legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 07/2000

 

Vor fast genau einem Jahr, im Juli 1999 ist Mario Puzo gestorben, der Mann, der die Kausalität zwischen Wirklichkeit und Literatur umgedreht hat. Neulich, in den "Sopranos" (die intelligenteste TV-Serie seit "Homicide" und deswegen vermutlich hierzulande nicht sehr populär) konnte man's wieder sehen, als eine Herde von Zahnärzten und anderen gruselgeilen Gesellschaftslöwen von Tony Soprano wissen wollte, wieviel Mario Puzo wirklich über die Mafia wusste. Tony schwieg still schmunzelnd, wusste er doch, das La Cosa Nostra sich auf den "Paten" gestürzt hatte wie der deutsche Idealismus auf den kategorischen Imperativ. Schon vor Coppolas "Godfather" redete la mafia wie bei Puzo, zog sich so an und mordete in schöner Ritualisierung. Jetzt, so scheint es, ist die Ehrenwerte Gesellschaft endgültig Folklore und das Organisierte Verbrechen organischer Teil jeder Gesellschaft. Darüber erzählt denn auch das letzte Buch von Mario Puzo: Omerta (Ullstein). Es weist auf eine alte, aber wieder neue Idee des Investmentbankings hin: Astorre, der Adoptivmafioso geht ins Filmgeschäft. Na also.

Auch im spannenden Grenzbereich von Mythos und Realität bewegt sich die Studie von Michael de Ridder: Heroin. Vom Arzneimittel zur Droge (Campus). Man muss sich ein bisschen durch den fachwissenschaftlichen Jargon durchbeissen (der allerdings nötig ist, damit das Buch nicht als Fidelwipp abgetan werden kann - schliesslich ist de Ridder einer der führenden "Drogen"-Fachleute und somit immer unter politischem Beschuss), dann allerdings werden die Thesen so richtig explosiv: "Das enorme Ausmass körperlicher, mentaler und sozialer Verelendung, die das Bild des Heroinabhängigen in der Öffentlichkeit so nachhaltig prägt, ist nicht Ausdruck der Eigenschaften der Droge Heroin, vielmehr allein die Folge der Bedingungen ihres Konsums. Unter ihnen spielt die Illegalität der Droge eine alle anderen überragende Rolle." Und über die Geschichte dieser interessengstützten Illegalisierung eines Medikaments aus dem Hause Friedrich Bayer & Co. erzählt das Buch - die Folgerungen, was das alles über die Realitästüchtigkeit vieler Romane, Filme und anderer kriminalliterarischer Ergüsse zum Thema "War on Drugs" aussagt, bleiben dem pp. Publikum überlassen.

Recht realitätstüchtig sind auch die Harry-Bosch-Romane von Michael Connelly. Im Gegensatz zu seinen Serial-Killer-Romanen, die eher avancierte Märchenstunden sind. Anyway, der neue Bosch-Roman, Schwarze Engel (Heyne), führt wieder mitten hinein ins von Korruption, Rassismus und bratzender Gewalt versaute Los Angeles Police Department (nachzulesen z.Zt. wieder unter dem Stichwort: "Rampart-Skandal" in der informierten Presse). Ein schwarzer Anwalt wird ermordet, die Politikos müssen sich etwas einfallen lassen, damit die Stadt nicht wieder brennt. Mit Wahrheit hat das dann wenig zu tun, aber auch Bosch spielt mit. Muss er ja schliesslich, weil er ja - wir wissen es - Deputy Chief Irvin Irving gehört. Aber immerhin hat auch Bosch etwas zum Tausch anzubieten: Schweigen. Mal wieder kein schönes, aber ein sehr gutes Buch.

Nicht schön ist auch die Vorstellung, dass die elenden Schoten von John Grisham die sogenannten "legal thriller" so ins Abseits gedrängt haben. Dabei zeigt gerade der Grossmeister und Erneuerer dieses Sub-Genres, Scott Turow, was man mit dieser Form machen kann - wenn man kann. Die Gierigen und die Gerechten (Blessing) heisst etwas pompös die deutsche Fassung von Personal Injuries - ein Roman über die ganz gewöhnlichen menschlichen Wunden, die bei einer Aktion im Namen der Sauberkeit gegen korrupte Richter und Anwälte so geschlagen werden. Auf allen Seiten - bei den Undercover-Leuten, bei den Opfern, bei den Tätern (die alle immer beides sind), nur nicht bei dem System, das all das möglich macht. Angesichts Turows intimer Detailkenntnisse wünscht man sich am Ende nur eines: Nie und nimmer in die Mühlen der US-amerikanischen Justiz zu geraten.

 

© Thomas Wörtche, 2000

 

« Leichenberg 06/2000 zurück zum Index Leichenberg 08/2000 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen