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Leichenberg 05/2009

 

Cosa Nostra II - Der Spieler

Es gibt Projekte, auf deren Fortsetzung man sich richtig freut. Umso schöner, wenn diese Vorfreude belohnt wird. Wie im Fall des Mafia-Epos in Bildern, gezeichnet und getextet von David Chaudel und Erwan Le Saëc: Cosa Nostra II - Der Spieler (Schreiber & Leser). Im ersten Band, wir erinnern uns, ging es um den Aufstieg des Organisierten Verbrechens in den USA, und gleichzeitig um die Veränderungen von New York City, mit dem Focus auf Al Capone. In Band II nun treten zwei der wichtigsten Figuren der amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts in den Vordergrund: Lucky Luciano - und mehr noch - Meyer Lansky. Der Mann also, der la cosa nostra vom Banditentum in die Graubereiche von big business und Realpolitik überführt hat. Eine Schlüsselfigur, ohne die man unsere Welt nur unvollkommen verstehen kann. Der Comic als ästhetische Form ist bei diesem Projekt in bester Verfassung: Intelligent, mit berauschenden Bildern und einem Füllhorn voller erzählerischer Möglichkeiten. Wir warten mit roten Ohren auf Band III.

Unschöner ist, wenn ein Projekt, auf das man durchaus freudig gespannt ist, sich als Blase erweist und pfffft macht. So wie die neue Suhrkamp-Reihe, die nur mit Don Winslow einen alten Bekannten aufbietet und ansonsten blasse Konfektionsware - ohne Vision, ohne Handschrift. Das könnten Startschwierigkeiten sein, aber ein Titel der ersten Visitenkartenstaffel: Der Deutsche Freund von den beiden Dänen Christian Dorph und Simon Pasternak lässt nichts Gutes erwarten - eine Schauermär über schwule Alt - und Neunazis, über prügelnde Ehemänner, über Kinderschänder und türkische Geheimdienste, über die "Wolfsschanze" und die Enigma-Maschine, die Stasi und den Afghanistan-Einmarsch der Sowjetunion, angesiedelt im Jahr 1979. Ein völlig bescheuertes Ragout aus allen Versatz-Häppchen der zeitgeistigen und fünftklassigen Kriminalliteratur unserer Tage. Ironie - und komikfrei, das gehört aber dazu. Peinlich.

Ich vertrau dir

Und dann gibt es Projekte, von denen man nur das Schlimmste erwartet hat, und die sich dann aufs Erfreulichste drehen: War Massimo Carlottos Roman »Arrividerci amore, ciao« noch eine uninspirierte, lächerlich schlaffe Fake-Macho-Nummer hat er sich mit Co-Autor Francesco Abate richtig gut aufgerappelt und mit Ich vertraue dir (C. Bertelsmann) ein brillantes, böses Buch über eine große italienische Passion, also das Essen, geschrieben. Das kommt hier allerdings nur als chemisch aufgepeppter Dreck vor, mit dem sich Milliarden von Euros verdienen lassen. Abate/Carlotto schießen die ganze ekelhafte Grimmi & Gourmet, Morden in der Toskana und Spachteln mit netten Commissarios-Welle ab - genussvoll, schön eklig, witzig, klug und mit einem der grusligsten Enden ever. Und intelligent gebaut und gefügt ist das Buch natürlich auch. Große Klasse.

Wenn wir schon beim Thema sind und den ganzen Folklorequatsch über italienisches Essen und das Loblied des einfachen Lebens in gesegneten Landstrichen cum ein wenig Mord nicht mehr ertragen - das Sachbuchantidot kommt von John Dickie: Delizia! Die Italiener und ihre Küche. Geschichte einer Leidenschaft (S. Fischer). Dickie, der schon ein brillantes Buch über die sizilianische Mafia geschrieben hat, beschreibt die italienische Küche erstens als urbane Veranstaltung und zweitens in harten politischen Termini, macchiavellistisch geschaut und in den Parametern, die man auch für Polit-Thriller gebrauchen kann. Das ist wenig kuschelig, aber ungemein lehrreich und spannend. Und verdirbt einem die Lust auf wirklich gutes italienisches Essen kein bisschen.

Der Totenmeister

Und ein Projekt, das sich allmählich aufbaut, wird vermutlich richtig wichtig - schon der erste Band von Nick Stones Saga um den Ex-Cop Max Mingus, »Vodoo«, war aus der Durchschnittslangeweile herausragend. Band 2, Der Totenmeister (Goldmann), ist sozusagen das Prequel. Max Mingus ist noch Cop im Miami der frühen 1980er, als die USA jeden allerallerletzten Rest von Unschuld verloren hatten und knietief im politischen Sumpf steckten, den sie in Mittelamerika und Kolumbien angerichtet hatten. Castro hatte seine Gefängnisse geleert und die Marielitos nach Florida geschickt, die Duvaliers, die machthabenden Scheusale auf Haiti waren gute Freunde der USA. Und Max Mingus war ein vigilanter Cop - bis er auf den Vodoo-Gangster Solomon Boukman trifft - seinen großen Gegenspieler. Ein Epos im besten Sinn, Breitleinwand, action, grandiose Figuren, böser Witz und politischer Klarblick. Hoffentlich endlich mal wieder ein richtig gutes Groß-Projekt.

Das schönste Buch aber ist Tokio im Licht der Nacht (parthas verlag), eisig fotografiert von Philipp Zechner, mit coolen Texten von u.a. Masako Togawa und Ryu Murakami. Bestechend!

 

© Thomas Wörtche, 2009

 

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