kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 08/2013

 

Schwarzes Blut

Die erfolgreichen Südafrika-Thriller von Roger Smith sind clever gemachte Reißer, bei denen der hysterische Unterton stört, mit dem Smith die "Angst vorm schwarzen Mann" schürt und in schicke Metzelgemälde verwandelt. Schick metzeln kann Smith nämlich richtig gut, und ohne störende politische Implikationen kann das sogar Spaß machen. Unter dem Pseudonym Max Wilde mixt er in Schwarzes Blut (Heyne) in altbewährter Manier Horror, Crime, Gangster, Abenteuer und andere Genre-Elemente zu einem bluttriefenden Stilleben in Gekröse, Körperteilen und -fetzen. Dazu jede Menge Gemeinheit und ganz niedrige Gesinnung, natürlich auch Stolz, Liebe und Opferbereitschaft. Dazu ekliges Viechzeuch, das dem nettesten Menschen inne wohnt und nach außen strebt. Am liebsten in einer sexy jungen Frau. Das Ganze spielt natürlich in den backwoods (auch wenn die irgendwo ohne Wald an der Grenze zu Mexiko liegen, dort siedelt das menschlich ganz Böse), wo dergleichen stattzufinden hat, wo Monster und Kannibalen sich gegenseitig Gute Nacht sagen. Albern, splatter pour splatter, dusk-till-dawn-mässig, ohne aufgesetzten Anspruch. Deswegen ist mir Max Wilde lieber als Roger Smith.

Die Rückkehr

Einen faszinierenden und komplexen Mix aus fantastischer Literatur und Cop-Novel bot schon der erste Teil von Carsten Strouds »Niceville«-Trilogie unter dem gleichnamigen Titel. Jetzt ist der zweite Teil erschienen, Die Rückkehr (DuMont), bei dem gar nicht so klar ist, was da zurückkehrt. Denn wir wissen über Niceville (irgendwo im Süden der USA) nur, dass die kategoriale Trennung von Gegenwart und Vergangenheit dort nicht so richtig funktioniert. Auch wenn es in der Gegenwart die üblichen Turbulenzen wie Bankraub, Geiselnahme, Mafiaaktivitäten, häusliche Gewalt und andere Betrüblichkeiten des Alltags gibt, sind die doch alle konsequenter an die Geschichte des alten Südens vor dem Bürgerkrieg und zur Zeit der Großen Depression gekoppelt. Oder an noch viel ältere Schichten, die für den Nobelpreis für Archäologie gut sein könnten, wenn... Stroud erzählt souverän, lakonisch, auf den Punkt, mit wunderbaren Dialogen und dem nötigen Blick fürs Komische, das selbst noch im Irrwitzigsten und Unheimlichsten aufscheint. Hoch anzurechnen ist Stroud, dass er nicht in die Gore-Kiste greift, denn das wäre hier völlig falsch, sondern den übernatürlichen Horror sanft, aber deswegen umso nachdrücklicher setzt... Bleibt die Vorfreude auf Teil drei.

Empty Mile

Furchtbar gesplattert, emsig geschockt und fleißig buhuuuu gemacht hatte Matthew Stokoe in »High Life«, einem der ödesten gewaltpornografischen Romane der letzten Saisons. Es wäre schade, wenn sein neues Buch (naja, ist auch schon von 2010) Empty Mile (Arche) unter diesem Eindruck leiden müsste. »Empty Mile« ist ein todtrauriger kleiner Noir in der James-M.-Caine-Tradition. Ein junger Mann kommt in sein Heimatkaff in Nordkalifornien zurück, um mit seinem behinderten Bruder und seinem Vater zu leben. Aus dem bescheidenen Idyll wird nichts, die eigenen Schuldgefühle, Obsessionen und überhaupt alle Varianten von Tragik, die eines Menschen Leben zur Hölle machen können, brechen herein. Alle sind schuld, nur der reine Tor, der behinderte Bruder nicht, aber das wird sich für ihn auch nicht auszahlen. Ein fatalistischer Roman, Camus sans merci, allerdings auch ohne jegliche Spur von Komik oder anderer Brechungen. Und insofern ziemlich dogmatisch noir.

bleierne Hitze

Sehr robust noir mit derbem Witz, drastischen Figuren und anarchistischer Freude am Chaos ist Barus Comic-Adaption von Jean Vautrins »Canicule« (1984 verfilmt als »Dog Day« von Yves Boisset mit Lee Marvin) unter dem Titel Bleierne Hitze (Edition 52). Die böse Geschichte vom Bankräuber, der mit fetter Beute mitten in der Provinz hängenbleibt und einer Horror-Familie aus Grenzdebilen und gefährlichen Kretins in die Hände fällt, die sich an seinem unrecht Hab und Gut vergreifen möchten, ist prall und kunstvoll gezeichnet und sehr ironisch geplottet - höchst unterhaltsam, weil man sich virtuose Bilder anschauen kann, die eine der ewigen Geschichten über homo sapiens originell erzählen. Am Ende tollen zwei Exemplare einer ganz anderen Spezies in den Sonnenuntergang. Großartig!

Nicht großartig leider Kalte Macht von Jan Faber (Page & Turner). Angeblich ist Jan Faber ein Insider im Berliner Polit-Betrieb - das glauben wir gerne, weil er sich offensichtlich mit der Denke und den Grundstrukturen der Macht im Regierungsviertel gut auskennt. Sogar der Plot ist hübsch: Provinzpolitikerin findet heraus, dass der Vorstand der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen (der im Buch nicht so heißt, niemand taucht mit Klarnamen im Roman auf), 1989 nicht von der RAF, sondern auf Befehl des Kanzleramtes ermordet wurde. Daraus hätte man was machen können. Aber blöderweise tapsen die Figuren bescheuert durch die Handlung, benehmen sich völlig unplausibel (die Heldin lässt sich z.B. mal von einem Unbekannten schwängern, der so tut, als wär er ihr Gatte, und sie merkt nichts) und kein Mensch versteht, warum die Kanzlerin sich das Mädel überhaupt ins Haus holt, wo die dann flugs auf die geheimdienstlichen Kronjuwelen stößt. Komikfrei das Ganze auch noch, und von "Prosa" kann man eh nicht sprechen. Ach, wie schade...

 

© Thomas Wörtche, 2013

 

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