Die kleinen Buchmarkt Tsunamis, die immer aus den USA über uns schwappen, sind meistens schon alte Hüte, wenn sie hier ankommen. Morden & Kochen zum Beispiel (warten Sie ab, bis Morden & Engel kommen) ist überm Teich durch und wird hierzulande gerade gecovert. Nu, das wäre recht eigentlich uninteressant, hätte nicht Anthony Bourdain das Genre gewechselt. Nach ein paar sehr mässigen Morden & Kochen-Krimis hat er jetzt seine Autobiographie als Koch geschrieben - und die sagt viel mehr über die mörderische Branche der Gastronomie als alle Krimis zum Thema. Geständnisse eines Küchenchefs heisst das grandiose Buch mit dem maliziösen Untertitel Was Sie über Restaurants nie wissen wollten (Blessing). »In der Angestelltentoilette bauten sie gerade Maschinengewehre zusammen. Alle Stationsköche waren über Armalites und M-16er gebeugt, während in der fast unbemannten Küche der Drucker schnatternd Bestellungen ausspuckte, die ignoriert wurden.« Darüber, über von Berufs wegen Hackmesser schwingende Psychopathen, schlimme Fälle von Drogenmissbrauch und andere Leckereien erzählt Bourdain in rasend intensiver Prosa und gnadenlos unterhaltsam. Hoch empfehlenswert.
Dito hochempfehlenswert auch die Abenteuer von Miro Hetzel, der sich in allerlei seltsamen Galaxien mit allerlei intergalaktischen Verbrechern und Verbrechen herumschlagen muss. Das ist nicht sehr originell, stammt aber von einem der grössten Erzähler des 2o. Jahrhunderts: Von Jack Vance, dem literarischen Weltentüftler mit dem gemeinen Blick aufs Allzuirdische. Unter dem Titel Der galaktische Spürhund bei Bastei erhältlich und, obwohl schon 1980 erschienen, immer noch ein Meisterwerk des Genre-Crossings.
Ebenfalls ein Klassiker: Leidenschaft in Rot von John D. MacDonald (Rotbuch), unter dem Titel »The Quick Red Fox« 1964 ein Meilenstein in der Travis McGee-Serie. Normalerweise liest sich MacDonald so, wie man Kartoffelchips wegknabbert (Ross Thomas), was durchaus ein Kompliment sein kann. Aber hier versucht er sich als Gesellschaftsanalytiker - und zeigt, contre c¦ur, die ganzen verhauten und verklemmten Probleme, die die Geschlechter damals untereinander auszutragen hatten und wie liberale Positionen blindwütig und desorientiert bei der Ausklammerung von Aussenseitern (hier: Lesben) ihren eigen Anspruch von Aufklärung nicht erfüllen konnten. Ein historisch faszinierendes Stück Literatur.
Noch mehr Historie: Bei Diogenes sind nach zehn Jahren endlich wieder zwei kapitale Bücher von John Latimer erhältlich: Mord bei Vollmond und Rote Gardenien. Latimer wurde nie so bekannt, wie es ihm eigentlich zugestanden hätte, war er doch die elegantere, komischere, gebrochenere (manchmal auch noch problematischere) Alternative zu Raymond Chandler. Sein Privatdetektiv William Crane war immer so vollgedröhnt, dass er den klareren Durchblick auf den Irrsinn dieser Welt hatte. Die beiden Bücher stammen aus den Jahren 1935 und 1939 - und es musste fast ein halbes Jahrhundert vergehen, bis die Anti-Helden von James Crumley oder J.W. Rider wieder ein ähnliches Ausmaß an clairvoyantem Delirium erreichten.
Last but not least die mörderische Variante eines alten Themas: Der Stalker als Killer. Nicci French erzählt in Der Sommermörder (C. Bertelsmann) strikt aus der Opferperspektive - was einerseits viel Raum für die Seelenlage und die Dispositionen der verfolgten Frauen hergibt, andererseits zu der dichtungslogischen Katastrophe führt, dass die Damen ihre eigene Ermordung erzählen müssen. Texte aus dem Jenseits?
© Thomas Wörtche, 2001