunk-Spaßpop-Kombo Extrabreit. Deren Front-Mann Kai Havaii ist seit Jahrzehnten in der Musik- und Kunstszene aktiv und hat gewiss eine Menge zu erzählen. Ob's für einen Thriller reicht, muss man schauen - Rubicon so der Titel des Werks erzählt von einem Scharfschützen, der nach seiner Rückkehr aus dem Afghanistan-Krieg zu einem Auftragsmörder mutiert. "Spannend, aktuell und hochemotional - ein Ereignis", schreibt der Verlag Rütten & Loening. Na dann...

 

Die Mörder der Queen Historischen Romanen begegne ich mit Skepsis, aber zwei Krimis über das Viktorianische Zeitalter fallen ins Auge: Von David Morrell stammt Die Mörder der Queen (Knaur), sein zweiter Roman um Detective Inspector Sean Ryan und seinen Freund, den berühmten englischen Schriftsteller, Journalisten und Opium-Konsumenten Thomas De Quincey, der 1855 vor dem Hintergrund des wütenden Krimkrieges in London spielt. Auch spannend - Die Frau in der Themse von Steven Price (Diogenes), ein opulentes, mehr als 900 Seiten umfassendes Werk um eine schöne gesetzlose Frau, den berühmten Detektiv William Pinkerton und einen Gentleman-Dieb mit Witz und Chuzpe. Price's Roman erzählt von einer lebenslangen Besessenheit und einer atemlose Jagd, die von London über Südafrika bis zwischen die Fronten des Amerikanischen Bürgerkrieg führt. Das verspricht pralles Erzählen - ein Buch, das vielleicht an den grandiosen Roman Die sieben Leben des Arthur Bowman von Antonin Varenne erinnert.

 

Rubicon Noch mehr Historisches, hier vom Italiener Giancarlo De Cataldo: Der Agent des Chaos (Folio) ist ein Vexierspiel aus Realität und Fiktion und beschäftigt sich mit der brisanten Konstellation von Woodstock, CIA und LSD. Nee, keine Angst - Giancarlo De Cataldo gehört zu den spannendsten und wichtigsten politischen Autoren in Europa, hier kann man deutlich mehr erwarten als ein kleines Büchlein im Fahrwasser des 50-jährigen Woodstock-Jubiläums.

Graveyard Love Schließlich noch Scott Adlerbergs Roman um einen erfolglosen New Yorker Schriftsteller, der mit seiner Mutter in einem viktorianischen Haus an einem alten Friedhof lebt. Das Werk trägt den schönen deutschen Titel Graveyard Love und wird vom Verlag ars vivendi beschrieben als "literarischer Psychothriller in der Tradition von Edgar Allan Poe, Cornell Woolrich und Patricia Highsmith". Das Cover ist toll designt , auch wenn's nicht so recht zu einem psychologischen Roman um eine komplizierte Mutter-Sohn-Beziehung in viktorianischer Friedhofsnähe zu Woolrich passen will. Ach komm! Übersetzt von Jürgen Bürger, das reicht allemal für eine Lese-Empfehlung!

 

Viele weitere Anregungen finden Sie in den Neuerscheinungen Oktober 2019.

 

© j.c.schmidt, 2019

 

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