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Leichenberg 12/1998

 

Daß Polizeiarbeit oft langweilig ist, ist richtig. Daß man daraus keine spannenden Kriminalromane machen kann, ist falsch. Grundsätzlich ist zu begrüßen, daß sich Wolfgang Burger um einen "realistischen" Polizeiroman bemüht: Mordsverkehr  (Zebulon) heißt der Erstling um einen Bombenleger, der die Infrastruktur einer Stadt (Karlsruhe) da angreift, wo's weh tut: An den Verkehrswegen. Burger hat aber ein Problem: Er schreibt entsetzlich bieder, steifleinern und uninspiriert. Vor allem die Dialoge mit den Todsünden: "...lachte er", "...fügte er hinzu" erwecken den Eindruck, man lese einen ambitionierten Schulaufsatz. Leider Amateurprosa, die bloß das Vorurteil bestätigt, Romane über Polizeiarbeit seien langweilig. Und das ist falsch.

Alle Vorurteil gegen "Krimis" hingegen bestätigt Till Bastians Erstling Eine Hand im Park. Daß Bastian Friedensforscher ist, hilft ihm in literaricis gar nicht. Die Schote von der Münchner Pianistin, die ihre seit Jahrzehnten tiefgekühlte Hand in einem Münchner Park auslegt und vom bösen Mafioso, der Münchner und -Innen umbringt (warum?), geht hinten und vorne nicht zusammen. Sie paßt bloß ins Bild, demzufolge jeder, aber auch jeder Münchner einen München-Krimi geschrieben haben muß, um in München von Münchnern als Münchner wahrgenommen zu werden. Published by Knaur, München.

Es war auch nur eine Frage der Zeit, wann ein deutscher Autor auf den Zug von "Akten-X" und PSI und Buuh einsteigen wird. Voilà: Wolf  von Joachim Körber (Heyne). Und Überraschung: Körber ist ein intelligenter, nicht allzu abgedrehter und gut lesbarer Pageturner über ein aus den Gleisen geratenes Telepathie-Projekt irgendwo in Kalifornien gelungen. Deutlich in der oberen Koontz-Klasse, minus dessen Gewaltorgien und skrupulöser geplottet.

Großes Lob für Piper: Dort erscheint endlich der erste der Milodragovich-Romane von James Crumley: Schöne Frauen lügen nicht, von 1975. Zwar hätte ich mir einen geschickteren Titel für "The Wrong Case" gewünscht, aber immerhin hat der Verlag am Schriftsteller Thorsten Tornow als Übersetzer von Crumley festgehalten, und das ist gut so. Denn man soll bitte nicht aus den Augen verlieren, daß Crumley einer der eigenwilligsten und vertracktesten Prosaisten der US-amerikanischen Gegenwartsliteratur ist, auch wenn, oder: gerade weil er Genre-Literatur schreibt. Das verbindet ihn mit Chandler, an dessen "The Little Sister" Crumleys Roman eine Hommage ist. Freilich verzweifelter, skeptischer und trotziger - wie Crumleys Kampftrinker und Außenseiter, die da im Nordwesten der USA sitzen und ihre eigene Auffassung vom American dream  haben. Es gibt kaum einen Autor, der so zwischen Melancholie und Brutalität oszillierend, Poesie hervorzaubern kann.

Ebenfalls Hommage an tempi passati  ist In tiefer Trauer  von Dennis Lehane (Ullstein) - die Wiederauferstehung der femme fatale  in all ihrer politischen Unkorrektheit. Geschildert aus den politisch höchst korrekt quotierten Blickwinkeln eines gemischten PI-Doppels: Angela Gennaro und Patrick Kenzie, präsentiert mit einer seltenen Lust an schwungvollen Twists und Pointen. Es ist Lehanes drittes Buch, und wenn er bisher an alten Mustern nur übt, dann warte ich freudig auf eigene Stoffe.

Prachtstück des Monats: Das unanständig teure (DM 47.-), aber dito opulente und wollüstige Bilderbuch Paul Corks Geschmack  von Matthias Gnehm & Francis Rivolta (Hochparterre), ein PI auf der Suche nach Brillat-Savarins letzten, verschollenen Geheimnissen. Exquisit!

© Thomas Wörtche

 

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