legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 07/2012

 

Crime Machine

Organisiertes Verbrechen ist viel beliebter als unorganisiertes. Bei Politikern, der Polizei, bei Gangstern und Bürgern. Wenig Reibereien, keine wilden Schießereien mit Kollateralschäden, überschaubare Preisgestaltung, klare Zahlungswege. Das ist das Geschäftsprinzip der local gangsters von Newcastle. Doch plötzlich wird der cash flow empfindlich gestört, der monatliche Transfer von Schmiergeld an die großen politischen Strukturen in London bleibt aus. David Blake, der consigliere des Newcastler Bosses, Bobby Mahoney, muss den Schlamassel aufklären, sonst hat er selbst ein finales Problem. Crime Machine heißt der Debütroman von Howard Linskey (Knaur) - ein klassischer britischer Gangsterroman in der Tradition von Ted Lewis. Und gleichzeitig ein Beweis, dass dieses schöne Subgenre mehr kann als die Posen, mit den Ken Bruen, Allan Guthrie & Co. in den letzten Jahren dessen Spaghettisierung betrieben haben. »Crime Machine« hat nicht nur eine überzeugende Spannungsdramaturgie, die von einem leicht-beschwingten Anfang zu einem robusten Ende führt, sondern erfreut mit sarkastischen Dialogen, großartigen Gestalten und Typen, einem genauen Blick auf Land und Leute, einer abgeklärten, durchaus differenzierten Weltsicht und auf den Seiten 165 bis 169 mit der besten und präzisesten Vorlesung zum Thema: "Politik, Verbrechen, Korruption", die man sich nur wünschen kann. Ein grandioses Buch!

Hoffnung ist Gift

Jemand musste Jeff Sutton verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Tages verhaftet. Sutton ist Taxifahrer in Dallas und ein einziger Fingerabdruck ist der Auslöser dafür, dass er als Kindsentführer und -mörder in die Dynamik des US-amerikanischen Rechtssystems gerät. Mangels des wirklichen Täters beschließen die örtliche Polizei und die Staatsanwaltschaft, dass er der Mörder sei, ganz einfach, weil er gerade zur Hand ist. Hoffnung ist Gift von Iain Levison (Deuticke) ist ein elegant geplotteter und erzählter Alptraum. Ein effektiver Schlag in die Fresse aller polizei- und obrigkeitsfrommer Schmöker, ein Dementi aller legal thriller, denen zu Folge das "System" nur manchmal von bösen Mächten missbraucht werden kann, aber im Grunde gut ist. Levison beschreibt genau die Rituale der Demütigung, der Vorverurteilung und der Willkür, die Gleichgültigkeit des Systems der "Wahrheit" gegenüber, wenn nur die Formalia eingehalten werden. Dass der einzig mögliche Ausweg aus diesem Labyrinth des Schreckens die Aussicht auf Profit und Gewinn ist, ist die bösartigste Wendung ist diesem überaus beklemmenden, brillantem Remake von Kafkas "Prozeß".

Der Insider

Auch Vincent Ruiz, Londoner Ex-Polizist und Held mehrerer Romane des Australiers Michael Robotham, muss im Ruhestand erfahren, wie es ist, wenn sich das System, für das er sein Leben lang gearbeitet hat, gegen ihn selbst wendet. Wo er doch nur nett zu einer kleinen Trickbetrügerin sein wollte... Weil die junge Lady aber den falschen Leuten den falschen Laptop geklaut hatte, zerfallen vor Ruiz' Augen sämtliche Ordnungsparameter, für die er selbst gestanden hatte. Der Insider von Michael Robotham (Goldmann) gehorcht der guten, alten Ermittlerdevise follow the money - und so bewegt sich der Roman von Banküberfällen in Bagdad in die Szenerie Londoner Geschäftsbanken, folgt Geldern, die zum "Wiederaufbau" Bagdads bestimmt sind, aber in ganz andere Taschen fließen und mäandert so von einem politischen Skandalon zum nächsten. Action, human touch und die Realpolitik unserer Tage sind bei Robotham perfekt verschmolzen - so sollen Geschichten aus der Gegenwart aussehen.

Todfeinde

Auch C.J. Box' immer auf den ersten Blick etwas gemütlich daherkommende Romane um den Wildhüter Joe Pickett aus Wyoming erzählen spannende Geschichten aus der realen Welt. In Todfeinde (Heyne) geht es um die Zerstörung der Bergwildnis in den Rocky Mountains unter dem Mäntelchen des ökologischen Gutmenschentums reicher Leute. Ohne Rücksicht auf die Wildtierbestände soll eine Luxusfleischproduktion hochgezogen werden, für die ein Öko-Guru die passende Schwurbeltheorie bereitstellt, bei der die Politik brav Männchen macht. Knorzkopf Pickett sieht das anders, und dann ist Schluss mit der Gemütlichkeit. Neben den wunderbaren Berg-Panoramen, die Box so fein erzählen kann, freut man sich bei ihm auch immer wieder über die lakonischen Einfälle und die Beiläufigkeit, mit denen er die keineswegs politisch korrekte Gewaltausübung in einem ziemlich harten Territorium inszeniert.

Das Gegenprogramm zur Lakonie beschert uns Gisbert Haefs. Denn Baltasar Matzbach, das wortgewaltige Universalgenie, ist nach langen Jahren wieder zurück: Finaler Rettungskuss (KBV) heißt der neunte Roman, der die Wiederauflage aller acht Matzbach-Romane seit »Mord am Millionenhügel« einleitet. Aus dem fetten Tausendsassa ist zwar ein "schlurfender Greis" geworden, von Zipperlein geplagt, von Ärzten bevormundet, von den neuen Zeitläuften vergrämt, aber immer noch seiner Sinne, seines Verstandes, seines nicht stillstehenden Mundwerkes und seiner Neigung zum gnadenlosen Kalauern nicht verlustig. Und so bricht über ein kleines Städtchen an der Erft der Wahnsinn herein, mit einem rabiaten Zwerg, Killer aller Couleur, dem großen Weltgetriebe, das in Afghanistan seinen Ursprung hat, und allerlei andere Umtriebe mehr. Bevor wir das hier alles groß entwirren - eines macht der Roman ganz klar: Matzbach hat gefehlt.

 

© Thomas Wörtche, 2012

 

« Leichenberg 06/2012       Index       Leichenberg 08/2012 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen