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Wörtches Crime Watch 02/2008

 

Arimasa Osawa: Der Hai von Shinjuku - Rache auf chinesisch

 

Der Hai von Shinjuku - Rache auf chinesisch

In den letzten Jahrzehnten gab es einen deutlichen Trend zum irgendwie unspezifisch »erhöhten« Kriminalroman. Vermutlich kann man endlos darüber streiten, ob das Genre sich evolutionär verändert hat - oder ob es allmählich an der eigenen Ambition zu grunde geht, weil es sämtliche Distinktionskriterien zu »seriöser« Literatur peu à peu abschafft, freilich nicht ohne dabei hin und wieder noch exzellente Kriminalromane zu produzieren. Ach, komplizierte Dialektik...

Deshalb freut man sich jedes Mal, wenn man auf einen Roman oder ein Projekt stösst, das ohne ästhetiktheoretisch generierte Schnörkeleien sozusagen von A nach B erzählt. Und zwar eine Geschichte, die natürlich »die Realität« leicht transzendieren muss, um als realistische Geschichte spannend, fesselnd und unterhaltend zu sein - also die Grundtugenden eines Kriminalromans erfüllt. Man freut sich gar noch mehr, wenn ein solcher Roman zum Beispiel aus Japan kommt, und deswegen die Verschränkung von lokaler Spezifik und universalem Code, die ebenfalls für Genre-Literatur typisch ist, einmal mehr belegt.

»Der Hai von Shinjuku - Rache auf chinesisch« von Arimasa Osawa ist so ein Roman. Er ist der zweite Teil einer bis heute neunteiligen Serie über den »Hai« genannten Spezialermittler Samejima von der Tokyoter Polizei, der als Einzelgänger gegen das Organisierte Verbrechen antritt.

Bei seinem ersten Auftritt, »Der Hai von Shinjuku - Sodom und Gomorrha«, hatten wir vor drei Jahren die Gelegenheit, vieles über die betrübliche Verfilzung der japanischen Innenpolitik, der Wirtschaft und der Geheimdienste mit dem Organisierten Verbrechen zu erfahren, und damit das Spielfeld kennenzulernen, auf dem Osawa seine knüppelharten Polizist-gegen-Gangster-Romane inszeniert. Auch hier im aktuellen zweiten Buch ist das Lehrreiche in durchaus angenehmer Dosierung vertreten: Es geht um die Gesamtsphäre des Organisierten Verbrechens in Asien, vor allem über die Verbindung von Taiwan mit Japan. Und damit, - der Roman stammt aus dem Jahr 1991 -, auch über die Folgen der japanischen Okkupation Chinas seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts und deren Auswirkungen auf Menschenleben. Aber diese eingebaute Geschichtslektion, das Panorama und die kompetente Beschreibung der eher feineren Strukturen von Organisiertem Verbrechen sind glücklicherweise nicht dominant. Osawa besitzt nämlich einen fröhlichen Spieltrieb und lässt einen Rächer aus Taiwan in Tokyos Unterwelt wüten, dass sich selbst martial arts-Fans baden können in fetziger Action. Da wird nicht gegrübelt, da werden keine Metaebenen eingezogen, sondern nach eher verhaltenem Beginn mit voller Beschleunigung erzählt.

Samejima, der Hai, der sich nach und nach von bürokratischer und politischer Ranküne freimachen kann, funktioniert hier eher als Katalysator der Handlung zwischen dem Killer und dessen Hauptfeind, einem alter Freund aus Militärtagen, der jetzt taiwanesischer Polizist ist. Das akzentuiert den besonnenen Umgang von Osawa mit dem Helden einer Action-Serie. Genauso erstaunlich bei diesem Typ Roman ist die heimliche, aber letztendlich wichtigste Hauptfigur: Eine chinesische Hure, die als Kriegskind in Japan aufgewachsen und böse diskrimiert worden ist und die jetzt eine rührende, aber völlig plausible Loyalität zu dem tragisch-rächenden Killer entwickelt. Eine Konstellation, die aus einem Film von Jean-Pierre Melville stammen könnte. Wie überhaupt die ganze Haltung des Buches und seine kühle, klare Erzählsprache etwas durchaus Melville`sches haben - Genre pur.

Kleinere Ungeschicklichkeiten und Kontextfehler der Übersetzung verspricht der Verlag bei der nächsten Auflage zu tilgen. Und beim nächsten Hai-Buch gar nicht erst aufkommen zu lassen. Das ist schön.

Arimasa Osawa: Der Hai von Shinjuku - Rache auf chinesisch. (Shinjuku Zame 2 - Doku Zaru, 1991). Roman. Aus dem Japanischen von Katja Busson Löhne: Cass-Verlag 2007, 321 Seiten, 19.80 Euro (D).

 

© Thomas Wörtche, 2008

 

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