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Leichenberg 04/2001

 

Es gibt Bücher, die sind so lieb, so nett, so knuddelig, dass man ihnen nicht bös sein kann. Wie Maurizio Testas Roman Maigret und der Fall Simenon (Residenz). "Kommissar" Jules Maigret wird vom Staatspräsidenten der Französischen Republik beauftragt herauszufinden, ob Georges Simenon als Aushängeschild für die französische Kultur dienen kann. In einem hübschen Reigen der Anachronismen macht sich Maigret ans Werk und interviewt Leute, die mit Simenon zu tun hatten: Josephine Baker, Colette, die diversen Ehefrauen usw. Es entsteht dabei eine kleine Simenon-Biographie, die allerdings keine neuen Erkenntnisse bringt. Die trüben Kapitel "Antisemitismus" und "Kollaboration" bleiben genauso unscharf wie in den grossen Biografien. Was nicht am bösen Willen der Biografen liegt, sondern an Simenon. Aber auch das ist nichts Neues. Wer sich also nicht durch die Standardbiografien (Stanley G. Eskin, Patrick Marnham et al.) quälen will, ist mit Testas schmalem Bändchen ganz gut bedient. Trotzdem ist die Grundkonstruktion albern und bieder. Aber liab.

Weniger nett ist die Überraschung, die uns Stuart M. Kaminsky beschert. Denn von ihm sind wir eigentlich gute bis sehr gute oder höchstens mal nicht ganz so gute Bücher gewöhnt. Spur nach Süden (Ullstein) ist aber ein eher schlechtes Buch. Das liegt vermutlich an der Hauptfigur Lew Fonesca, einen Yankee-Dropout, den's nach Florida verschlagen hat, und der gar nicht zündet. Ebenso hölzern sein gewalttätiger Sidekick, Ames McKinney - ein waffengeiler Greis, von dem man nicht so genau weiss, warum er so an Fonesca hängt. Und das Top-Class-Zuhältermilieu mit inzestuösen Vätern und trotzigen Töchtern ist deutlich konstruiert. Papiern auf Papier. Aber Kaminsky hat auf jeden Fall noch genug Kredit, um ein schwaches Buch verziehen zu bekommen.

Nichts zu verzeihen gibt's bei Raphaël Confiant: Mord am Karsamstag (Scherz). Ein wunderbar wuchernder Roman, der auf Martinique noch während der kolonialen Sechziger Jahre spielt - nur wann genau wird nicht klar: Auf S. 16 ist es 1966, auf S. 239 ist es 1964. Nu, shit happens. Aber es ist ein klasse Stück Literatur aus den Armeleutevierteln der Insel, die wirklich multi-ethnisch sind und die schrägsten Typen beherbergen. Confiant kann der Versuchung nicht widerstehen, einen um den anderen zu porträtieren, bis endlich klar wird, wer warum den Sportheroen Romule Beausoleil umgebracht hat. Ein feiner Roman.

Dito fein: Walter Satterthwaits Fortsetzung der Joshua-Croft-Saga: Ans Dunkel gewöhnt (dtv). Action, Tempo, von A bis Z durcherzählend und auch noch die Vorgeschichte von Croft und seiner Partnerin Rita Mondragón gleich mitliefernd. Nichts gegen die neueren, opulenteren Bücher von Satterthwait, aber die Croft-Romane gehören zum Grundbestand der Private-Eye-Literatur.

Zum Grundbestand der Weltliteratur gehört John le Carré. Und wieder (nach dem Schneider von Panama und Single & Single) zeigt er, warum: Der ewige Gärtner (List) ist ein raffiniert erzähltes Stück rauchender Wut und ätzender Altersradikalität über die Konsequenzen der "Globalisierung" und den Ausverkauf des allerletzten Grans von Ethik, die unsere westlichen Gesellschaften noch irgendwo gehabt haben mögen. Weil le Carré mit Witz, Satire, Ironie und schierer Gemeinheit agiert, kann er eine solche Attacke ohne Sentimentalität und Sozialromantik fahren.

Zum Schluss noch ein Ausrufezeichen: Im Herzen die Dunkelheit von Joolz Denby (rororo) - ein originell erzähltes Buch über eine Komödiantin, die unwissentlich mit einem Serial-Killer liiert ist. Merkwürdig, deutlich ein Erstling, hat aber was.

 

© Thomas Wörtche, 2001

 

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