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Leichenberg 12/2006

 

Kalte Monde Harland ist eine fiktive Kreisstadt im Osten von Österreich. Dort obwaltet Marek Miert, Privatdetektiv. Kalte Monde (Haymon) heißt der vierte Band seiner Abenteuer, aufgeschrieben von Manfred Wieninger. Miert-Romane vergehen sich nämlich an dem Schema von Fall & Aufklärung, sie erzählen von einer unendlichen Kette aus Katastrophen und Debakeln. Mierts Waffen sind sein herbes Mundwerk, sein Spott, sein Toben und Pöbeln und sein robuster Witz, mit denen er dem alltäglichen Wahnsinn zu Leibe rückt. Diesmal hat er es mit einer alten Kommunistin zu tun, die ihren Seelenfrieden möchte, aber schon tot ist, bevor Miert wirklich etwas für sie tun kann. Dazu soll er eine Katze finden, die zwei Millionen Euro wert ist, er soll den Leibwächter für einen rechten Politker spielen, die total korrumpierte Polizeibehörde im Interesse genauso korrupter Hintermänner in Mißkredit bringen, und nebenbei läuft ihm auch noch ein jämmerlicher Serial Killer zwischen den Beinen herum. Das hört sich ein wenig nach "too much" an, ist aber nur ein literarisch verdichtetes Panoptikum einer irrsinnig gewordenen Welt, die deswegen nicht nur in Harland, sondern so ziemlich überall in unseren Breiten so ziemlich ähnlich tickt. Wieninger und Miert jammern aber nicht, sie halten dagegen. Mit gutem Rotwein, starken Sprüchen und miesen Tricks. Das wird die Welt nicht verändern, verschafft aber hin und wieder einfach Erleichterung. Noch eine Warnung: Bitte Wieninger nicht einfach unter der "Österreich Welle" abbuchen!

Das dunkle Herz der Wüste Eher ein Pastiche für Freunde des klassischen Noir ist Das dunkle Herz der Wüste (dtv) von Richard Rayner. Der Roman spielt in den mittleren 1950s, als Las Vegas richtig groß wurde und gleichzeitig die US-Atomwaffen-Versuche in der Wüste unweit des Glitzerlandes stattfanden. In diese bizarre Kulisse hinein baut Rayner die Geschichte einer femme fatale aus dem Topos-Kistchen des roman noir, jedoch mit einer sehr interessanten Variante. Das liest sich flüssig und fluppig, hat aber leider einen klitzekleinen Schönheitsfehler. Denn ein entscheidender Plot-Teil, die Ermordung des schwarzen Tenorsaxophonisten Wardell Gray, der wegen einer Frau finale Probleme mit der Mafia von Las Vegas bekommt, haben wir so ähnlich schon mal gelesen: In Bill Moodys Roman "Moulin Rouge, Las Vegas" (Unionsverlag metro). Natürlich handelt es sich bei Rayner nicht um ein Teil-Plagiat, aber woher denn. Schon gar nicht bei so einem Stoff. Liegt ja schließlich mit Händen zu greifen auf der Strasse herum. Und Wardell Gray heisst bei Rayner immerhin Wardell Lane und das "Moulin Rouge", das historische, erste Kasino ohne Rassentrennung, hat er zu "Gai Moulin" verfremdet und die Ermordung Grays von 1955 nach 1951 vorverlegt. Na also!

Kyai! Voll ins reale Multikulti-Leben von Deutschland greift Merle Krögers zweiter Roman, Kyai! (Ariadne). Irgendwo zwischen Kriminal-, Liebesroman und Polit-Thriller springt sie mit sehr unkonventioneller Erzählökonomie zwischen Berlin, Schleswig-Holstein und Indien hin und her, flicht den globalen Hype um Bollywood ein, porträtiert die Aufsteiger (und Verlierer) unter den ehemaligen Poona-Leuten, liefert allerlei genaue Genre-Bilder aus diversen "Szenen" und bastelt zudem noch eine nette, plausible Schweinerei aus dem Themenbereich: "Auslandseinsätze der Bundeswehr, Wirklichkeit und Propaganda". Ein überbordender, mit Personal prall gefüllter, vor Geschichten nur so strotzender Roman, der genau deswegen mit großem Vergnügen zu lesen ist.

Vergnüglicher auf jeden Fall als ein mißglücktes Genre-Crossing zwischen Polit-Thriller und SF: Quantico von Greg Bear (Heyne). Um zu zeigen, dass sich die diversen US-Geheimdienste nicht grün sind und die Sicherheitsgefährdungen erst produzieren, die sie bekämpfen sollen, dazu hätte man sich den leicht futuristischen Touch (nur Gadgets) sparen und lieber richtige Figuren statt hölzerne Positionslautsprecher agieren lassen können. Schade!

 

© Thomas Wörtche, 2006

 

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