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Leichenberg 01/2001

 

Es gibt schon merkwürdige Bücher: Sie sind nicht besonders raffiniert gestrickt, sprachlich eher schlicht und über ihre ideologischen Implikationen wollen wir lieber nicht nachdenken. Trotzdem erzählen sie eine spannende Geschichte so flott und rasant, dass man sie nicht aus der Hand legen kann. Das ist eine Qualität, die alle Romane von P.T.Deutermann auszeichnen. Dazu kommen auch in seinem neuesten Thriller Am Abgrund (Bastei) penibel recherchierte Darstellungen von Polizeiarbeit und eine bösartig-kompetente Sicht auf Bürokratien aller Art. Diesmal geht es um eine "Säuberungsaktion" im FBI und die schönen Folgen für zwischenmenschliche Beziehungen und die öffentliche Sicherheit, die solche politischen Kahlschläge haben. Ausserdem ist das Werk (allerdings an den entscheidenden Stellen vage) schon fast ein Handbuch für Leute, die gerne Eisenbahnbrücken in die Luft sprengen. Deswegen und wegen der fragwürdigen ästhetischen Chuzpe nicht zur Nachahmung empfohlen.

Bei "Nachahmung" denkt man unwillkürlich an Kathy Reichs und ihre Serie um die "forensische Anthropologin" Temperance Brennan aus Montreal. Nachgeahmt werden da die Schnitz- und Schnitzelromane von Patricia Cornwell, was kein Qualitätskriterium ist. Allerdings ist Kathy Reichs "fachlich" weitaus besser und bringt die appetitlichen Aspekte (würg) der Gerichtsmedizin besser rüber. Auch ihre Fälle sind, wie in Lasst Knochen sprechen (Blessing), erdennäher als Cornwells Schauermärchen. Allerdings sind Erzählton und Personal von ähnlicher Biederkeit. Dennoch haben wir hier einen der Fälle, in denen die Kopie besser ist als das Original.

Das gilt nicht für Willy Josefsson: In jenen dunklen Tagen (rororo). Er ist nicht besser als Henning Mankell, aber auch nicht schlechter. Halt einer jener skandinavischen Romane à la Mankell über deprimierte und deprimierende Leute, die in deprimierende Verbrechen verwickelt werden. Hier über den deprimierenden Zusammenhang zwischen Sittenstrolchen, Mördern, Geheimdiensten und der Rüstungsindustrie. Deprimierend.

Ganz schön depressiv kann einen auch das Australien in Garry Dishers Wyatt-Romanen stimmen. Nummer zwei, Dreck (pulpmaster), ist gerade erschienen und wie schon Gier ein grosser, kleiner Roman über den Gangster Wyatt, der immer mit dem nackten Überleben beschäftigt ist. Unsentimental, im besten Sinn cool, rasend spannend erzählt, in stimmigen Gegenden spielend, mit stimmigen Menschen, die durch die Bank nicht nett sind. Disher ist ein exzellenter Autor.

Und noch drei exzellente Autoren mehr: Christopher Priest, der irgendwo unsortierbar zwischen Science Fiction, Phantastik und Thriller schwebt, ist sowieso einer der feinsten britischen Schriftsteller en général. Das Kabinett des Magiers (gerade als Taschenbuch bei Bastei erschienen) feiert nicht nur die Kunst des Zauberns, die Illusion und den Schein, sondern auch die Magie, die noch hinter Illusion und Schein verborgen liegt. Hört sich rätselhaft an ? Ist es auch. Spannend sowieso.

Nummer zwei: Jean-Patrick Manchette in der neuen Ausgabe bei Distel: Frisch raus dort »Que d'os!« von 1976, unter dem Titel Knüppeldick. Ein zweiter Roman um den bitter-komischen Privatdetektiv Eugène Tarpon, der immer so müde ist und es diesmal mit einer reizenden alten Dame zu tun bekommt. Exzellent.

Allerfeinsten Irrsin liefert der Österreicher Heinrich Steinfest. Ein Virtuose des geschmackvollen Pöbelns, ein Meister der schrägen Figuren, ein sanfter Terrorist. Der Plot von Cheng (Bastei) ist nicht der originellste - aber alles andere ist elaborierte Prosa zwischen Doderer, Herzmanovsky und Chandler. Eine echte Entdeckung.

 

© Thomas Wörtche, 2001

 

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