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Wörtches Crime Watch 03/2008

 

Nick Stone: Voodoo

 

Voodoo

»Voodoo« von Nick Stone ist ein klassischer Privatdetektivroman. Ein Ex-Cop, Max Mingus, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wird, bekommt die Chance seines Lebens: Ein Honorar von 10 Millionen Dollar, wenn er ein verschwundenes Kind wiederfindet. Natürlich ist der Auftrag vergiftet, voller Fallen und Tücken, natürlich spielen die Auftraggeber ein unsauberes Spiel. Und natürlich hat Mingus eine problematische Biographie. Mörder aus radikalem, privatethischem Vigilantismus, emotional zerrüttet durch den Unfalltod seiner großen Liebe, fit für den Überlebenskampf durch den Knastaufenthalt und prononciert unsentimental.

Max Mingus ist ein ferner Nachfahre von Hammetts Continental Op, dem kleinen, fetten mörderischen Privatdetektiv, dem moralische Skrupel der offiziellen Art egal sind, falls die mit seinen eigenen Standards kollidieren. In die zeitlich nähere Verwandschaft von Mingus gehört Malone aus New Jersey, der sich nur mit Mord befasst, und der Mitte der 80er Jahre von J.W. Rider für zwei kapitale Romane erfunden wurde. Nahe verwandt auch Whistler, der Wanderer durch die diversen üblen Pornoszenen, den Robert W. Campbell ebenfalls in den 80ern durch La-La-Land geschickt hatte. Figuren ohne liebenswürdige Macken oder skurrile Eigenheiten - latente Killer, gewalttätig, psychisch instabil, unberechenbar, gar unangenehm. Als literarische Figuren hochplausibel, aber auf dem Markt für fluffige Unterhaltung das reine Kassengift.

Dazu eine weitere Eigenschaft, die Max Mingus mit den genannten und ähnlichen, schon leicht verblassten Figuren teilt: Der Grimm, der wütende drive, den er entwickeln, die Gewalt, die er glaubwürdig ausüben kann, und der unausgesprochene, aber verbindliche Moralkodex, der ihn den Job wirklich zu Ende bringen lässt - auch dann, wenn dieses Ende möglicherweise gegen seine eigenen Interessen gerichtet ist. Tendenziell unzeitgeistig eben, radikal, verstörend roh. Und deswegen ganz pointiert literarisch.

»Voodoo« ist aber nicht nur ein aus der Zeit gefallener klassischer Privatdetektiv-Roman, sondern ganz und gar ein Buch unserer Zeit. Der Schauplatz, Haiti, platziert es in den Kontext der global crime-Welle, die seit nunmehr etlichen Jahren davon ausgeht, dass das Verbrechen tatsächlich überall ist und es auch sichtbar macht. Haiti, nach Graham Greenes »Stunde der Komödianten«, nicht gerade ein Lieblingschauplatz von Literatur, aber ein Lieblingsschauplatz des exotischen Gruselns namens Voodoo - spätestens seit James Bonds Abenteuer mit Baron Samedi in »Live and let die« (1973) -, ist ein für die kriminallitarische Welterforschung logischer Schauplatz. Nick Stone kennt Haiti glücklichweise gut, hat als Kind dort gelebt, seine Mutter ist Haitianerin. Schlimmer Ethno-Kitsch findet vermutlich schon deshalb nicht in dem Buch statt.

Denn es ist ein grimmiges, böses, unschönes Buch darüber, was reiche Leute mit armen Ländern machen und Haiti ist das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Die Tragödie von den Kindern, die für Kinderschänder in den reichen Gesellschaften abgerichtet, konditioniert und verschickt werden, ist nirgends schrill aufbereitet, sondern präzise in ihren kalten, wirtschaftslogischen Zusammenhang - Herrschaftswissen, politische und wirtschaftliche Macht - , gestellt. Dadurch wird die ethische Dimension noch deutlicher, noch quälender, noch unerträglicher. An dieser Gelenkstelle verbindet sich auch der unzeitgeistige Typus des offiziell-moralisch defekten, aber arbiträr-moralisch aufrechten Detektivs mit dem Thema der Story. Auch die Zeichnung eines mehr oder weniger benevolenten Warlords, dem die intensivste Gewaltszene des gewaltgesättigten Romans gewidmet ist, ist Ausdruck einer Ambiguität, die den Kriminalroman zu einem ästhetisch definierten Diskussionsfeld von Konfliktlagen macht. Nolens volens meinethalben, und gegen alle mögliche andere , forciertere Konzepte von Literatur.

Nick Stone: Voodoo. (Mister Clarinet, 2006). Roman. Dt. von Heike Steffens. München: Goldmann, 2008. 607

 

© Thomas Wörtche, 2008

 

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