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Willkommen in den Illusionen!

Über Stan Jones' Roman »Gefrorene Sonne«

 

Gefrorene Sonne Alaska, würde man meinen, ist nicht unbedingt der Ort, an dem man seine Ferien verbringen möchte. Stan Jones aus Anchorage belehrt Sie eines besseren: In seinen Romanen um den Alaska State Trooper Nathan Active beschreibt Jones das unwirtliche Leben zwischen Permafrost und Dauerregen so anschaulich, dass man am liebsten sofort seinen Strandurlaub gegen ein Ticket nach Anchorage eintauschen möchte.

In Jones' neuem Roman »Gefrorene Sonne« begibt sich Nathan Active auf die Jagd nach einem Phantom - und droht schließlich im tiefen Sumpf einer Familiengeschichte zu versinken: Die Pastorentochter Grace Palmer, einst vom Gemüt (und Aussehen) einer strahlenden Sonne, ist seit mittlerweile zehn Jahren verschwunden. Ihr Vater Jaron Palmer wähnt sie - so sie denn überhaupt noch lebt - in den Abdachlosen-Asylen der Großstadt Anchorage und bittet Nathan, Grace zu suchen: Er selbst habe mit seiner Tochter abgeschlossen, aber seine Frau, vom Krebs zerfressen, möchte sich vor ihrem Tod mit der Tochter versöhnen.

Ermittlungen in Anchorage gehören nicht zu den Aufgaben des Troopers aus der Kleinstadt Chukchi. Doch das Schicksal des "gefallenen Engels" geht Nathan nicht aus dem Kopf: Eine günstige Gelegenheit bietet sich, als Nathans Vorgesetzter ihn zu einer Computer-Schulung nach Anchorage schickt. Nur mit einem alten Foto als Anhaltspunkt, stellt der junge Trooper nach seinen Seminaren Nachforschungen an. Im Archiv mit den ungeklärten Todesfällen stößt Active auf eine unidentifizierte Leiche, bei der es sich um die vermisste Grace Palmer handeln könnte: Auf einem Foto der Frau, die von einem Schneeplug getötet worden war, entdeckt Active eine winzige Tätowierung: die Buchstaben G und P.

Seine Suche führt ihn weiter in die verkommenen Rotlichtbars und verrauchten Bingohallen, und fördert schließlich einen neuen Namen zu Tage: Angie Ramos - die einzige Person, der Grace Palmer in Anchorage vertraut haben soll. Doch Angie zu finden ist um keinen Deut leichter als die vermisste Pfarrerstochter aus Chukchi aufzuspüren.

Stan Jones erlaubt sich mit seiner Figur - und seinem Leser - ein brilliant-perfides Spiel: Er pflanzt Nathan Active eine Schimäre in den Kopf, die sich zunehmend ausbreitet und immer mehr Schichten des Gehirns blockiert. Ein verschwommenes Bild wird zu einer Obsession - "Willkommen in den Illusionen!", wie es dreifach-sinnig heißt. Die Handlung hält Jones am Kochen mit einer unidentifizierten Leiche, deren Todesumstände ungeklärt sind: Unfall oder Mord? Gibt es für den Polizisten Nathan Active überhaupt einen Fall, oder rennt er nur seinen eigenen deliranten Visionen hinterher? Nathan Active - und der Leser - zupft an einem "Knäuel von Geheimnissen", und hält schließlich einen Faden in der Hand, von dem er nicht den blassesten Schimmer hat, wohin er führt.

Stan Jones ist ein begnadeter Erzähler und großartiger Handwerker: Er hat ein gutes Gespür für Dialoge, zeichnet seine Figuren einzigartig, ohne in Ethno-Kitsch zu verfallen. Mit schlichten aber wohlüberlegten Mitteln erzeugt Jones Spannung - indem er z.B. kleine Fetzen direkter Rede in den Erzählstrom einspinnt: "Und, achso, ja, hatte Dennis hinzugefügt...". Wohl dem, der einen Übersetzer hat, der das zu konvertieren versteht.

Inhaltlich bewegt sich Jones auf glattem Parkett: Manchmal kommt er dabei ins Wallandern (oben in Dutch Harbour, aber das mag am Regen liegen), rutscht aber nicht aus. Ein Kapitel über einen Flugzeugtripp, der in einer Havarie endet, können Sie durchaus als Nachweis der Jones'en Erzählkunst werten, hängt aber doch arg locker am Text. Und wer knapp 20 Euro für ein Buch auf den Tisch legt, wird für Schlampereien wie "Er sich nahm fest vor" oder "Sie und nickte" nur wenig Verständnis haben. Dennoch - ein sehr gefälliger Roman.

 

© j.c.schmidt, 2002

 

Stan Jones: Gefrorene Sonne. Roman. Aus dem Englischen von Peter Friedrich. Originalausgabe, gebunden, 352 S., 19.80 Euro (D).

 

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