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Leichenberg 06/1996

 

Manchmal kommt man ja schon ins Grübeln: Gibt es eigentlich noch so etwas wie Maßstäbe? Gar Kriterien? Oder ist schon alles völlig egal? Zum Beispiel der Elster-Verlag, der seinerzeit immerhin einen so wichtigen Autor wie Andreu Martín auf den deutschen Markt gebracht hatte. Und jetzt: Kein Andreu Martín mehr, nicht mal mehr Juan Madrid - sondern ein Werklein, das eigentlich in der "Bäckerblume" besser aufgehoben wäre: Das Haus in La Chapelle von Marcel Valmy. Was soll das? Will man das Anspruchsniveau des pp. Lesepublikums so weit runterbomben, daß man derart miese Qualität in den Markt füllen kann, für die man garantiert keinen Pfennig an Honorar ausgeben muß, weil die Herrschaften Verfasser allerlei Geschlechts froh sein werden, ihren Unfug gedruckt zu bekommen?

Literarische Qualität konnte es auch nicht gewesen sein, was Volk & Welt auf die lustige Idee gebracht, einen DM 48.- Backstein über "die Mafia" als Roman unters Volk zu streuen. Die Herren des Spiels  von Alfio Caruso wartet zwar mit den mittlerweile sozio- und kriminologisch aktuellen Thesen über die Verflechtung von Kapital, Vatikan, Politik und Verbrechen auf, hat aber mit Literatur so gar nichts im Sinn. Als Sachbuch hätte das Trumm durchgehen können, als Roman sind die mühsam in direkte Rede gebrachten Thesen nur langweilig und interessieren mit ihren dramaturgisch zusammengestoppelten Handlungsbausteinen wirklich niemanden. Schon gar nicht das Lektorat, das pausenlos den berühmten Roman "Der Maulwurf" von Le Carré durch Carusos Buch geistern läßt. Es gibt von Le Carré kein Buch dieses Titels - was mag also gemeint sein? Naja, auch egal.

Interessant der Vergleich von zwei Büchern, die aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln und Kontexten heraus mit dem psychothriller-notorischen Thema Persönlichkeit, Fiktion und Realität, Spaltung und Schizophrenie spielen: Komm, wenn es dunkel wird von Rosamond Smith, was bekanntlich ein Pseudonym von Joyce Carol Oates .ist (dtv), und Der weiße Chauffeur von Urs Riechle (Gatza bei Eichborn). Oates versucht, das Thema so richtig bleischwer als existentiell wichtig und bedeutend zu universalisieren und lokalisiert ihr Buch außerhalb von Raum & Zeit in einer Art (post)viktorianischem Neuengland hier & heute. Und damit es auch richtig rawumm-relevant wird, kommt wieder dieser ganze stocklangweilige S/M-Ferkelkram rein, mitsamt einer peniblen Aufzählung aller "frauenfeindlichen" Grundlagenliteratur. Das hat höchstens den feministisch gewendeten Oswald-Kolle-Effekt, der vor den bösen Lüsten der Männer warnt und sie deshalb erstmal breit vorstellt. Wer dann wer ist, am Ende, und warum, ist auch völlig egal.

Urs Riechle gibt seinem intelligenten Verwirrspiel mit Identitäten, dem Kampf von Fiktionen mit der Wirklichkeit immerhin einen plausiblen Sitz im Leben - die Möglichkeiten des Electronic Banking nutzt er genauso clever wie die Situation eines Arbeitslosen, der sich in Hunderten von Bewerbungschreiben immer neue Masken aufsetzen muß, bis ... Ja, eben. Schon ein erfreuliches Buch, das höchstens am Ende ein wenig "overplotted" ist, aber dann doch noch einen schönen Dreh bekommt.

Zum Schluß was für unsere Naturfreunde: Im Schatten von Mangroven von James Lee Burke (Goldmann), dessen Kunst, dasselbe Buch meisterhaft immer wieder zu schreiben, schon bewunderungswürdig ist und dem wir gerne glauben wollen, daß es in den Bayous um New Orleans sehr spökenkiekerisch zugehen kann.

© Thomas Wörtche

 

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