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Selbstreflektorischer Seitenhieb aufs Krimigenre

»Absolute Zero Cool« des irischen Schriftstellers Declan Burke ist ein Meta-Kriminalroman voll selbstreflexiver Schleifen, Anspielungen und Zitaten. Declan Burke beweist beachtliche Belesenheit, kann aber keine neuen Funken schlagen.

Von Thomas Wörtche

 

Absolute Zero Cool

»Absolute Zero Cool« von Declan Burke ist kein Kriminalroman, wie auf dem Umschlag zu lesen ist. Das Buch des irischen Schriftstellers ist ein Meta-Kriminalroman. Ein Roman über mehrere Romane, über das Verfertigen von Romanen, über die vorsätzliche Vermischung von Fiktionen und Realitätsfiktionen, ein Roman über die Bedingungen der Möglichkeit von Romanen, ein Roman der selbstreflektorischen Schleifen von Figuren und Autorfiktionen und allerlei Rückkoppelungen. »Absolute Zero Cool« steht in der ehrwürdigen und durchwegs sympathischen Tradition von Laurence Sterne, E.T.A. Hoffmann, Jorge Louis Borges und Italo Calvino, um nur ein paar Großmeister des autoreflexiven Schreibens und des Vexierspiels mit den verschiedenen Ebenen der literarischen Bedeutungsaufbaus zu nennen, die eine wichtige Strömung von der literarischen Vor- bis zur (dekonstruktiven) Postmoderne bilden.

Ein Erzähler-Ich bekommt Besuch von einer seiner Roman-Figuren, die in einem abgebrochenen Manuskript feststeckt und jetzt auf endgültige Realisierung dringt, denn: "Du musst veröffentlichen, sonst bin ich verdammt". So droht die Figur ihrem Erfinder. Der weiß schließlich, dass sein Geschöpf Karlsson ein mörderisches Kerlchen ist, der als todesengelartiger Pfleger in einem Krankenhaus sein Unwesen treibt, das er am Ende mit allen Insassen in die Luft zu sprengen trachtet. Als aus dem Roman herausgetretene Gestalt nennt sich Karlsson allerdings lieber Billy und hat selbst ein Romanprojekt - eine Art Porno, überfrachtet mit allerlei Nietzscheanischer und sonstiger Übermenschphilosophie. Noch mehr Inhaltsparaphrase würde jetzt nicht gut tun - der Text wechselt die Positionen, die fiktiven Figuren diskutieren untereinander, verwickeln sich in Konflikte und kommunizieren quer durch ihre jeweiligen Existenzebenen hindurch miteinander. Die "Kriminalhandlung", oder überhaupt die Tatsache, dass wir es hierbei mit einem "Meta-Krimi" zu tun haben, scheint sekundär. Das Buch ist ein "book-about-books", vollgestopft mit Anspielungen, Zitaten und Verweisen auf so ziemlich alles zwischen Antike und Gegenwart. Das stellt dem Autor ein beachtliches Belesenheitszeugnis aus, langweilt ein wenig und ist ansonsten das, was man erwartet, wenn man den Generierungsalgorithmus erkennt. Das wiederum ist leider schon nach ein paar Seiten der Fall.

Bleibt, um wenigstens ein bisschen Spannung in die Angelegenheit zu bringen, die Frage, was denn das Besondere eines Meta-Krimis sein könnte. Kriminalromane müssen, um zu funktionieren, an die Erzählbarkeit der Welt glauben. Das mag naiv sein und diese Naivität ist von Borges bis Handke bemerkt, reflektiert und parodiert worden. Schaden genommen hat die Kriminalliteratur deswegen nicht und ihre künstlerische Wertigkeit hängt auch nicht von diesem Punkt ab. Declan Burke allerdings kann auch da keine neue Funken schlagen. Es gibt ein paar nette Dialoge des Monsters Karlsson mit prospektiven Todeskandidaten, ein paar coole Makabritäten, aber ansonsten plätschert der Roman so vor sich. Man wartet eine zeitlang noch auf den entscheidenden Dreh, der dann doch nicht kommt. Nur wer wirklich noch nie etwas von den erzählerischen Volten und Verschachtelungen in der Prosa seit dem 18. Jahrhundert gehört hat, kann sich bei Burke wundern. Und wer bei all dieser Multireflexions- und reflektionsorgie vielleicht im Sinn der Romantik ("Poesie und Theorie der Poesie in einem") auf eine "Poetologie des Kriminalromans" oder so etwas gewartet hat, der wartet vergeblich.

 

Declan Burke: Absolute Zero Cool. (Absolute Zero Cool, 2011). Kriminalroman. Aus dem Englischen von Robert Brack. Deutsche Erstausgabe. Hamburg: Edition Nautilus, 2014, kartoniert, 317 S., 18.00 Euro (D), eBook 14.99 Euro (D).

 

© Thomas Wörtche, 2014
(Die Zeit,
06.11.2014
)

 

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