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Das Vernünftigste ist, sich den Ärger gleich vom Hals zu schaffen: Maria-Antònia Olivers neuer Roman um die ganz interessant gestartete Privatdetektivin Lònia Guiu, Mallorca, Mord inbegriffen (Eichborn) ist schlicht ein Debakel: Sinnloser und deliranter Plot, unerträglich eitel, unerträglich simpel: Schweinkram à la mode: Kinderschänder auf der Ferieninsel. Ach, geh' fort.
Ärger Nummer Zwei hat nichts mit dem Buch selbst zu tun, sondern mit seiner Präsentation: Rotbuch hätte vor Jahren die Chance gehabt, Derek Raymonds (= Robin Cook) Factory-Romane bei dem alten Verlag billig herauszukaufen und eine anständige Ausgabe dieses schwierigen, aber extrem wichtigen Autors dem deutschen Lesepublikum vorzulegen. Übriggeblieben ist davon ein Roman mit dem dummen und unadäquaten deutschen Titel Profil eines Serienmörders , im Original heißt das Buch "Dead Man Upright"; Klappen- und Vorsatztext lassen bezweifeln, daß eine Verantwortliche des Hauses den Text überhaupt gelesen hat, das Autorenstichwort ist an Jämmerlichkeit und an Abscheu dem eigenen Autor gegenüber nicht zu überbieten. Die gute Übersetzung ist hingegen ein reiner Glücksfall. Rotbuchs Umgang mit wichtigen Autoren - siehe Charyn, siehe Marshall - wird immer skandalöser.
Ab jetzt wird's erfreulicher: Ausgerechnet Totenblues heißt ein munterer, frischer Privatdetektivroman von Steven Womack (Knaur), der zwar nichts Neues bietet, aber immerhin dem alten Knorpelsack PI-Novel frische Apfelbäckchen aufmalt.
Erfreulich auch, nach langen Jahren endlich, der neue Roman von Gerhard Neumann: Polnisches Gold (DIE - Das Neue Berlin), ein Period Piece aus den 20er Jahren. Wenn der deutsche Kriminalroman schon keine nennenswerte Tradition hat, dann muß er sie sich eben ex post erschreiben. Und das kann Gerhard Neumann.
Endgültig auf den Platz des Serial-Killers aufgerückt, sind die
Herrschaften Anwälte und -innen auf dem deutschen Buchmarkt, in den USA
schwellen sie schon deutlich wieder ab. Bücher mit AnwältInnen (noch
nicht: schwule und lesbische, kommt aber noch, nur ruhig) haben ein
Hauptmerkmal: Sie sind dick, Doorstoppers im Ziegelsteinformat. Justiz-Thriller
heißen die Whopper jetzt, haben die Marketing-Abteilungen beschlossen.
Nu, bitte. Zwei habe ich immerhin gefunden, die man wegschmökern kann:
John Martell: Der Auftrag (Droemer-Knaur) und
Perri O'Shaughnessy: Die Verhandlung (Volk &
Welt). Bei O'Shaughnessy kann man sich an wunderschönen Ost-Amerikanismen
erfreuen: "Sie aßen Lunch", oder "Fakt ist", die für recht
ungewohnte Effekte sorgen. Der Roman hält das spielend aus, denn er bietet
eine ganze Schar interessanter Figuren, was auch die ausgelutschteren
Handlungsstränge (Inzest?) etwas milder aussehen läßt. Aber
man ist ja schon froh, wenn ein Roman seine Personen einigermaßen ernst
nimmt.
Das gilt auch für John Martell, dessen Porträt eines
karrierebesessenen Anwalts alle Schwächen seines
Mega-Verschwörungsplots einigermaßen ausgleicht. Für beide
Romane gilt: Nette Unterhaltung.
Rasend unterhaltend ist ein Polit-Thriller, der ein brillant recherchiertes Sachbuch ist: Peter Hopkirk: Östlich von Konstantinopel. Kaiser Wilhelms Heiliger Krieg um die Macht im Orient (Europaverlag). Wem der Hinweis auf ein Buch über deutsche Geheimdienstaktivitäten in nachrichtenrelevanten Gegenden kryptisch vorkommen mag, wird nach der Lektüre von einem AHA ! ins andere fallen.
© Thomas Wörtche