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Leichenberg 07/2005

 

Süden und der Mann im langen  schwarzen Mantel Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel (Knaur) von Friedrich Ani beendet den Süden-Dekalog, der dem deutschen Kriminalroman in diesem Jahrtausend als Hoffnungszeichen dienen kann: Eine Roman-Serie in eigenwilliger, literarisch ernstzunehmender Prosa, weitgehend stereotyp-frei, analytisch, spannend und extrem atmosphärisch, mit plausiblem Personal, sensibel für den Zeitgeist, der tatsächlich Thema und nicht Dekor ist. Ein Markterfolg zudem, hoffentlich wegen und nicht trotz dieser Eigenschaften. Und auf keinen Fall zu einer Welle ausbaubar. Ani schreibt wie Ani. Übelgenommen hat man ihm, dass er sich in einem Interview harsch von der deutschen »Krimi-Szene« verabschiedet hat. Wenn er damit das Soziotop »Krimibetrieb« gemeint hat, dann kann man das gut verstehen. Wenn er das Genre als ästhetisches Feld meint, dann wird man sehen, wie es mit seiner Literatur weitergeht.

Auch zu keiner »Szene« gehört bekanntlich Heinrich Steinfest. Wie auch? Sein neues Buch Der Umfang der Hölle (Piper) ergeht sich wieder mit eigenartigem Timing in allerlei wonniglichen Exerzitien über arg sonderbare Menschen. Das ist brillant, konzentrationsheischend, wunderlich, idiosynkratisch, unterhaltsam und manchmal verblüffend. Erfreuen Sie sich also an dem seltsamsten Geschlechtsakt im Zug, den die Literaturgeschichte kennt, und rätseln Sie, was ein Badeentchen neben einer Leiche zu suchen hat. Jaja, das Erhabene und das Lächerliche...

Prälat Abels letzte Fahrt In dieser Klasse des virtuosen Wahnsinns kann Gunnar Steinbach noch nicht mitspielen. Sein erster Roman, Prälat Abels letzte Fahrt (btb) verrät zwar ein ungewöhnliches Sprach- und Erzähltalent, aber die trübe Mär vom greisen-mordenden Altersheim-Vorsteher und seiner geistlichen Gehilfin ist allzeit durchsichtig und platt. Die Personen sind mehr Karikatur als dem Leben abgelauscht, und dennoch nicht reine Literatur. Die Geschichte selbst kann so nicht passieren, weil selbst im Sauerland Polizei wie hier beschrieben nicht funktioniert; und noch einen fake-schwedischen Kommissar mit Eheproblemen braucht wirklich niemand. Dennoch: Wir wollen den Autor weiter beobachten.

Bei Gisbert Haefs hingegen kann man schön beobachten, wie man einen klassischen Polit-Thriller im historischen Gewand schreiben kann. Das Schwert von Karthago (Heyne) erfreut mit guter Recherche, mit einem doppel- bis quadrupelbödigen Plot, mit netten Albernheiten, mit grosser Lust am Herumspielen mit der Geschichte - immerhin spielt der Roman 229 v. Chr., als noch nicht ausgemacht war, dass unsere Zivilisation auf der römischen basieren wird. Man lese das Buch am besten nach »Das Gold von Karthago« und vor Haefs' monumentalem Hannibal-Roman.

Geißel der Niedertracht Eine schöne Ausgrabung beschert uns Pulp Master im Maas Verlag: P.J. Wolfsons Geißel der Niedertracht (im Original: »Bodies are Dust«) aus dem Jahr 1931. Ein noirnoirnoir, der - gar nicht so verblüffend - einer bilischen Geschichte folgt: Der von Sam.2, 11 und 12 (Achtung: Hier irrt das Vorwort) - wenn Sie selbst nachlesen möchten, kann nie schaden. Düster, gemein und hoffnungslos, comme il faut, aber dennoch in dieser verzweifelten Disposition sehr menschlich. Ein gutes Vorwort von Silke Buttgereit stellt den Kontext bereit und bemerkt, dass Hammetts Sam Spade gegen die Figuren dieses Buchs wie ein Gutmensch wirkt. Gegen Hammetts Continental Op allerdings und seine Sprache aus Eissplittern wirkt allerdings Wolfson dann doch wie ein sehr desparater Meschenfreund.

Und noch ein wichtiges Buch: Las Vegas. Geld Macht Politik von Sally Denton & Roger Morris (R&B bei 2001). Ein ganz wichtiges Buch sogar, weil wir in einer Detailstudie vorgeführt bekommen, wie das Organisierte Verbrechen in den USA sich mittels der bunten Wüstenstadt legalisiert hat, aber deswegen bis heute nicht aufhört, Organisiertes Verbrechen im globalen Maßstab zu sein, incl. Politik und Religion. Das Gegenmittel zu blödsinnigen, pr-gestützten Jubelartikeln über die Lichterstadt und ein veritabler Baustein zum Verständnis der Welt, in der wir leben.

 

© Thomas Wörtche, 2005

 

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