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Leichenberg 06/2009

 

Pacific Private

Schade, dass es der amerikanische Autor Don Winslow in Deutschland trotz mehrerer Anläufe nicht geschafft hat. Aber vielleicht jetzt bei Suhrkamp, wo gerade Pacific Private erschienen ist. Ein Surfer-Roman mit einem Surfer-Privatdetektiv und einer soliden, ziemlich simplen Geschichte und einer recht simplen Moral: Surfer sind gute Freunde, andere Menschen sind eher suspekt. Das inszeniert Winslow, was die Krimi-Anteile angeht, sehr routiniert, solide und voraussehbar. Das Surplus des Romans aber soll die Surf- und Wellenmetaphorik sein. Zumindest ist das die gnadenlose Absicht des Autors, der sich dazu einer Art Neo-Kerouac'schem Erzählstil bedient und doch bloß der eleganten Leichtigkeit der Fletch-Romane von Gregory Mcdonald hinterhechelt. Bei Winslow ist alles etwas angestrengt sowas von cool und alle sind sowas von die tollsten Hechte und Wellenreiten macht selbst aus dem langweiligen "Admiralsfriedhof" San Diego sowas von einer hippen Stadt. Und selten ist ein Topos so was von gnadenlos inflationär ausgewrungen worden, wie das Winslow hier mit seinem Metaphernfeld tut. Dabei kann er viel bessere Bücher schreiben.

Entschieden erfreulicher, wenn auch in klimatisch deutlich unerfreulicheren Gegenden spielend: Stuart MacBrides vierter Roman aus Aberdeen: Blut und Knochen (Goldmann). Wieder ein Serialkiller-Roman, und wieder einer, der sich durch ultrabösen Witz, krasse Schocks, banal-geniale Figuren und eine Perlenkette makaberster Pointen und hochintelligenter Kommentare zu unserem Leben in modern times zu einem großen komischen Roman verwandelt. Der Killer trägt zu einer Maggie-Thatcher-Maske eine blutige Metzgerschürze und speist seine Opfer säuberlich portioniert und verpackt in den offiziellen Lebensmittelkreislauf ein - Großschlachterei - Großhandel, Einzelhandel- Verbraucher. Bon appetit, denken sich auch Sgt. Logan McRea und die ganze Truppe aus Versagern, Chaoten und Neurotikern, die MacBrides Anti-Helden-Kabinett bevölkern.

Sühne

Diesem Gruselkabinett entsprungen sein könnte auch Evert Bäckström. Der ist fett, ekelhaft, megaloman, rassistisch, sexistisch und noch vieles Unschöne mehr. Erfunden hat diesen Monsterbullen der Kriminologe und Romancier Leif GW Persson, der anhand von Kommissar Bäckström ein scharf beobachtetes, kitschfreies und aberwitziges Bild der schwedischen Gegenwart entwirft, das mit melancholischer, skandinavischer Noblesse wenig zu tun hat. In Sühne (btb) ist Rassist Bäckström in seinem Element, als es um einen Zeitungsausträger aus Somalia und um eine Menge ekelerregender, böser Greise geht, um viel Geld und niedrige Denkungsart. Bäckström ist ein Ereignis, die Lektüre seiner Streiche ein Vergnügen.

Kein bisschen vergnüglich, aber entschieden brillant ist Gezeichnet von Francesco de Filippo (Edition Lübbe). Ein Roman aus dem Camorra-Milieu Neapels, aber kein Camorra-Kitsch, keine Sozialreportage, kein konventionell erzähltes Verbrecherstück, sondern halluzionsartige Splitter, Vignetten exzessiver Gewalt, Höllenbreughel'sche Visionen, übelste Albträume. Gerade weil de Filippo auf gradliniges Erzählen verzichtet, sondern seine Schockelemente zu Tableaus des nackten Grauens verdichtet, bekommt das Buch eine Qualität, die nicht auf die unterhaltsamen Elemente der Camorra-Folklore setzen muß und so etwa das Thema verläppert. De Filippos Roman ist wuchtig, dynamisch, bestens informiert und deswegen auch sehr unbehaglich. Seit Juan Damontes »Ciao, Papá!«, dem ultimativen Buch aus dem argentinischen Inferno, ist »Gezeichnet« sicher der literarischste Roman zum Thema Organisiertes Verbrechen. Und wenn wir gerade von urbanen Höllen reden - gerne wird Mexiko City als eine solche gehandelt. Wie es dort genau um Gewalt, Verbrechen, Polizei und Macht steht, schildert der wichtige und extrem nützliche, weil proppevoll mit Material gefüllte Band Verhandlungssache Mexiko Stadt. Umkämpfte Räume, Stadtaneignungen, imginarios urbanos von Anne Becker et al (MetroZones 8/b_books).

Wer's behaglicher mag: Die Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag von Sir Arthur Conan Doyle sind im vollen Gang. Bei Baskerville Bücher gibt es endlich eine deutsche Übersetzung der großen Biographie - Daniel Stashower: Sir Arthur Conan Doyle. Das Leben des Vaters von Sherlock Holmes, in der man nachlesen kann, warum sowohl Conan Doyle als auch die Figur Sherlock Holmes weit vielschichtiger sind, als es die manchmal plumpe Rezeption vermuten läßt. Und die Wiederauflage von Zeus Weinsteins berühmtem Das umfassende Sherlock Holmes Handbuch (Kein & Aber) mit ein paar netten Aktualisierungen, ist sowieso zu begrüßen, Jubelfeiern hin oder her.

 

© Thomas Wörtche, 2009

 

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