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Wörtches Crime Watch 11/2008

 

Christa Faust: Hardcore Angel

 

Hardcore Angel

An Christa Fausts Roman Hardcore Angel stimmt gar nichts. In ihm beschreibt sie hanebüchenen Unfug wie die Szene von einer im Kofferraum eines winzigen Hondas eingesperrten Lady, auf die durch den Deckel geschossen wird und die mit einem Streifschuss davon kommt. Die Heldin, die Ex-Pornofilmqueen Angel Dare, ernennt Mädels, mit denen sie mal kurz zu tun hatte, zu ihren besten Freundinnen, wenn es der Handlung dient. Das Porno-Business in Los Angeles mutet wie ein nettes Familienunternehmen an; will es die Handlung, kann es auch die reine Hölle sein. Bei der Einschätzung von Typen, die nicht sofort penetrationswillig sind, kommt die Heldin ins Schleudern. Denn sie weiß, was Frauen wollen: Richtig hergenommen werden. Jedoch wird dieser Standpunkt kassiert, wenn man ihn gerade nicht braucht. Absicht oder tieferer Sinn sind da schwer zu finden. So tickt das Buch nunmal - handwerklich nicht gerade ein Prunkstück. Dazu sperma- und bluttropfend, mit wüster Sprache und unerfreulichen Figuren.

Hardcore Angel kommt also daher wie ein blöder, dumpfer, schlecht gemachter Noir-Klon aus der Retro-Fabrik des Zeitgeistes. Auch die Story ist schlicht: Angel Dare kommt einer multinationalen Mädchenhändlerbande in die Quere, Freunde von ihr werden umgebracht, sie selbst gefoltert, vergewaltigt und ihrer gesamten, (klein-) bürgerlichen Existenz beraubt. Daraufhin beginnt sie einen blutigen Rachefeldzug.

Zu diesen Stichworten fällt einem sofort ein, um wie viel bissiger und brillanter zum Beispiel Robert W. Campbell in seinen La-La-Land-Romanen das Pornogeschäft beschrieben hat, um wieviel literarischer und ästhetisch ausgefuchster Helen Zahavi das Thema gewaltbereiter und mordender Frauen in Schmutziges Wochenende und Donna und der Fettsack angegangen war, und dass die coolen Sprüche von Angel Dare, harmlos sind gegen die Smartcracks, die wir von Katy Mungers schwergewichtiger Casey Jones oder von Liza Codys Catcherin Eva Wylie kennen.

Dennoch: Hardcore Angel ist ein beeindruckendes Buch. Das hat einerseits mit dem Charme des Nicht-Perfekten zu tun, mit dem Tempo und der Energie, mit der es ins Keyboard gehämmert scheint. Da war kein production design am Werk, das das Teil für die internationalen Bestseller-Listen fit gestrählt und gestählt hätte. Da schimmert durch jede Beschreibung das Elend einer Plastik-Gesellschaft durch, in der nicht nur Wohnungsinterieurs, Sexspielzeug und Körperteile aus Kunststoff sind, sondern auch menschliche Regungen und Begierden formatiert, kalkulierbar, vorhersehbar und ausrechenbar sind. Dass Menschen Menschen aufs Kreuz legen, betrügen, belügen, beschädigen - das gehört zum Set erwartbarer Normen.

Unberechenbar wird der Roman aber an den Stellen, wo er diesem Umstand frank und frei Rechnung trägt: Wenn wir denken, Angel zucke, wie fast jede vergleichbare Hauptfigur vor ihr, aus Moral, Ekel oder Abscheu vor der letzten Konsequenz zurück, haben wir uns geirrt. Päng! Wenn wir wünschen, der Freund, den sie anscheinend auf ihrer Odyssee gewinnt, sei wirklich ihr Freund (und gehöre nur zum literarischen Arsenal der loyalen, schweigsamen, aber effektiven Gewalttäter mit goldenem Herzen) der sieht sich getäuscht. Päng! Und so zertrümmert uns Christa Faust so ziemlich alles, was an Kriminalliteratur zur Zeit so unerfreulich evasiv und idyllisierend wirkt: Die Entsorgung des Gemeinen, Widerwärtigen und Ekelhaften in das Genre von Märchen, Geisterbahn und Psychothriller. Christa Faust baut all das ins normale Leben ein, denn das Pornobusiness gehört allein wegen der Anzahl der Kundschaft genau da hin.

Der Schlussdreh mit den misshandelten, geschlagenen und geschundenen "verbrauchten Frauen" - was für ein Ekelwort -, ist Horror pur. Angel Dares gewaltsatte Wut explodiert zu Recht - denn diese Szenerie ist durchaus tägliche Praxis und ihre Inszenierung hier weit beeindruckender und relevanter als die Fehler und Macken.

Christa Faust: Hardcore Angel. (Money Shot, 2008). Roman. Aus dem Amerikanischen von Almuth Heuner. Berlin: Rotbuch, 2008, Hard Case Crime Bd. 4, 249 S., 9.90 Euro (D).

 

© Thomas Wörtche, 2008

 

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